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# taz.de -- Drohneneinsatz in Pakistan: Ermittlungen gegen unbekannt
> 2010 starb ein Bundesbürger in Pakistan durch Drohnenbeschuss. War dies
> ein Kriegsverbrechen? Der Generalbundesanwalt ermittelt.
Bild: Eine Drohne über Kandahar.
BERLIN taz | Erstmals hat die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren
im Zusammenhang mit einem Drohnenangriff eröffnet. Sie prüft jetzt, ob die
Tötung des aus Wuppertal stammenden Bünyamin E. ein Kriegsverbrechen war.
Die Ermittlungen laufen gegen unbekannt.
Der Zwischenfall, der jetzt endlich untersucht wird, liegt schon einige
Zeit zurück: Am 4. Oktober 2010 starben im Nordwesten Pakistans zwei aus
Deutschland stammende Islamisten, der 20-jährige Bünyamin E., der deutscher
Staatsbürger ist, und der Iraner Shahab Dashti (27), der früher in Hamburg
lebte.
Sie starben auf einem Gehöft am Rande der Stadt Mir Ali durch
Raketenbeschuss von einer Drohne, einem unbemannten ferngesteuerten
Flugobjekt. Solche Drohnen setzen dort die USA ein – was den Fall
diplomatisch heikel macht.
Zwar ist das deutsche Strafrecht auf jeden Fall anwendbar, wenn ein
deutscher Staatsbürger im Ausland getötet wird. Die Bundesanwaltschaft ist
aber nur zuständig, wenn der Todesfall im Zusammenhang mit einem
bewaffneten Konflikt stand. Sonst müsste eine normale Staatsanwaltschaft
den Fall übernehmen. Die Bundesanwaltschaft legte zunächst nur einen
Prüfvorgang an.
Regelmäßig fragte die taz nach, ob denn die Zuständigkeit inzwischen
geklärt ist. Regelmäßig lautete die Antwort: „Das Problem ist sehr
komplex.“ Es seien mehrere Gutachten vergeben worden. Nach 21 Monaten kam
die Bundesanwaltschaft aber doch noch zu einem Schluss: Ja, sie ist
zuständig, denn in der Region Nordwaziristan bestünden sogar zwei sich
überlappende bewaffnete Konflikte.
Zum einen kämpften afghanische Aufständische von pakistanischem Gebiet aus
gegen die afghanische Regierung und die Isaf-Truppe. Zum anderen kämpften
pakistanische und afghanische Aufständische auch gemeinsam gegen die
pakistanische Regierung, die von den USA unterstützt werde.
## Nahm Bünyamin E. an Kämpfen teil?
„Nach dem Legalitätsprinzip und aufgrund von Strafanzeigen war der
Generalbundesanwalt jetzt von Gesetzes wegen verpflichtet, den Sachverhalt
auf einen etwaigen Verstoß gegen das Kriegsvölkerrecht zu untersuchen“,
erklärte BAW-Sprecher Marcus Köhler gegenüber der taz.
Jetzt stellen sich allerdings noch viele Fragen: Welcher Gruppe gehörte
Bünyamin E. zum Zeitpunkt seines Todes an? Nahm er an Kämpfen teil oder
weilte er zur Terrorausbildung in Nordwaziristan? War er das Ziel des
Angriffs oder war er nur zur falschen Zeit am falschen Ort? Dazu will
Köhler aber nichts sagen. „Das wird jetzt alles erst mal geprüft.“
Grundsätzlich gilt bei Drohnenangriffen in etwa folgende Rechtslage: Das
Töten gegnerischer Kämpfer im bewaffneten Konflikt ist erlaubt. Dabei
dürfen auch in geringem Maße unbeteiligte Opfer (sogenannte
Kollateralschäden) hingenommen werden. Dagegen ist das gezielte Töten eines
Terroristen, der nicht Teil des bewaffneten Konflikts ist, nach deutscher
Ansicht verboten, dies wäre staatlicher Mord. Das allerdings sehen die USA
anders, die einen Krieg gegen al-Qaida ausgerufen haben.
Die Bundesanwaltschaft ist wohl keineswegs scharf darauf, hier einen
Konflikt mit den USA zu beginnen – zumal Präsident Barack Obama angeblich
alle gezielten Tötungen persönlich absegnet und damit auch Ziel deutscher
Strafverfolgung wäre.
Vermutlich ist die Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens nur
erforderlich geworden, um Zeugen des Vorfalls vernehmen zu können, etwa
Bünyamins Bruder Emrah, der inzwischen in deutscher Haft sitzt.
20 Jul 2012
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Drohnen
Terrorismus
Terror
USA
Schwerpunkt Überwachung
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