# taz.de -- Pfefferspray und Faustschläge am 1. Mai: Polizisten zeigen Polizis… | |
> Am 1. Mai wurden offenbar an mehreren Orten Polizisten durch Polizisten | |
> verletzt. LKA-Mitarbeiter beklagt Faustschlag. Zivilbeamte zeigen | |
> Pfeffersprayeinsatz an. Demosanitäter spricht von wahllosem | |
> Reizgaseinsatz. | |
Bild: Welche Kollegen schießen wir jetzt ab? Polizisten beim Pfeffersprayeinsa… | |
Fünf der am 1. Mai in Kreuzberg verletzten Polizisten sind offenbar von | |
Kollegen attackiert worden. Wie die Polizei am Dienstagabend mitteilte, | |
haben zwei Beamte Strafanzeige gegen bisher unbekannte Polizisten wegen | |
Körperverletzung im Amt erstattet. Sie seien am Kottbusser Tor in Zivil | |
unterwegs gewesen, als sie "plötzlich von Pfefferspray getroffen und durch | |
Faustschläge im Gesicht verletzt wurden". Sie hätten ihren Dienst beenden | |
müssen. Auch drei weitere Zivilbeamte, die bisher keine Anzeige erstattet | |
haben, wurden laut Polizei durch das Reizgas getroffen. Ursprünglich war | |
sogar von insgesamt acht Verletzten die Rede gewesen. Nach | |
Zeugenbefragungen habe sich die Zahl jedoch auf fünf reduziert, erklärte | |
ein Polizeisprecher am Mittwoch. | |
Am Mittwochabend meldete die Behörde einen weiteren ähnlichen Fall. Ein | |
Beamter des Landeskriminalamtes habe ebenfalls Anzeige wegen des Verdachts | |
auf Körperverletung im Amt erstattet. Er habe angegeben, am Ende der | |
Revolutionären 1. Mai-Demonstration am Hermannplatz von dem Faustschlag | |
eines Polizeibeamten getroffen worden zu sein. Laut Polizeibericht hat der | |
LKA-Beamte Prellungen im Gesichtsbereich erlitten, die ambulant behandelt | |
werden mussten. | |
Räumlich und zeitlich weit entfernt vom Ende der Revolutionären 1. | |
Mai-Demonstration hatten sich am späten Sonntagabend etwa 1.000 Menschen am | |
Kottbusser Tor in Kreuzberg versammelt. Ab etwa 22 Uhr waren Trupps von | |
jeweils rund 20 Polizisten im Zick-Zack durch die bis dahin friedliche | |
Menge gezogen, hatten dabei Umstehende geschubst und immer wieder | |
Pfefferspray eingesetzt. | |
Mit ihrer Präsenz vor Ort wollte die Polizei offenbar versuchen, die | |
Bildung eines randalierenden Mobs zu verhindern. Aufforderungen, den Platz | |
zu verlassen, gab es vor Ort nicht. Auch um die Festnahme bereits auffällig | |
gewordener Straftäter ist es offensichltich nicht gegangen. Nach | |
Erkenntnissen des linken Ermittlungsauschusses, der bei Demonstrationen | |
Festgenommenen rechtliche Unterstützung anbietet, gab es bei dem | |
stundenlangen Polizeieinsatz rund ums Kottbusser Tor lediglich 15 bis 20 | |
Festnahmen. Die Zahl der Verletzen aber war umso höher. Nahezu im | |
Minutentakt wurden Opfer zu einem Sanitätsposten am U-Bahnhof gebracht. | |
Polizeipräsident Dieter Gliesch hatte den Einsatz am Montag verteidigt. Das | |
Reizgas sei nur nach gezielten Angriffen auf Beamte eingesetzt worden. | |
Grundloses Besprühen würde den Tatbestand der Körperverletzung im Amt | |
erfüllen. Nun wird auch ermittelt, ob die Zivilbeamten eventuell ihre | |
uniformierten Kollegen vor dem Reizgaseinsatz attackiert haben könnten. | |
"Hinweise darauf gibt es bisher nicht", so ein Polizeisprecher. | |
Die fünf Verletzten gehören alle zu Berliner Einheiten. Die mutmaßlichen | |
Täter sind laut Polizei noch nicht ermittelt. Vor Ort war auch | |
Bundespolizei im Einsatz. Ob der konkrete Fall auf den dort gedrehten | |
Polizeivideos zu sehen ist, konnte der Sprecher nicht sagen. Die Bilder | |
würden derzeit ausgewertet. Konkrete Ergebnisse lägen noch nicht vor. | |
Die liefert stattdessen einer der Sanitäter, die am Kottbusser Tor die | |
Augen der Verletzten mit Wasser behandelt hatten. "Wir hatten über 200 | |
Leute mit Pfeffer", sagte er der taz. "Das war Spülen im Akkord." In vielen | |
Fällen sei das Spray offensichtlich aus weniger als einem Meter Entfernung | |
abgegeben worden. Das sei an der massiven Schädigung der Hornhaut zu | |
erkennen gewesen. Zwei Betroffene hätten in eine Augenklinik gebracht | |
werden müssen. | |
Es sei kein typisches Demopublikum getroffen worden, sagt der Mann, der | |
seit Jahren Verletzte bei Demos versorgt. "Das waren fast nur Punks, | |
Ghettokids und Gaffer." Ihr Altersschnitt seit erstaunlich hoch gewesen. | |
Etwa 25 Verletzte seien "weit über Ende 30" gewesen. Die Polizei habe | |
wahllos in die Menge gesprüht. Einige Opfer hätten einen Schock erlitten. | |
"Die halten sich für unbeteiligt und rechnen nicht mit einem Angriff". Umso | |
traumatischer sei es, wenn sie urplötzlich attackiert würden, erklärte der | |
Sanitäter. | |
Die sonst am Rande von Demonstrationen übliche chirurgische Erstversorgung | |
sei am Sonntag nur selten notwendig gewesen, berichtete der Sanitäter. Die | |
Art der Verletzungen spreche allerdings dafür, dass Schläge mit den bei der | |
Polizei verbotenen, weil schlagverstärkenden Quarzsandhandschuhen | |
ausgeführt worden seien. "Ein Nasenbein war richtig durch", sagte der | |
Ersthelfer. Das sei mit normalen Handschuhen gar nicht machbar. | |
4 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
## TAGS | |
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kriminologe über Polizeigewalt: "Beamte unterliegen Gruppendruck" | |
Bei Straftaten von Polizisten sollen externe Kommissionen ermitteln, | |
fordert der Kriminologe Martin Herrnkind. Nur so könnten Gewaltopfer eine | |
Chance auf ein gerechtes Verfahren bekommen. | |
Verfahren Polizeieinsatz 1. Mai: Friedensfürst, ganz bei sich | |
200 verletzte Menschen und kein Wort des Bedauerns? Über mangelnde | |
Selbstkritik und den Versuch, übermäßige Polizeigewalt nach dem 1. Mai | |
aufzuklären. | |
Gewalttätiger 1. Mai in Berlin: Polizei beklagt weitere Opfer | |
Weiterer Polizist erstattet Anzeige gegen Kollegen wegen Angriffs am 1. | |
Mai. Ob Täter je ermittelt werden, ist offen: Individuelle Kennzeichnung | |
gibt es noch nicht - und sie gilt auch künftig nur für Berliner Beamte. | |
Kommentar Aufklärung von Polizeigewalt: Revolutiönchen im Korps | |
Jahrelang mussten Opfer von Polizeigewalt vor allem mit einem rechnen, dem | |
unbedingten Korpsgeist. Nun scheint diese Mauer ganz langsam zu bröckeln. | |
Nach Pfefferspray-Einsatz am 1.Mai: Gepfefferte Kritik an Polizei | |
Nach dem umstrittenen Einsatz der Polizei bei den Maidemos klagen | |
Zivilpolizisten Kollegen an. Ströbele kritisiert übertriebene Härte, die | |
Linke will Pfefferspray einschränken. | |
Pfefferspray und Pepperballs: Chili statt ausgestreckter Hand | |
Erst seit der Jahrtausendwende als polizeiliches Zwangsmittel im Einsatz, | |
spritzt die Polizei immer häufiger mit reizenden Substanzen. Das kann ins | |
Auge gehen. | |
Kommentar Pfefferspray-Einsatz: Der verletzte Polizeistaat | |
Es braucht erst zwei wehrhafte Polizisten, die den massiven Einsatz von | |
Pfefferspray am 1. Mai in Frage stellen. Dass es sie gibt, könnte | |
beruhigen. Das macht es aber gerade nicht. | |
Pfefferspray-Einsatz am 1. Mai in Kreuzberg: Polizisten verletzen Zivilbeamte | |
Bei dem umstrittenen Pfeffersprayeinsatz der Polizei am 1. Mai sind | |
offenbar auch acht Polizisten verletzt worden. Zwei Zivilbeamte erstatten | |
Anzeige gegen ihre Kollegen. | |
Polizeibilanz zum 1. Mai: Krawall im Nachhinein | |
Polizei ist mit dem 1. Mai zufrieden: Deutlich weniger Festnahmen als im | |
vergangenen Jahr. Umstrittener Pfeffersprayeinsatz. Körting fordert Grüne | |
zu Distanzierung von Gewalt auf. Ströbele fühlt sich falsch wiedergegeben. | |
+++ Ticker zum 1. Mai +++: Friedliche Feste, wenige Randale | |
In Berlin und Hamburg demonstrierten tausende Menschen am 1. Mai-Abend auf | |
den Straßen. Bis auf wenige Randale blieb es friedlich. In Hamburg wurde | |
das Schanzenviertel abgeriegelt. |