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# taz.de -- Wer bekommt die Kontrolle in Ägypten?: Justiz muss Machtfrage klä…
> Präsident Mohammed Mursi setzt das Parlament wieder ein, das
> Verfassungsgericht bestätigt das Urteil. Jetzt ist die nächste Instanz
> dran.
Bild: Wer kommt hier rein? Und wer entscheidet das?
KAIRO taz | Die Tore des ägyptischen Parlaments waren wieder geöffnet.
Erste Parlamentarier erschienen bereits am Montag zur Arbeit und wurden
nicht von den Soldaten aufgehalten, die das Gebäude bewachen. Für
Dienstagmittag hatte der Parlamentspräsident Saad Katatni angekündigt, das
Parlament werde wieder zu einer regulären Sitzung zusammentreffen.
Die Wiedereinsetzung des Parlaments war ein Punktesieg des ägyptischen
Präsidenten Mohammed Mursi im Streit mit der Militärführung über die
Kontrolle des Nillandes. In einem kleinen politischen Coup hatte Mursi per
Dekret am Sonntagnachmittag das Parlament wieder einbestellt, das
vergangenen Monat vom Obersten Militärrat aufgelöst worden war, nachdem das
Verfassungsgericht die Wahl von einem Drittel der Sitze als nicht
verfassungskonform erklärt hatte.
Das alte und jetzt wieder neu eingesetzte Parlament soll so lange im Amt
bleiben, bis eine verfassunggebende Versammlung ihre Arbeit beendet hat und
Ägyptens neues Grundgesetz ratifiziert worden ist. Dann soll es laut Dekret
des Präsidenten innerhalb von zwei Monaten Neuwahlen geben.
Wenige Stunden nach dem Dekret traf der Militärrat zu einer Krisensitzung
zusammen, hüllte sich aber anschließend in Schweigen. Erst am nächsten Tag
zeigten beide Seiten gute Miene zum Verwirrspiel, das zahlreiche
Spekulationen ausgelöst hatte. Mursi und der Chef des Obersten
Militärrates, Mohammed Tantawi, nahmen einträchtig miteinander scherzend
eine Militärparade ab. Der Machtkampf um die Kontrolle des Staates zwischen
Muslimbrüdern und Armee wird also nicht in der Öffentlichkeit ausgetragen.
## Gegenseitige Abhängigkeit
Beide Seiten sind aufeinander angewiesen. Das Militär hält de facto den
Schlüssel des Staatsapparats in der Hand. Die Ägypter erwarten von Mursi,
dass er für Sicherheit und Ordnung sorgt und die staatlichen Institutionen
wieder ankurbelt. Dazu braucht er die Generäle. Die wiederum können mit dem
gewählten Präsidenten nicht auf direkten Konfrontationskurs gehen.
Im Grunde genommen sei Mursis Entscheidung für beide Seiten vorteilhaft,
sagt der ägyptische Politologe Ziad Musa vom Al-Ahram-Zentrum für
Strategische Studien. Dem Militär schade die Wiedereinsetzung des
Parlaments nicht, weil das nicht deren Kerninteressen berühre, und Mursi,
der seit Amtsantritt mit dem Problem zu kämpfen hat, ein Präsident ohne
Kompetenzen zu sein, habe einen symbolischen Sieg errungen.
Während Mursi mit seinem Dekret auch im Interesse der Muslimbruderschaft
agiert, die im Parlament fast die Hälfte der Sitze innehat, bekam der
Präsident auch von den jungen Revolutionären der 6.-April-Bewegung Applaus.
„Der Militärrat repräsentiert nicht die Ägypter und sollte die politische
Szene endlich verlassen“, hieß es in einer Erklärung.
Unterdessen hat ein Rechtsstreit über Mursis Dekret begonnen. Das
Verfassungsgericht bestätigte am Montag seine Entscheidung, ein Drittel der
Parlamentssitze seien nicht gesetzeskonform vergeben. Nun muss der Oberste
Verwaltungsgerichtshof in Kairo entscheiden, ob Mursis Präsidialdekret zur
Wiedereinsetzung des Parlaments damit null und nichtig ist.
Dem Verwaltungsgericht liegen bereits 20 Beschwerden gegen die Auflösung
des Parlaments vor. Am Dienstag wird sich das Gericht in einer ersten
Sitzung damit befassen, etwa zum gleichen Zeitpunkt, an dem nur wenige
Straßen weiter das Parlament zusammentreffen wird. Die politische und
rechtliche ägyptische Achterbahnfahrt geht also weiter.
9 Jul 2012
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
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