| # taz.de -- EU-Herbstgipfel in Brüssel: Schäuble gegen den Rest Europas | |
| > Der deutsche Finanzminister bringt Brüssel und Paris mit unabgestimmten | |
| > Reformideen gegen sich auf. Die Reaktionen sind verhalten. | |
| Bild: Gebt mir die Äpfel jetzt endlich! Schäuble am Mittwoch in Berlin. | |
| BRÜSSEL taz | Bekommt die Euro-Währungsgemeinschaft ein eigenes Budget? | |
| Oder einen eigenen Finanzminister? Entsteht da sogar ein Staat im Staate, | |
| ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten? Lange sind die 27 | |
| EU-Staaten diesen Fragen aus dem Weg gegangen. | |
| Nun, beim Herbstgipfel in Brüssel, stehen sie ganz offiziell auf der | |
| Agenda. Es dürfte, obwohl die brennenden Probleme der Eurokrise | |
| ausgeblendet werden, einer der wichtigsten Gipfel der letzten Jahre werden. | |
| Zunächst sah es so aus, als werde das Treffen von Herman Van Rompuy, | |
| beherrscht. Der EU-Ratspräsident hatte einen Zwischenbericht zur EU-Reform | |
| vorgelegt, der unter anderem ein Euro-Budget vorsah. Doch dann fuhr ihm | |
| Wolfgang Schäuble in die Parade. Der deutsche Kassenwart fegte mit ein paar | |
| Interviews fast alles vom Tisch, was Van Rompuy und die drei anderen | |
| Präsidenten aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Eurogruppe nach | |
| mühsamen Beratungen vorgelegt hatten. „Wir müssen diese Chance jetzt | |
| nutzen“, begründete Schäuble seinen überraschenden Vorstoß. | |
| Ein Haushalt für die Eurozone? Nicht mehr so wichtig. Eine Bankenunion mit | |
| gemeinsamer Haftung für marode Finanzinstitute? Auf den | |
| Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Eurobonds, also gemeinsame | |
| Staatsanleihen? Tabu. Schäuble möchte stattdessen den EU-Währungskommissar, | |
| einen nicht gewählten Eurokraten, zum Finanzminister befördern und mit | |
| neuen Durchgriffsrechten ausstatten. Er soll ein Veto gegen nationale | |
| Budgets einlegen und im Alleingang – ohne Abstimmung mit den anderen | |
| EU-Kommissaren – einschreiten können. | |
| ## Kühle Reaktion | |
| Dieser neue „Superkommissar“ kommt in Brüssel gar nicht gut an. | |
| Währungskommissar Olli Rehn sei gerade erst zum Vizepräsidenten befördert | |
| und mit mehr Macht ausgestattet worden, so die kühle Reaktion. Mit dem | |
| Fiskalpakt, den Deutschland erst kürzlich durchgeboxt hatte, habe er schon | |
| genug Möglichkeiten. Außerdem müsste dafür ein Konvent einberufen und der | |
| EU-Vertrag geändert werden, und das will kaum jemand in der EU. Nicht nur | |
| Großbritannien, auch Frankreich scheut vor Vertragsänderungen und den damit | |
| möglicherweise verbundenen Referenden zurück. | |
| Schäuble bekam zwar auch Lob – etwa von EU-Parlamentspräsident Martin | |
| Schulz. Der SPD-Politiker begrüßte, dass der Finanzminister die | |
| Abgeordneten stärker in Entscheidungen zum Euro einbinden will. Allerdings | |
| möchte Schäuble die Parlamentarier aus Nicht-Euro-Ländern ausklammern, was | |
| einer Spaltung des EU-Parlaments gleichkäme. Dagegen haben sogar | |
| Parteifreunde wie der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok Bedenken. | |
| Gestern nahm die Debatte über die Zukunft der Währungsunion dann eine neue, | |
| noch brisantere Wende. Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte sich hinter | |
| ihren Finanzminister – und Frankreichs Staatspräsident François Hollande | |
| legte eine eigene, völlig andere Vision vor. Hollande spricht sich zwar | |
| auch für ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten aus. Ahnlich wie | |
| Schäuble fordert er, die Eurogruppe zu stärken und die Währungsgemeinschaft | |
| zu einem Staat im Staate auszubauen. Doch die Stoßrichtung ist eine völlig | |
| andere. Wachstum statt Austerität, Solidarität statt Disziplin, lautet | |
| Hollandes Devise. Der Franzose fordert, Deutschland müsse durch | |
| Steuersenkungen und Lohnerhöhungen die Konjunktur in Euroland ankurbeln. | |
| Und er tritt weiter für Eurobonds und neue Hilfen für die Krisenländer | |
| Südeuropas ein. Die Bankenunion, die vor allem Spanien nützen würde, müsse | |
| schnell umgesetzt werden. Außerdem solle die Lage Griechenlands bis Ende | |
| dieses Jahres geklärt werden. | |
| ## Schäubles Alleingang | |
| Bei dem zweitägigen Gipfeltreffen in Brüssel droht nun ein offener | |
| deutsch-französischer Streit. Während es sich Deutschland durch den | |
| Alleingang Schäubles mit fast allen EU-Offiziellen verscherzt hat, kann | |
| Frankreich auf Unterstützung aus der EU-Kommission und aus Südeuropa | |
| rechnen. Eine ähnliche Frontstellung hatte es schon beim letzten EU-Gipfel | |
| im Juni gegeben – Merkel war daraus deutlich geschwächt hervorgegangen. | |
| Am Ende könnte ein föderales, demokratischeres Europa stehen – oder ein | |
| bürokratisches Monster, das nur noch auf Sparen und Strafen setzt. Bei der | |
| Bürgerinitiative „Mehr Demokratie“, die gegen Fiskalpakt und ESM geklagt | |
| hatte, fürchtet man schon jetzt das Schlimmste: Schäuble wolle die | |
| Fiskalunion „unaufhaltsam und über die Köpfe der Bevölkerung hinweg“ | |
| vorantreiben. Sein neues „Elitenprojekt“ höhle die Demokratie aus und gehe | |
| weit über das hinaus, was das Bundesverfassungsgericht erlaubt habe. | |
| Zeichnen sich da bereits die nächsten Verfassungsklagen ab? | |
| 17 Oct 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
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