# taz.de -- Bundestag verschiebt Fiskalpakt-Abstimmung: Ein bisschen oder viel … | |
> Der Fiskalpakt verpflichtet EU-Länder zu mehr Haushaltsdisziplin. In | |
> Deutschland wird wohl erst mehrere Wochen später über ihn abgestimmt. Die | |
> Opposition fordert eine noch größere Aufschiebung. | |
Bild: Die Meinung der Bundeskanzlerin zum Fiskalpakt ist klar: keine Änderunge… | |
BERLIN dpa | Der Bundestag stimmt voraussichtlich später über den | |
europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin und nationale | |
Schuldenbremsen ab. Die bisher für den 25. Mai geplante endgültige | |
Beschlussfassung des Parlaments werde wohl auf Mitte Juni verschoben, | |
verlautete am Mittwoch aus Koalitionskreisen in Berlin. Bundestag und | |
Bundesrat sollen bisher aber nach wie vor über den Fiskalpakt sowie den | |
dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM zusammen im Paket abstimmen. | |
Der ESM startet bereits am 1. Juli, der von 25 der 27 EU-Länder vereinbarte | |
Fiskalpakt dagegen soll erst Anfang 2013 in Kraft treten. Will die | |
Koalition rechtzeitig über beide Verträge abstimmen und Sondersitzungen von | |
Bundestag und Länderkammer vermeiden, müsste der Bundestag in der zweiten | |
Juni-Woche zustimmen. Für den 15. Juni ist die bisher einzige | |
Bundesrats-Sitzung in dem Monat geplant. | |
Die Opposition pocht angesichts noch offener Punkte auf eine | |
Fiskalpakt-Abstimmung erst nach der Sommerpause. Schwarz-Gelb ist auf | |
Stimmen der Opposition angewiesen, da in Bundestag und Bundesrat eine | |
Zweidrittelmehrheit nötig ist. Erste Gespräche zwischen Koalition und | |
Opposition sind für nächste Woche angesetzt. Allerdings gibt es bisher auch | |
in den Ländern noch erhebliche Bedenken. | |
Mit der späteren Abstimmung dürfte die schwarz-gelbe Koalition auch dem | |
neuen französischen Präsidenten François Hollande etwas entgegenkommen. | |
Hollande hatte Änderungen am Fiskalpakt verlangt – diese werden von | |
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) strikt abgelehnt. | |
Die Grünen riefen Merkel auf, den Fiskalpakt gemeinsam mit Frankreich zu | |
ratifizieren. Es bestehe keine Eile, schreiben die Fraktionsvorsitzenden | |
Renate Künast und Jürgen Trittin in einem Brief an Merkel. Gemäß einer Idee | |
von Italiens Ministerpräsident Mario Monti sollte der Pakt in mehreren | |
Ländern parallel umgesetzt werden. Ein europäisch synchrones Vorgehen beim | |
Fiskalpakt ermögliche aber keine parallele Beschlussfassung über ESM und | |
Fiskalpakt. | |
## Koalition: Ein fatales Signal | |
Eine getrennte Abstimmung – zunächst über den ESM und nach der Sommerpause | |
über den Fiskalpakt – lehnen vor allem Haushaltspolitiker der Koalition ab. | |
Es wäre eine fatales Signal an die europäischen Partner, wenn das Paket | |
aufgeschnürt würde, warnten Otto Fricke (FDP) und Norbert Barthle (CDU). | |
Hilfen aus dem ESM seien an Konditionen gebunden. Auch bekämen nur die | |
Euro-Länder ESM-Notkredite, die den Fiskalpakt unterzeichnet haben. „Das | |
gehört zusammen“, sagte Barthle. | |
Die Bundesländer und Kommunen befürchten durch den Fiskalpakt mehr Druck | |
beim Schuldenabbau und zusätzliche Sparprogramme. So könnten Länder | |
verpflichtet werden, schneller schuldenfreie Haushalte zu erreichen, als es | |
die deutsche Schuldenbremse vorschreibt. Zudem ist die Sorge groß, dass den | |
Ländern mit dem Fiskalpakt ein neues Haftungsrisiko für die Schulden der | |
Kommunen aufgebürdet wird. | |
Der Fiskalpakt schreibt vor, dass die beteiligten EU-Staaten ein um Einmal- | |
und Konjunktureffekte bereinigtes Struktur-Defizit aller öffentlichen | |
Kassen von maximal 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung haben dürfen. Die | |
deutsche Schuldenbremse verlangt, dass der Bund sein Strukturdefizit bis | |
2016 auf 0,35 Prozent drückt. Die Länder müssen ab 2020 ohne neue Schulden | |
auskommen. Die Kommunen wiederum unterliegen bisher keinen nationalen | |
Beschränkungen. | |
Aus Sicht einiger Länder greift der Fiskalpakt weitreichend in die deutsche | |
Finanzverfassung ein. In einem Schreiben an den Haushaltsausschuss des | |
Bundestages schreibt der Parlamentarische Staatssekretär im | |
Finanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), laut Wochenzeitung Die Zeit: | |
Nach Ansicht der EU-Kommission werde „die Einhaltung der nationalen | |
Vorgaben nicht per se als hinreichende Bedingung für die Einhaltung der | |
europäischen Vorgaben angesehen“. | |
9 May 2012 | |
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