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# taz.de -- EU-Förderung für Biosprit: Das Tier im Tank
> Die EU-Kommission will Biosprit aus toten Tieren fördern. Doch
> Deutschland sperrt sich. Die Tierfette würden von der Kosmetikindustrie
> gebraucht.
Bild: Umstrittener Treibstoff: Tierfette sollen nach dem Willen der Bundesregie…
BRÜSSEL taz | Biosprit aus Abfallprodukten. Das Konzept klingt verlockend:
Anders als bei Kraftstoff aus Pflanzen und Lebensmitteln gibt es bei dieser
Variante kaum die Gefahr, dass für den Anbau der Rohstoffe Wälder gerodet
oder Anbauflächen für Lebensmittel zerstört werden.
Deshalb hält die Europäische Kommission den Abfall-Sprit auch für besonders
förderungswürdig. Fünf Prozent des im Transport eingesetzten Kraftstoffs
sollen bis 2020 aus Abfallprodukten kommen, erklärte der zuständige
Energie-Kommissar Günther Oettinger kürzlich in Brüssel. Explizit nennt er
in seinem Vorschlag auch Fette von toten Tieren als Energiequelle.
Diese sollen – wie alle anderen Biokraftstoffe auch – entsprechend von den
Mitgliedstaaten gefördert werden, fordert die EU-Kommission. Damit dürfte
sie bei der deutschen Bundesregierung auf wenig Gegenliebe stoßen.
Deutschland ist nämlich das einzige EU-Land, in dem Biosprit aus Tierfetten
zwar produziert und verkauft werden darf. Der Kraftstoff wird allerdings
nicht gefördert.
Das zuständige Bundesumweltministerium begründet dies damit, dass die
Oleochemie-Industrie, also die Hersteller von Kosmetikprodukten wie Cremes
und Shampoo, die Tierfette benötige: „Die verfügbaren tierischen Fette in
Deutschland finden bereits einen festen Absatz in der Oleochemie. Eine
stärkere Förderung tierischer Fette im Bioenergiebereich würde zu einer
Verschiebung von Stoffströmen führen“, schreibt eine Sprecherin des
Ministeriums auf Anfrage.
## Umweltvorteil nicht zu erkennen
Die Bundesregierung will die Tierfette also lieber in Duschgel stecken als
in den Tank. Ein Umweltvorteil einer stärkeren Nutzung tierischer Fette im
Biokraftstoffbereich sei derzeit „nicht zu erkennen“, schreibt die
Ministeriumssprecherin.
Robert Figgener, Geschäftsführer des Biodiesel-Herstellers Ecomotion, hält
das für unverantwortlich: „Unser Biodiesel aus Tierfetten spart im
Vergleich zu fossilem Diesel 83 Prozent CO2 ein. Das ist ein erheblicher
Wert. Da ist es schon merkwürdig, dass wir genau diesen Kraftstoff nicht
vor der Haustür einsetzen dürfen.“
140 Tonnen Biodiesel aus Tierfetten produziert das Unternehmen aus Lünen in
Nordrhein-Westfalen jeden Tag. Ohne die staatliche Förderung ist ein
Verkauf in Deutschland unmöglich, sagt Figgener. Normaler Diesel kostet
rund 700 Euro pro Tonne. Biodiesel – egal aus welchen Rohstoffen – rund
1.000 Euro. Die Mineralölkonzerne kaufen deshalb nur, wenn ihnen der Staat
zumindest einen Teil der Differenz zum teureren Biodiesel bezahlt.
Also liefert Figgener seinen Biodiesel nach England, Frankreich, Italien
und in die Niederlande. „Durch den Transport entsteht wieder CO2, den wir
uns sparen könnten, wenn wir an die Raffinerien vor Ort verkaufen könnten“,
sagt Figgener.
## In die Kosmetik kommt anderes Fett
Dies ist um so erstaunlicher, als dass Kosmetik- und Biosprit-Industrie
nicht die gleichen Tierfette verwenden. Die Fette werden seit BSE in drei
Kategorien unterteilt. Die Kosmetikindustrie darf nur die Fette verwenden,
bei denen kein Risiko von Tierseuchen besteht. Das sind Fette, die
theoretisch auch als Lebensmittel benutzt werden könnten wie Schweinefüße,
die aber bei uns nicht verzehrt werden.
Die Biospritindustrie dagegen verwendet nur Fette, die in der
Kosmetikindustrie verboten sind, weil eine Seuchengefahr besteht. „Dem Tank
ist das egal. Es gibt also gar keine direkte Konkurrenz zwischen den beiden
Industriezweigen. Es geht einfach darum, einen Rohstoff komplett für eine
Branche zu sichern“, meint Robert Figgener.
Als er von den neuen Plänen der Europäischen Kommission zum Biosprit
erfuhr, keimte ein Fünkchen Hoffnung in ihm auf. „Vielleicht lässt sich die
Bundesregierung ja von Brüssel überzeugen“, sagt der Geschäftsführer von
Ecomotion. Bisher sieht es allerdings nicht danach aus.
26 Nov 2012
## AUTOREN
Ruth Reichstein
Ruth Reichstein
## TAGS
EU-Kommission
Tiere
Kosmetik
Agrosprit
Raps
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CO2-Emissionen
Erneuerbare Energien
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