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# taz.de -- Hollande trifft Merkel: Merde statt Merkozy
> Frankreichs neuer Präsident kommt direkt nach seiner Vereidigung nach
> Berlin, noch vor seiner Regierungsbildung. Was er sich wünscht, hat er
> deutlich gemacht.
Bild: Befürworter der Finanztransaktionssteuer freuen sich auf das neue Duo.
PARIS/BERLIN taz | Er kommt schnell und mit großen Plänen. Nur fünf Stunden
nach seiner Vereidigung als neuer französischer Präsident wird François
Hollande am späten Dienstagnachmittag zum Antrittsbesuch in Berlin erwartet
– und damit zum ersten Aufeinandertreffen mit Kanzlerin Angela Merkel,
deren Politik er im Wahlkampf scharf angegriffen hatte und die sich im
Wahlkampf geweigert hatte, Hollande in Berlin zu empfangen.
Die französischen Wünsche liegen seit Hollandes Wahlkampf in ultimativer
Form auf dem Tisch: Ohne Verhandlungen über einen „Wachstumspakt“ werde
Frankreich den Fiskalpakt der 25 innerhalb der EU nicht ratifizieren. Unter
den erforderlichen Maßnahmen zur Wachstumsförderung stellt man sich in
Paris Folgendes vor: Schaffung von „Project bonds“ (so der neue Name für
von der EZB garantierte Anleihen zur Finanzierung öffentlicher
Investitionen), Freigabe von ungenutzten Mitteln aus den Strukturfonds der
EU, Erhöhung des Kapitals der Europäischen Investitionsbank und Einführung
einer Finanztransaktionsteuer, die den Namen verdient.
Welche Form diese „Neuverhandlungen“ annehmen sollen, hat Hollande nicht
festgelegt. Er möchte sich aber nicht mit einem „Zusatzprotokoll“ oder gar
einer bloßen Absichtserklärung begnügen.
Der neue Staatspräsident steht in Frankreich bereits bei den
Parlamentswahlen am 10. und 17. Juni vor seinem ersten Test. Er muss bis
dahin das linke Lager zusammenhalten. Einen Gesichtsverlust in Berlin kann
er sich da nicht leisten. Er muss auch die Gunst der Stunde nutzen und
Merkel mit einer relativen Isolierung drohen. Der neue französische
Präsident kann zwar nicht auf Unterstützung, aber doch auf ein gewisses
Wohlwollen aus Italien und Spanien und sogar bei der EU-Kommission in
Brüssel zählen.
Versöhnlich meinte Hollande allerdings am Montag im französischen
Fernsehen, angesichts der Meinungsdifferenzen gehe es darum, „die guten
Kompromisse zu finden“. Für so unnachgiebig, wie sie sich bezeichnet, hält
er umgekehrt Merkel nicht. Er weiß auch, dass sie selber nach der
Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen seitens der SPD unter politischem
Druck steht.
## Sie wollen sich nur kennenlernen
„Es gibt keinen Gegensatz zwischen solider Haushaltspolitik und Wachstum“,
betonte auch Merkel einlenkend in Berlin. „Gegen Wachstum hat von unserer
Seite keiner etwas.“ In Berlin ist man unterdessen bemüht, die Bedeutung
des Treffens herunterzuspielen. „Das wird kein Gipfel der Entscheidungen,
sondern ein erstes Kennenlerntreffen“, sagte Regierungssprecher Steffen
Seibert.
Inhaltlich zeichnet sich in Berlin eine Doppelstrategie ab: einerseits die
Gemeinsamkeiten betonen, andererseits bei den wichtigen Streitpunkten hart
bleiben. Einig sein dürften sich beide über den Wunsch nach der
Finanztransaktionsteuer. Ein konkreter Fortschritt könnte ein Bekenntnis
sein, diese wegen der Blockade aus London eben in einer kleineren Gruppe
von Staaten einzuführen.
Einen Kompromiss könnte es auch beim Fiskalpakt geben. Zwar hat Merkel
einer Nachverhandlung bereits eine strikte Absage erteilt. Auch
Finanzminister Wolfgang Schäuble betonte unmittelbar vor dem
Hollande-Besuch in der Welt am Sonntag, es sei „üblich, dass Verträge, die
geschlossen wurden, auch nach Wahlen ihre Gültigkeit haben“.
Eine Ergänzung des Fiskalpakts um einen Wachstumspakt gilt aber als
wahrscheinlich, denn darauf drängen auch die deutschen Sozialdemokraten,
auf deren Zustimmung Merkel wegen der notwendigen Zweidrittelmehrheit im
Bundestag zur noch ausstehenden Ratifizierung angewiesen ist. Am
Dienstagmorgen, wenige Stunden vor dem Hollande-Besuch, wollen die drei
SPD-Chefs Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück ihre
Bedingungen für eine Zustimmung bekanntgeben.
Wenig Kompromissbereitschaft ist hingegen bei anderen zentralen
Hollande-Forderungen zu erkennen. Eurobonds lehnt die Bundesregierung
weiterhin ab. Auch eine stärkere Rolle der EZB bei der Eurorettung, etwa
durch eine Banklizenz für den Rettungsschirm ESM, stößt in Berlin auf
Widerstand.
15 May 2012
## AUTOREN
R. Balmer
M. Kreutzfeldt
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