# taz.de -- Biosprit aus Abfallprodukten: Die Karre fährt mit Stroh | |
> Die Europäische Union will weniger Nahrungsmittel für die Herstellung von | |
> Biokraftstoffen verwenden. Man will lieber auf Abfallprodukte setzten. | |
Bild: VW stellt den ersten strohlinienförmigen Käfer vor – in der Öko-Voll… | |
BRÜSSEL taz | Die Europäische Kommission will den Verbrauch und die | |
Förderung von Biosprit in Zukunft stärker begrenzen. Für Kraftstoffe, die | |
aus Nahrungsmitteln produziert werden, soll im Verkehrssektor eine | |
Obergrenze von 5 Prozent gelten. Bisher waren es 10 Prozent. Damit reagiert | |
die EU-Behörde auf die Kritik, die Biokraftstoff-Produktion verdränge die | |
Herstellung von Nahrungsmitteln und lasse Lebensmittelpreise steigen. | |
Eine entsprechende Änderung der bisherigen Richtlinie stellten die | |
EU-Kommissare für Energie und Klimaschutz, Günther Oettinger und Connie | |
Hedegaard, am Mittwoch in Brüssel vor. Um den für 2020 angestrebten Anteil | |
von 10 Prozent erneuerbarer Energie im Verkehrssektor dennoch zu erreichen, | |
setzen die beiden Kommissare auf Kraftstoffe, die aus Abfallprodukten | |
gewonnen werden sollen, zum Beispiel aus Gülle, Stroh oder Resten aus der | |
Lebensmittelproduktion. | |
Diese Änderung sei das Ergebnis einer Marktbeobachtung über die vergangenen | |
drei Jahre, sagte Oettinger. „Wir geben ein ganz klares Signal an die | |
Industrie, in welche Richtung wir gehen wollen. Unsere Kraftstoffe werden | |
nachhaltiger sein als vor unserem Vorschlag.“ | |
Nichtregierungsorganisationen gehen die Veränderungen aber nicht weit | |
genug: „Die Biosprit-Politik wird weiter den weltweiten Hunger verschärfen | |
und die Preise für Grundnahrungsmittel in die Höhe treiben. Bei fast 900 | |
Millionen Menschen, die an Hunger und Unterernährung leiden, ist das | |
unverantwortlich“, sagt Jan Kowalski von Oxfam Deutschland. | |
## Ende der Subventionen gefordert | |
Er fordert die völlige Abschaffung der Biokraftstoff-Ziele, ein Ende der | |
Subventionen und die Abschaffung des Biosprits „E10“. Der „Bio-Anteil“ … | |
nach Angaben des BUND bisher ausschließlich aus Nahrungsmitteln | |
hergestellt. „Alles andere ist noch in der Forschungsphase. Es ist utopisch | |
zu glauben, dass sich die Industrie so schnell umstellen kann“, sagt | |
BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg. | |
Darüber hinaus bemängeln Klimaschützer, dass die EU-Kommission nicht wie | |
angekündigt die indirekten Klima-Effekte in die Klima-Bilanz der | |
Biokraftstoffe einrechnen will. Die Mitgliedsstaaten müssen die | |
zusätzlichen Emissionen lediglich an Brüssel melden, sie werden aber nicht | |
eingerechnet. | |
Solche indirekten Effekte treten auf, wenn zum Beispiel landwirtschaftliche | |
Anbauflächen wegen der Produktion von Biokraftstoffen in Regenwaldgebiete | |
verlagert werden. Viele Biokraftstoffe haben dann gar keine bessere | |
CO2-Bilanz mehr als fossile Energieträger. „Die EU-Kommission wollte | |
deshalb diese indirekten Effekte einrechnen lassen. Aber auf Druck der | |
Biodiesel-Industrie wurde dieser Teil in letzter Minute gestrichen“, sagt | |
Robbie Blake von Friends of the Earth in Brüssel. | |
## Oettinger nahm die Kritik gelassen hin | |
„So können weiterhin Kraftstoffe zum Einsatz kommen, die eine schlechtere | |
Bilanz haben als konventionelle Kraftstoffe.“ Der EU-Energiekommissar | |
Günther Oettinger nahm diese Kritik gelassen: „Den einen machen wir nicht | |
genug. Den anderen machen wir zu viel“, sagte er in Brüssel. | |
Tatsächlich kritisierte die Biosprit-Industrie auch den jetzigen Vorschlag | |
aus Brüssel. Die neu eingeführte 5-Prozent-Marke diskriminiere | |
Biokraftstoffe und verhindere Investitionen, erklärte der Bundesverband der | |
deutschen Bioethanolwirtschaft. Nach den aktuellen Verbrauchsdaten des | |
Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ist der Bioethanolverbrauch | |
in Deutschland im ersten Halbjahr 2012 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum | |
um 9,7 Prozent gestiegen. Damit hat Bioethanol im Benzinmarkt inzwischen | |
einen Anteil von 6,4 Prozent erreicht. | |
17 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Ruth Reichstein | |
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