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# taz.de -- Europa nach der Wahl in Frankreich: Brüssel legt frisches Rouge auf
> In Brüssel reden viele dem französischen Wahlsieger Hollande nach dem
> Mund. Doch die Krise in Griechenland könnte seine Agenda torpedieren.
Bild: Mit der Wahl François Hollandes ist die konservative Vorherrschaft in Eu…
BRÜSSEL taz | Frust bei den Anlegern, Freude in Brüssel: einen Tag nach den
Wahlen in Frankreich und Griechenland könnten die Reaktionen kaum
unterschiedlicher sein. Während viele europäische Börsen am Montag
einbrachen und der Euro unter Druck kam, machte sich in der EU-Kapitale
Aufbruchstimmung breit. Ob in der EU-Kommission, im Europaparlament oder im
Ministerrat: überall beeilte man sich, dem französischen Wahlsieger
François Hollande zu gratulieren und neue Initiativen anzukündigen.
Besonders eilig hatten es Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) und
Kommissionsvize Viviane Reding: Beide wollen 2014 Kommissionschef José
Manuel Barroso beerben und reden dem neuen „starken Mann“ aus Paris deshalb
schon jetzt nach dem Munde. Auch Ratspräsident Herman Van Rompuy drehte
flugs sein Fähnchen im Wind und machte sich für einen neuen Wachstumspakt
stark.
Das Kalkül der EU-Strategen ist simpel: Indem man Hollandes Forderung nach
einer wachstumsfreundlichen Politik entgegenkommt, nimmt man ihm den Wind
aus den Segeln und verhindert gleichzeitig eine neue Krise. Der
Wachstumspakt, der Van Rompuy vorschwebt, soll nichts kosten und vor allem
auf Strukturreformen setzen.
Im Kern handelt es sich um einen typischen EU-Kompromiss: man geht auf den
Neuen im Kreise der 27 Staats- und Regierungschefs zu, reicht ihm die Hand
– und zieht ihn auf seine Seite. Ein wachsweicher Wachstumspakt hätte aus
Brüsseler Sicht den Charme, dass der strenge Fiskalpakt von Kanzlerin
Angela Merkel unverändert bliebe. Vermutlich würde er nicht einmal die
Märkte verschrecken. Man könnte es allen recht machen: Merkel und Hollande,
den Bürgern und den Märkten.
## Bestätigung nach nur einem Tag
„Spätestens beim EU-Gipfel im Juni muss Hollande auf Linie sein“, fasst der
Europaabgeordnete Elmar Brok (CDU) die Meinung vieler EU-Politiker
zusammen. Zunächst bleibt aber einmal festzuhalten, dass die EU sich auf
die Linie Hollandes zubewegt. Ohne den Regierungswechsel in Paris wäre das
Thema Wachstum wohl nie so groß auf die EU-Agenda gekommen. „Der Wandel
beginnt jetzt“, hatte Hollande am Wahlabend in Paris verkündet. Schon einen
Tag später sah er sich in Brüssel bestätigt.
Ob damit auch die Chancen für ein Ende der Eurokrise steigen und ein
soziales Europa entsteht, ist eine andere Frage. Zunächst hat sich nur die
Rhetorik geändert, und das auch nur begrenzt. Der neoliberale Diskurs ist
weder in Brüssel noch in Berlin gebrochen.
Zunächst ist nur die konservative Vorherrschaft beendet, in Paris und
Brüssel weht schon ein neuer Wind. Doch die deutsche EU-Führung ist noch
lange nicht passé, zumal sich die Finanzmärkte an Merkels Vorgaben klammern
– und Merkel mithilfe der Märkte reagiert. Immer wieder betonte die
Kanzlerin vor der Wahl in Paris, dass Hollande schon bald auf den Boden der
wirtschaftlichen Tatsachen zurückkommen werde, oder Frankreich werde von
den Märkten „abgestraft“.
Wie schnell dies gehen kann, hat sich im Dezember gezeigt, als die
Ratingagentur Standard & Poors Frankreich herabgestuft hat. Damals kam die
Strafe allerdings wegen der Sparpolitik. Diesmal könnte die Sanktion wegen
der Lockerung derselben Sparpolitik kommen – was wieder einmal zeigt, wie
launisch nicht nur die Politik, sondern auch die Wirtschaft ist.
## Unsicherheitsfaktor Griechenland
Die größte Unsicherheit geht allerdings von Griechenland aus. Dort zeichnet
sich keine Mehrheit für das Spardiktat der Euro-Retter ab, möglicherweise
kommt es zu Neuwahlen. Je länger die Krise in Athen dauert, desto größer
wird der Druck. Der EU-Gipfel im Juni könnte deshalb wieder einmal zu einem
Griechenland-Gipfel werden und Merkel und Hollande zusammenschweißen.
Was dann noch von der Agenda des Sozialisten übrig bleibt, steht in den
Sternen. Sein Amtsvorgänger musste unter dem Druck der Krise fast alle
eigenen Wünsche zurückstellen – so könnte es auch Hollande ergehen.
7 May 2012
## AUTOREN
Eric Bonse
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