| # taz.de -- Debatte Zukunft Syriens: Was kommt nach Assad? | |
| > Die Türkei wird die Zukunft des Landes wesentlich mitbestimmen. Bislang | |
| > gibt die Außenpolitik von Erdogan wenig Anlass zur Hoffnung. | |
| Bild: Und dann? | |
| Spätestens seit am Mittwoch in Damaskus eine Bombe den innersten | |
| Machtzirkel um Präsident Baschar al-Assad traf, ist klar, dass in Syrien | |
| das Ende des derzeitigen Regimes unmittelbar bevorsteht. Die wichtigste | |
| Frage lautet deshalb jetzt: Was kommt danach? | |
| Anders als in Libyen, wo nach dem Fall von Tripolis und der Ermordung | |
| Gaddafis wenige Tage später die Kämpfe im Großen und Ganzen beendet wurden, | |
| droht in Syrien die Gefahr, dass mit dem Fall von Assad der Bürgerkrieg in | |
| eine neue, womöglich noch blutigere Phase eintritt. Ganz egal mit welchen | |
| Motiven und Wünschen der Aufstand gegen die Diktatur der Baath-Partei vor | |
| fast eineinhalb Jahren begann, heute ist daraus ein Kampf geworden, der | |
| nicht mehr nur Freiheit gegen Diktatur, sondern vor allem die Befreiung | |
| einer sunnitischen Mehrheit von der Vorherrschaft einer alawitischen | |
| Minderheit meint. | |
| Selbst wenn Assad getötet wird, sind aber die Alawiten noch da und mit | |
| ihnen die Minderheit der Christen, Drusen und Kurden. Der benachbarte | |
| Libanon und die Kriege im damaligen Jugoslawien haben gezeigt, zu welch | |
| mörderischem Dauerkonflikt eine solche Konstellation führen kann. | |
| Schon jetzt ist klar, dass die Syrer allein kaum in der Lage sein werden, | |
| Frieden zu schaffen. Hilfe von außen ist notwendig, doch bislang hat das | |
| Ausland den Krieg eher befördert als gebremst. Saudi-Arabien, Katar, Kuwait | |
| und die Türkei aufseiten der Sunniten, der Iran, die schiitische Regierung | |
| im Irak und die Hisbollah im Libanon aufseiten Assads und damit der | |
| schiitischen Minderheit. Im Hintergrund ziehen die USA auf der einen und | |
| Russland auf der anderen Seite die Fäden. | |
| ## Wichtigste Verbündete in Ankara | |
| Der wichtigste Frontstaat im Kampf gegen das Assad-Regime ist die Türkei. | |
| Der syrische Nationalrat, der Zusammenschluss der Exilopposition auf | |
| politischer Ebene, sitzt in Istanbul und ist Gast der türkischen Regierung. | |
| Die syrischen Muslimbrüder treffen sich schon seit Jahren in der Türkei und | |
| sind der AKP-Regierung von Tayyip Erdogan bestens bekannt. | |
| Nicht zuletzt sitzen die Repräsentanten der Freien Syrischen Armee auf der | |
| türkischen Seite der Grenze zu Syrien und werden von der türkischen Armee | |
| geschützt. Die wichtigsten Alliierten von Baschar al-Assad indessen sind | |
| Putin und die russische Regierung. | |
| Deshalb sind Russland und die Türkei die ersten Adressen, wenn es darum | |
| geht, die Zukunft Syriens mitzugestalten. Ministerpräsident Tayyip Erdogan | |
| war just am letzten Mittwoch zu Gesprächen in Moskau. Eine Stunde vor | |
| seinem Treffen mit Putin ging in Damaskus die Bombe hoch, die den syrischen | |
| Verteidigungsminister und den Schwager von Assad tötete. Beiden, sowohl | |
| Putin als auch Erdogan, muss in diesem Moment klar gewesen sein, dass sich | |
| Assad nicht mehr sehr lange wird halten können. | |
| ## Autonomie für die Kurden? | |
| Erdogan sagte auf der anschließenden Pressekonferenz, man sei sich darin | |
| einig gewesen, dass Syrien nicht zerfallen dürfe. Das ist eine andere | |
| Formulierung dafür, dass ein endloser Bürgerkrieg droht, der tatsächlich | |
| weder in türkischem noch in russischem Interesse sein kann. Wenn Putin noch | |
| einen Resteinfluss in Syrien behalten will, müsste er jetzt auf eine | |
| Übergangsregierung ohne Assad drängen, die der Opposition entgegenkommt, | |
| aber trotzdem zumindest Teile der alten Strukturen aufrechterhält. Hält | |
| Putin an einer bedingungslosen Unterstützung von Assad fest, steht er in | |
| absehbarer Zeit in Syrien vor dem Aus. | |
| Aber auch für Erdogan, der bislang genauso stur auf die sunnitische Karte | |
| setzt wie Putin auf Assad, muss ein Bürgerkrieg entlang ethnischer und | |
| religiöser Linien in Syrien ein Albtraum sein. | |
| Nicht nur in Syrien lebt eine alawitische Minderheit, auch in der Türkei | |
| sind knapp 20 Prozent der Bevölkerung Alawiten, die mit großer Sorge nach | |
| Syrien schauen. Und wenn nach den Kurden im Irak sich nun auch die Kurden | |
| in Syrien für eine Autonome Zone entscheiden, dürfte das den Kurden in der | |
| Türkei einen wichtigen Schub in Richtung Autonomie geben. | |
| ## Die Übergangsregierung | |
| Der erste Schritt muss aber von Russland ausgehen. Putin ist derjenige, der | |
| Assad und seinem engeren Umfeld ein sicheres Exil anbieten und ihn so zu | |
| einem Abgang drängen könnte, der anschließend noch einigen Spielraum in | |
| Syrien offenlassen würde. Kein Wunder, dass sogar Barack Obama Putin zu | |
| einem solchen Schritt drängt, denn auch die USA und Israel können einen | |
| „Libanonkrieg“ in Syrien nicht wollen. | |
| Erst nach einem Abgang Assads hätte die türkische Regierung die | |
| Möglichkeit, die sunnitische Opposition einschließlich der Vertreter der | |
| Freien Syrischen Armee dazu zu drängen, einem Waffenstillstand zuzustimmen | |
| und es mit einer Übergangsregierung zu versuchen. | |
| Zumindest offiziell hält Putin ein Exil für Assad in Moskau für völlig | |
| abwegig. Das heißt aber nicht, dass Russland nicht hinter den Kulissen | |
| dennoch darauf hinarbeitet. | |
| ## Vertrauen ist nicht angebracht | |
| Auch die türkische Außenpolitik bietet bisher wenig Anlass, in die Weisheit | |
| von Erdogan und seinem Außenminister Ahmet Davutoglu zu vertrauen. Vor | |
| allem die Affäre um den angeblich von Syrien abgeschossenen türkischen | |
| Militärjet vor knapp drei Wochen zeigte, dass die türkische Regierung | |
| offenbar ernsthaft mit dem Gedanken gespielt hat, selbst in Syrien | |
| militärisch zu intervenieren und das Land damit in ein Abenteuer mit völlig | |
| unabsehbarem Ausgang zu stürzen. | |
| Doch die türkische Bevölkerung ist strikt gegen eine militärische | |
| Verwicklung in Syrien. Selbst Umfragen regierungsnaher Medien zeigen, dass | |
| 70 Prozent keine militärische Intervention in Syrien wollen, in welcher | |
| Form auch immer. Schon aus innenpolitischen Gründen ist es für Erdogan | |
| deshalb angezeigt, in Syrien von Aggression auf Vermittlung umzuschalten. | |
| Angesichts der derzeitigen Situation ist es kaum von Bedeutung, ob sich der | |
| UN-Sicherheitsrat nun noch zu einer Verlängerung der Beobachtermission in | |
| Syrien durchringt oder nicht. Wichtig ist allein eine breite internationale | |
| Unterstützung für die Einsetzung einer Übergangsregierung ohne den | |
| Assad-Clan. Sie dürfte der einzige Weg sein, einen Bürgerkrieg doch noch zu | |
| verhindern. | |
| 22 Jul 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Jürgen Gottschlich | |
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