# taz.de -- Kommentar Flüchtlingsprotest Berlin: Nichts als vage Versprechen | |
> Der Abbruch des Hungerstreiks ist kein Zeichen eines Einknickens, sondern | |
> eines der Vernunft. Doch das Feld für Hetze sollten sie dem Innenminister | |
> nicht überlassen. | |
Bild: Enttäuscht von den Abgeordneten: Flüchtlinge am Brandenburger Tor. | |
Neun Tage haben sie durchgehalten. Am Freitag brachen die 20 | |
hungerstreikenden Flüchtlinge ihre Protestaktion am Brandenburger Tor | |
vorerst ab. Bekommen haben sie dafür wenig: Fürs Erste haben sie dem Staat | |
nicht viel mehr abgetrotzt als die Einladung zu einem Gespräch mit der | |
Bundesintegrationsbeauftragten Maria Böhmer – und deren Versprechen, sich | |
„für eine politische Diskussion“ über ein liberaleres Asylrecht | |
einzusetzen. | |
Doch Böhmer ist nicht irgendeine Oppositionspolitikerin. Sie repräsentiert | |
die Bundesregierung, ihr Besuch belegt, dass der Protest der Asylbewerber | |
ganz oben angekommen ist. Gleichzeitig zeigt er, wie wenig sich | |
Schwarz-Gelb für die Flüchtlinge interessiert: Erst als sie im Zentrum der | |
Hauptstadt vor laufenden TV-Kameras ihren körperlichen Ruin in Szene | |
setzten, ließ sich Böhmer bei ihnen blicken. Dabei lief ihr Protest schon | |
seit März, allerdings zunächst nur in der Provinz. | |
Deshalb ist der Abbruch des Hungerstreiks kein Zeichen eines Einknickens | |
der Flüchtlinge, sondern eines ihrer Vernunft. Denn auch wenn sie im | |
letzten halben Jahr ihre Leidensfähigkeit und ihren Eskalationswillen mit | |
Märschen, zugenähten Mündern und vorangegangenen Hungerstreiks | |
unmissverständlich unter Beweis gestellt haben: Die Schikanen der letzten | |
Tage steht niemand so ohne Weiteres durch. Bei Eiseskälte hatten Polizei | |
und Bezirksamt ihnen verboten, sich mit Schlafsäcken oder Decken zu | |
schützen. Das dürfte die Entscheidung, den Streik ohne konkrete | |
Zugeständnisse zu stoppen, im Sinne der Behörden beeinflusst haben. | |
Gleichwohl: Niemand hat es bisher geschafft, die Forderungen nach einem | |
Ende von Residenzpflicht, Arbeitsverbot und Lagerzwang mit solcher | |
Durchschlagskraft auf die Agenda zu setzen wie die derzeitige | |
Protestbewegung der Flüchtlinge. Ihr Pech ist, dass der Erfolg in eine Zeit | |
fällt, in der auch ihre Gegenspieler aus Union und Innenministerien eine in | |
den letzten 15 Jahren beispiellose Offensive gegen Flüchtlingsrechte | |
begonnen haben. | |
Die wird sich fortsetzen: In den nächsten Tagen werden die Asylzahlen für | |
Oktober bekannt gegeben. Der sich abzeichnende Anstieg von Asylanträgen von | |
Roma aus den Balkanstaaten dürfte Ressentiments weiter befeuern. Auch wenn | |
der Abbruch des Hungerstreiks richtig war – die Flüchtlinge sollten | |
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich nicht das Feld für Hetze räumen. | |
2 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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