# taz.de -- Neuorientierung nach den Wahlen: Hollande fordert Kurswechsel | |
> Merkel gerät mit ihrem Sparkurs zunehmend unter Druck. EU-Politiker | |
> wollen mehr Geld ausgeben und die Wirtschaft ankurbeln. Merkel ist | |
> dagegen. | |
Bild: Zum Feiern bleibt nicht viel Zeit: Frankreichs neuer Staatspräsident Fra… | |
BRÜSSEL taz | Frankreichs neuer Staatspräsident François Hollande hat | |
seinen ersten Test bestanden: Die Finanzmärkte reagierten gelassen auf den | |
Sieg des Sozialisten, die Aktienhändler „bestraften“ die Franzosen nicht | |
für ihre Wahl. | |
Und in Brüssel beginnen sich die europäischen Politiker schnell mit der | |
neuen Situation zu arrangieren: Neben einem Wachstumsgipfel im Juni | |
bereitet die EU weitere Initiativen vor – einige davon dürften Kanzlerin | |
Angela Merkel gar nicht gefallen. | |
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso nannte am Dienstag drei | |
Beispiele für wachstumsfördernde Maßnahmen, die schnell umgesetzt werden | |
könnten: | |
Da wäre zum einen eine Kapitalspritze für die Europäische Investitionsbank | |
EIB, mit der Projekte in den 27 EU-Ländern gefördert werden. Dieser Idee | |
stehen sowohl Hollande als auch Merkel aufgeschlossen gegenüber. Nur der | |
Umfang der Kapitalerhöhung – in Brüssel spricht man von 10 Milliarden Euro | |
– ist noch umstritten. | |
Weniger erfreut dürfte Merkel über Barrosos Vorschlag sein, Autobahnen oder | |
neue Breitbandnetze über sogenannte Projektbonds zu fördern. Auch diese | |
Idee hatte Hollande ins Spiel gebracht; die Brüsseler Behörde arbeitet | |
allerdings schon seit Monaten daran. | |
Mit 230 Milllionen Euro aus dem EU-Haushalt könnten Vorhaben im Wert von | |
4,6 Milliarden Euro angestoßen werden, glaubt Barroso – doch bisher ist | |
Merkel strikt dagegen. | |
Mit einem kategorischen Nein aus Berlin ist auch beim dritten Vorschlag zu | |
rechnen. Dabei geht es um gemeinsame Staatsanleihen, die „Eurobonds“. | |
Barroso hatte sie bereits im Herbst vorgeschlagen, um so die extrem hohen | |
Zinsen zu drücken, die viele Euroländer an den Finanzmärkten zahlen müssen. | |
Doch da gemeinsame Anleihen die Deutschen vermutlich etwas teurer kämen als | |
die gefragten Bundesanleihen, lehnte Merkel ab. | |
## Eurobonds der Banklizenz | |
Deutschland dürfe nicht zu allem Nein sagen, warnte der künftige | |
französische Präsident in einem ersten Interview. Entweder müsse Merkel den | |
Eurobonds zustimmen, oder sie müsse den Weg für eine Banklizenz für den | |
Eurorettungsfonds freimachen. | |
Mit einer solchen Lizenz könnte sich der Fonds genau wie private Banken | |
praktisch unbegrenzt Kredit bei der Europäischen Zentralbank besorgen – und | |
so zur Not auch große Euroländer wie Italien oder Spanien stützen. | |
Viele Ökonomen und auch Frankreichs scheidender Präsident Nicolas Sarkozy | |
befürworten diesen Vorstoß. Denn die Banklizenz würde die „Brandmauer“ d… | |
Euroretter ins Unendliche erhöhen und das Risiko einer Staatspleite | |
deutlich verringern. | |
## Merkel ist dagegen | |
„Die Banklizenz kommt“, sagte in Brüssel ein hochrangiger EU-Politiker | |
unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Allerdings: Merkel ist dagegen. | |
Sollte Berlin alle Vorschläge ablehnen, werde Frankreich auch nicht Merkels | |
Fiskalpakt ratifizieren, hieß es gestern in Paris. „In dem Zustand, in dem | |
er sich befindet“, werde Frankreich ihn nicht ratifizieren. | |
Der Fiskalpakt sieht strikte Budgetdisziplin und Schuldenbremsen nach | |
deutschem Vorbild vor. Bisher haben ihn nur zwei Länder ratifiziert. In | |
Irland sollen die BürgerInnen das letzte Wort haben. Wie sie beim | |
Referendum Ende Mai abstimmen werden, ist längst nicht sicher. | |
Vorsichtshalber warnte Barroso aber schon einmal, der Sparkurs stehe nicht | |
zur Disposition. Wenigstens in diesem Punkt kann Merkel also auf | |
Unterstützung aus Brüssel hoffen. | |
8 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Debatte Referendum über EU-Rettungsplan: Mutige Iren, feige Regierung | |
Irland stimmt ab über den europäischen Fiskalpakt – und das Ergebnis ist | |
durchaus offen. Doch die Regierung in Dublin setzt auf Einschüchterung. | |
Bund macht günstig Schulden: Null Prozent Zinsen für Deutschland | |
Minister Schäuble im Glück: Die Finanzagentur nimmt durch Staatsanleihen | |
Milliarden am Kapitalmarkt ein – und muss dafür erstmals keine Zinsen | |
zahlen. | |
Frankreichs neuer Premier: Der Deutschlehrer | |
Der langjährige Bürgermeister von Nantes, Jean-Marc Ayrault, tritt sein Amt | |
als neuer Premier von Frankreich an. Er versteht sich als Freund | |
Deutschlands. | |
Machtwechsel im Élysée-Palast: „Solidarität und Wachstum“ | |
Der neue Präsident wird feierlich ins Amt eingeführt. In seiner | |
Antrittsrede ruft Hollande dazu auf, die Krise jetzt zu überwinden. Premier | |
wird sein Vertrauter Jean-Marc Ayraul. | |
Hollande trifft Merkel: Merde statt Merkozy | |
Frankreichs neuer Präsident kommt direkt nach seiner Vereidigung nach | |
Berlin, noch vor seiner Regierungsbildung. Was er sich wünscht, hat er | |
deutlich gemacht. | |
Wirtschaftsprognose für die EU: Euroländer bleiben Schuldenländer | |
In der EU entwickelt sich die Wirtschaft schlechter als erwartet: Die | |
Arbeitslosigkeit steigt auf 11 Prozent, sogar Frankreich verfehlt das | |
Defizitziel. Nur Deutschland bleibt die Ausnahme. | |
Gesetzgebung in Frankreich: Angrapschen ist jetzt legal | |
Die französischen Verfassungshüter haben den Straftatbestand der sexuellen | |
Belästigung abgeschafft. Der Begriff sei zu unpräzise. Ein Schock für | |
Betroffene. | |
Kommentar Krisenpolitik: Langsam, aber wachsend | |
Sparkanzlerin Merkel scheint zu begreifen: Plötzlch spricht sie von | |
„Wachstum“. Um die griechische Wirtschaft noch zu retten, dürfte die | |
Einsicht zu spät kommen. | |
Bundestag verschiebt Fiskalpakt-Abstimmung: Ein bisschen oder viel später? | |
Der Fiskalpakt verpflichtet EU-Länder zu mehr Haushaltsdisziplin. In | |
Deutschland wird wohl erst mehrere Wochen später über ihn abgestimmt. Die | |
Opposition fordert eine noch größere Aufschiebung. | |
Kommentar Kommunalwahlen in Italien: Komiker wird zum Schreckgespenst | |
Bei den Kommunalwahlen in Italien ist der eigentliche Sieger die Bewegung | |
von Beppe Grillo. Für die alten Parteien könnte sie eine ernsthafte | |
Bedrohung werden. | |
Kommentar Griechenland und die Börse: Im Interesse der Märkte | |
Die Sparvorgaben müssen gelockert werden. Bleibt es beim derzeitigen Kurs, | |
wird Griechenland kaputt gespart. Das kann auch nicht im Interesse der EU | |
liegen. | |
Griechenlands Linke soll Regierung bilden: Eine schier unmögliche Mission | |
Alexis Tsipras, Chef der Radikalen Linken, sucht Partner für eine Regierung | |
in Athen. Im Wahlkampf hat er eine Neuverhandlung der Rettungspaketes | |
versprochen. | |
Hollande will Wachstum: Berlin verhandelt nicht | |
Frankreichs zukünftiger Präsident Hollande scheint im Streit um den | |
EU-Fiskalpakt auf einen Kompromiss zu setzen. Die Bundesregierung zeigt | |
sich allerdings hart. | |
Cohn-Bendit über Europa: „Das ist das Ende der Einäugigkeit“ | |
Franzosen und Griechen wollen Investitionen und nicht mehr bloßes Sparen, | |
sagt Daniel Cohn-Bendit. Angela Merkel wird ihren Kurs | |
sozialdemokratisieren müssen, meint er. | |
Europa nach der Wahl in Frankreich: Brüssel legt frisches Rouge auf | |
In Brüssel reden viele dem französischen Wahlsieger Hollande nach dem Mund. | |
Doch die Krise in Griechenland könnte seine Agenda torpedieren. |