| # taz.de -- Besuch bei iPhone-Hersteller Foxconn: Blut am Apfel | |
| > Vor einem Jahr nahmen sich mehrere Arbeiter in chinesischen | |
| > iPhone-Fabriken das Leben. Was hat sich seitdem geändert? Ein Besuch. | |
| Bild: Arbeiten am Fließband - Foxconn vor einem Jahr. | |
| Wir sind so eng miteinander verbunden - und so weit von einander entfernt. | |
| Wir, die Käufer von Apple-Produkten wie dem MacBook oder dem iPad. Und sie, | |
| die Arbeiter, die die Geräte in den Fabriken der chinesischen | |
| Millionenstädte Shenzhen und Chengdu zusammensetzen. | |
| Nicht nachgedacht. Gute Laune beim Bummel über die Berliner Friedrichstraße | |
| gehabt. Schon benutzt der Autor ein iPhone mit Zweijahresvertrag - und | |
| fragt sich mit gewisser Scham, wie das passieren konnte. | |
| Hätten die Medienberichte über die Selbstmorde von iPhone-Arbeitern im | |
| ersten Halbjahr 2010 diese Kaufentscheidung nicht verhindern müssen? | |
| Dreizehn Beschäftigte des Foxconn-Konzerns, der im Auftrag von Apple | |
| produziert, nahmen sich damals das Leben - meist, indem sie sich von oberen | |
| Stockwerken der Fabrikgebäude in den Tod stürzten. Vier weitere überlebten | |
| den Suizidversuch. Die Leute waren verzweifelt, auch wegen der Drangsal | |
| ihrer Arbeit: miese Löhne, sechzig Stunden Arbeit pro Woche - oder mehr, | |
| Einsamkeit im Firmenwohnheim, keine Aussichten, das zu ändern. | |
| Foxconn und Apple versprachen Besserung. In den Foxconn-Hauptwerken in | |
| Shenzhen bei Hongkong, wo 400.000 Leute arbeiten, ließ man Netze an den | |
| Fassaden installieren, um weitere Todessprünge zu verhindern, verdoppelte | |
| den Lohn und eröffnete ein Care Center, in dem Berater rund um die Uhr bei | |
| privaten und beruflichen Problemen helfen. Aber haben sich die Arbeits- und | |
| Lebensumstände in allen chinesischen Foxconn-Fabriken ein Jahr nach den | |
| Selbstmorden wirklich gebessert? | |
| Als Journalist mit iPhone möchte man Antwort auf diese Frage. Vor allem | |
| jetzt, wo das taiwanesische Unternehmen in Chengdu, der Millionenstadt im | |
| Südwesten Chinas, zwei neue Fabriken aufbaut. Hier arbeiten rund 100.000 | |
| Beschäftigte. Bald sollen es 250.000 Arbeiter sein. | |
| Für Besucher aus der geordneten Ruhe mitteleuropäischer Großstädte sind das | |
| Gewühl und der Krach vor dem Eingang des Geländes schwer zu ertragen. | |
| Tausende ArbeiterInnen drängeln sich zur Mittagszeit um fahrbare Küchen, | |
| die auf Motorrädern montiert sind. | |
| ## Verpflichtende Überstunden in zu hoher Zahl | |
| Zhao Ai* holt sich eine Schale mit Reis und Gemüse. Sie ist 19 Jahre alt, | |
| zu Jeans und hellem T-Shirt trägt sie die blaue Weste mit dem | |
| Foxconn-Schriftzug auf dem Rücken. Ai berichtet, dass sie in der | |
| Qualitätskontrolle arbeitet, wo sie die Gehäuse der iPads auf | |
| Produktionsfehler überprüft. An sechs Arbeitstagen von Montag bis Samstag | |
| ist sie jeweils 12 Stunden in der Fabrik. Zwei Stunden Pause täglich werden | |
| nicht bezahlt. Zwei weitere Stunden gelten als Überstunden, ebenso der | |
| Samstag. "Pro Woche leiste ich rund zwanzig Überstunden, monatlich etwa | |
| achtzig", erzählt Zhao. | |
| Regelmäßige, verpflichtende Überstunden in zu hoher Zahl - das ist einer | |
| der Vorwürfe, die Kritiker wie die Organisation Sacom aus Hongkong | |
| gegenüber der Firma erheben. Louis Woo, ein enger Vertrauter des | |
| Vorstandschefs von Foxconn, streitet dieses Problem nicht ab. "Es ist | |
| richtig, dass das chinesische Arbeitsgesetz nur 36 Überstunden pro Monat | |
| erlaubt. Wir übernehmen eine Führungsrolle, um dieses Ziel umzusetzen." Woo | |
| räumt damit ein, dass die Arbeitsbedingungen bei Foxconn im Widerspruch zum | |
| Gesetz stehen - ein Umstand, den das iPhone-Unternehmen Apple in seinen | |
| Sozialstandards ausschließt. | |
| Zur Begründung führt der Manager zwei Argumente an. Einerseits sei die | |
| Nachfrage nach Foxconn-Produkten so groß, dass man gar nicht genug Leute | |
| einstellen könne. Andererseits wünschten viele ArbeiterInnen ausdrücklich, | |
| mehr zu arbeiten, damit sie mehr verdienten. 2011 werde man aber | |
| zusätzliche Beschäftigte anwerben und die Löhne weiter erhöhen, um die Zahl | |
| der Überstunden zu verringern, sagt Woo. | |
| Der Lohn eines normalen Foxconn-Arbeiters in Chengdu beträgt etwa 2.000 | |
| Renmimibi, also 210 Euro, für rund 240 Arbeitsstunden monatlich. Das macht | |
| rund 90 Euro-Cent pro Stunde. Eine Summe, die deutlich über dem staatlichen | |
| Mindestlohn liegt, den Arbeitern aber trotzdem nur ein relativ bescheidenes | |
| Leben ermöglicht und für die Gründung einer eigenen Familie kaum ausreicht. | |
| ## | |
| In den Werkhallen sieht es nicht aus wie in einem Sweatshop. Es ist hell | |
| und nicht besonders laut. Die Angestellten haben Platz und arbeiten mit | |
| Hightech-Geräten wie in Europa. Trotzdem beschweren sich viele Beschäftigte | |
| über die harten, teilweise entwürdigenden Regeln, die Foxconn durchsetze. | |
| "Wir dürfen während der Arbeit nicht miteinander sprechen", sagt | |
| Qualitätskontrolleurin Zhao. Andere Arbeiter berichten, Vorgesetzte hätten | |
| ihnen zur Strafe für Fehler befohlen, sich zwischen den Arbeitsplätzen in | |
| der Produktionshalle so aufzustellen, dass sie ihren Kollegen gut sichtbar | |
| vorgeführt werden konnten. "Angesichts der großen Zahl unserer | |
| Beschäftigten würde ich nicht ausschließen, dass es solche Fälle gibt", | |
| sagt Woo, "aber wir wollen das ändern." Zumindest in Chengdu ist das wohl | |
| dringend notwendig. | |
| Unterm Strich muss man zwar festhalten, dass Foxconn eine Firma auf dem Weg | |
| in die Zivilisation ist. Aber auch ein Jahr nach der Selbstmordserie | |
| scheinen deren möglichen Ursachen nicht überall im Konzern beseitigt - | |
| jedenfalls nicht in den neuen Werken im chinesischen Hinterland. Als | |
| Konsument in Europa konnte und kann man das wissen. Wir, die Verbraucher, | |
| ziehen es klar vor, derartig unangenehme Informationen zu ignorieren. Die | |
| Handels- und Mobilfunkunternehmen, die uns mit iPads, iPhones und MacBooks | |
| versorgen, kümmern sich ebenfalls kaum um die unschönen Nachrichten. | |
| Warum ist das so? Sind wir Smartphone-Nutzer mitleidslos, desinteressiert? | |
| Sicherlich. Andererseits dürfen wir zu unserer Entlastung auch sagen: Wenn | |
| wir ein Smartphone benutzen wollen, haben wir keine Wahl. In ökologischem | |
| und sozialem Sinne gut hergestellte Mobiltelefone gibt es nicht. Die | |
| holländische Organisation Fairphone unternimmt zwar erste Schritte, | |
| konzentriert sich jedoch bisher auf die sozial- und umweltverträgliche | |
| Beschaffung der Rohstoffe in Amerika. Und andere gängige Marken bieten | |
| keine Alternative. Leider sieht es so aus, dass Nokia, Sony und weitere | |
| Mobiltelefon-Firmen bei Foxconn produzieren lassen. | |
| Bleibt die Variante, die Geräte zu erstehen und den Unternehmen | |
| mitzuteilen, was man von ihnen hält. Die nächste Möglichkeit dazu bietet | |
| der weltweite Aktionstag der Kritiker am 7. Mai. Organisationen wie Sacom | |
| aus Hongkong, Somo aus den Niederlanden und Germanwatch aus Deutschland | |
| rufen Verbraucher auf, sich in Geschäften mit Apple-Produkten zahlreich und | |
| hartnäckig nach den Arbeitsbedingungen in der Produktion zu erkundigen. | |
| Dies wird die Unternehmen, Apple inklusive, nerven. Ist aber - zugegeben - | |
| ein Protest mit begrenzter Reichweite, solange wir nicht mit | |
| wirtschaftlichen Sanktionen - dem Verzicht auf iPhones - drohen wollen. | |
| * Name geändert | |
| Mehr Informationen zum Aktionstag: [1][makeitfair.org] | |
| 6 May 2011 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://makeitfair.org/ | |
| ## AUTOREN | |
| Hannes Koch | |
| ## TAGS | |
| Fairphone | |
| Mobiltelefon | |
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