# taz.de -- Aufruf Syrien: Freiheit braucht Beistand | |
> Noch immer finden jeden Freitag Hunderte von friedlichen Demonstrationen | |
> statt. Unterstützt den zivilen Widerstand! Ein Aufruf. | |
Bild: Assad verweigert jeden ernsthaften Dialog mit Bürgerkomitees und Demonst… | |
Betroffenheit, Ohnmacht, Tragödie“ – das sind die stets wiederholten | |
Schlagwörter der medialen Berichterstattung über Syrien. Eine politische | |
Rettung ist nicht in Sicht. Was können wir tun, wenn wir nicht wegschauen | |
und schweigen wollen? | |
Wie schon zuvor in Tunesien und Ägypten begann der Arabische Frühling auch | |
in Syrien mit einem Fest der Hoffnung. Allwöchentlich versammelten sich die | |
Menschen, um friedlich für ihre Freiheit zu demonstrieren. Aber die | |
demokratischen Proteste verwandelten sich in Aufstände öffentlicher Trauer | |
und Empörung. Nahezu jede Demonstration wurde ein Begräbnis und jedes | |
Begräbnis eine Demonstration. | |
Das Regime von Baschar al-Assad setzte von Anbeginn auf unerbittliche | |
Härte, verweigerte jeden ernsthaften Dialog, jede einvernehmliche | |
politische Lösung. Die AktivistInnen der lokalen Bürgerkomitees wurden | |
verhaftet und gefoltert, Tausende friedlicher DemonstrantInnen erschossen, | |
KünstlerInnen und JournalistInnen gezielt ermordet. | |
Nach Monaten des friedlichen Widerstands desertierten Soldaten. Sie | |
weigerten sich, auf unbewaffnete Protestierende zu schießen und bildeten | |
die oppositionelle Freie Syrische Armee (FSA). Die | |
Shabbiha-Sondereinsatzgruppen des Regimes begingen gezielte Massaker, | |
ausländische Kämpfer kamen ins Land. | |
## Ein Alptraum mit offenen Augen | |
Es begannen Häuserkämpfe um ganze Stadtviertel und Ortschaften; blutige | |
Anschläge und tägliche Luftangriffe des Regimes forderten ungezählte Tote. | |
Die Armee schreckte nicht vor dem Einsatz von Streubomben in Wohngebieten | |
zurück. | |
Heute gleichen große Landstriche Syriens einem Alptraum im Wachzustand: | |
Idlib, Homs, Serê Kaniyê (Ras Al Ain), Aleppo, die Vorstädte von Damaskus, | |
Daraa. Ausgelöschte Lebenswelten. Zwischen den Trümmern Menschen, die ihrer | |
Gegenwart, ihrer Vergangenheit und Zukunft beraubt werden. Hunderttausende | |
fliehen vor der ethnisch-religiösen Gewalt des Regimes wie vor der | |
bewaffneter salafistischer Milizionäre. Eine Apokalypse. | |
In Syrien droht die Zerstörung des Gemeinwesens durch eine | |
Gewaltherrschaft, die ihren Sturz auf unabsehbare Zeit hinauszögern will, | |
und durch eine militärische Gegengewalt, deren Sieg nicht absehbar ist. | |
Auch deshalb ist die fragmentierte politische Opposition im Exil | |
aufgefordert, ihren Beitrag zu einem unabhängigen und pluralistischen | |
Syrien zu leisten. | |
Doch liegt die syrische Tragödie auch darin, dass die Zukunft des Landes | |
längst nicht mehr allein in den Händen seiner BürgerInnen liegt: In Syrien | |
kreuzen sich nicht nur türkische, iranische und saudi-arabische Interessen, | |
sondern auch „östliche“ und „westliche“ Außenpolitik. Das fand seinen | |
Ausdruck im Scheitern der UN-Friedensmission von Kofi Annan und der | |
anhaltenden Selbstblockade im UN-Sicherheitsrat. | |
## Die Gefahr der Regionalisierung | |
Die Lage in Syrien erscheint hoffnungslos. Kein Dialog ist in Sicht und | |
niemand scheint das andauernde Töten stoppen zu können. Jede | |
Waffenlieferung – ob aus Russland, den USA, dem Iran, Europa, der Türkei | |
oder den Golfstaaten – wird die ohnehin bestehende humanitäre Katastrophe | |
verschlimmern. | |
Jede militärische Aufrüstung der Anrainerländer birgt die Gefahr einer | |
Regionalisierung des Krieges. Jede andere Form der offenen militärischen | |
Intervention wird die politischen Kräfte an den Rand drängen und die | |
Opposition in Syrien weiter spalten. Abwarten und Zuschauen droht aber, zu | |
ähnlich verheerenden Resultaten zu führen. | |
Wir, die UnterzeichnerInnen, hoffen weiterhin auf eine friedliche Lösung. | |
Wir wissen, wie begrenzt unsere Möglichkeiten sind. Doch wir können | |
versuchen, verantwortungsvoll zu handeln. | |
2010 hat eine junge Generation in Syrien ihren Willen zur Freiheit erklärt. | |
Für diese mutigen Frauen und Männer gibt es keinen Weg zurück in die alte | |
Republik der Angst. Unbewaffnete lokale Bürgerkomitees, kurdische | |
Initiativen, Studentengruppen, aber auch palästinensische Jugendliche | |
verweigern sich der militärischen Logik der Zerstörung und verteidigen den | |
demokratischen Aufbruch. | |
## Der friedliche Widerstand | |
Sie helfen nicht nur Verwundeten und Ausgebombten, sondern verteidigen auch | |
die Interkonfessionalität der syrischen Demokratiebewegung gegen die | |
religiöse Hetze des Regimes wie gegen die immer stärker werdenden | |
radikal-islamischen Tendenzen innerhalb der Freien Syrischen Armee und sie | |
protestieren gegen tagtägliche Menschenrechtsverletzungen. | |
Noch immer finden jeden Freitag Hunderte von unbewaffneten Demonstrationen | |
statt; weiterhin versuchen AktivistInnen dort, wo sich der Staat | |
zurückgezogen hat, das öffentliche Leben aufrechtzuerhalten. Sie alle, vor | |
allem die vielen aktivistischen Frauen, haben keine hier bekannten Namen | |
und kein prominentes Gesicht. | |
Doch sie sind die neue Generation Syriens, die nicht nur | |
Nachbarschaftshilfe für unzählige Inlandsflüchtlinge leistet, sondern Tag | |
für Tag den Boden für ein zukünftiges demokratisches, multiethnisches und | |
multireligiöses Land bereitet. Ihnen gilt unser solidarischer Beistand, | |
unser Respekt und unsere praktische politische Unterstützung. | |
Wir appellieren an Medien und Öffentlichkeit in Deutschland, das | |
dramatische Geschehen differenziert wahrzunehmen und sich den offenen Blick | |
durch die Bilder der Gewalt nicht verstellen zu lassen. Syrien verschwindet | |
aus dem Blickpunkt der Öffentlichkeit, weil sich das Blutvergießen immer | |
länger hinzieht. | |
Es ist unsere Verantwortung, das zu verhindern. Unterzeichnen Sie diesen | |
Aufruf und spenden Sie für die humanitäre Nothilfe und das | |
zivilgesellschaftliche Engagement der unbewaffneten lokalen Basiskomitees | |
in Syrien. | |
INITIIERT VON [1][MEDICO INTERNATIONAL] UND [2][ADOPT A REVOLUTION] | |
Erstunterzeichner: Dr. Arshin Adib-Moghaddam (Centre for Iranian Studies, | |
London), Ferhad Ahma (ASKYA - Assembly of Syrian-Kurdish Youth Abroad), | |
Prof. Katajun Amirpur (Hamburg), Jan van Aken (Stellvertretender | |
Parteivorsitzender, MdB, DIE LINKE), Prof. Elmar Altvater (Berlin), Ali | |
Atassi (Journalist und Filmemacher, Syrien), Imran Ayata (Schriftsteller, | |
Berlin), Christoph Bautz, (Geschäftsführer Campact e.V., Verden), Dr. David | |
Becker (Psychologe, Berlin), Rene Böll (Künstler, Köln), Larissa Bender | |
(Übersetzerin, Köln), Dr. Manuela Bojadžijev (Berlin), Prof. Micha Brumlik | |
(Frankfurt), Prof. Hauke Brunkhorst (Flensburg), Hikmat Bushnaq-Josting | |
(Vorsitzender Ibn Rushd e.V.), Prof. Michael Corsten (Hildesheim), Prof. | |
Helmut Dahmer (Wien), Prof. Alex Demirović (Berlin), Prof. Hans-Peter Dürr | |
(Träger des Alternativen Nobelpreises, München), Andre Find (about:change | |
e.V.), Thomas Gebauer (Geschäftsführer medico international), Corinna | |
Genschel (Komitee für Grundrechte und Demokratie). Prof. Hans-Joachim | |
Giegel (Jena), Gunter Gloser (Staatsminister a.D, MdB, SPD), Prof. Frigga | |
Haug (Berlin), Prof. Wolfganng Fritz Haug (Berlin), Kristin Helberg | |
(Nahostexpertin, Berlin), Ranjith Henayaka (Schriftsteller, Berlin), Raif | |
Hussein (Vorsitzender Deutsch-Palästinensische Gesellschaft, Hannover), | |
Haydar Isik (Schriftsteller, München), Wolfgang Kaleck (Rechtsanwalt, | |
Berlin), Navid Kermani (Schriftsteller, Köln), Michel Kilo (Syrischer | |
Oppositioneller), Katja Kipping (Parteivorsitzende, MdB DIE LINKE ),Tom | |
Koenigs (Vorsitzender Menschenrechtsausschuss, MdB Bündnis 90/Die Grünen), | |
Prof. Ekkehart Krippendorff (Berlin), Shermin Langhoff (Theaterintendantin, | |
Berlin), Prof. Stephan Lessenich (Jena), Ivesa Lübben (Politologin, | |
Marburg) Dr. Michael Lüders (Islamwissenschaftler und Nahostexperte, | |
Berlin), Prof. Birgit Mahnkopf (Berlin), Masasit Mati | |
(KünstlerInnenkollektiv, Syrien), Aiman Mazyek (Vorsitzender Zentralrat der | |
Muslime in Deutschland), Andrea Nahles (MdB, Generalsekretärin der SPD), | |
Dr. Rupert Neudeck (Grünhelme e.V.), Nahla Osman (Aktionsbündnis Freies | |
Syrien), Thomas Ostermeier (künstlerischer Leiter der Schaubühne am | |
Lehniner Platz, Berlin), Elias Perabo (Adopt a Revolution), Ruprecht Polenz | |
(Vorsitzender Auswärtiger Ausschusses, MdB, CDU), Werner Rätz (Mitglied | |
attac Koordinierungskreis, Bonn), Stefan Reinecke (Journalist und | |
Publizist, Berlin), Claudia Roth (Bundesvorsitzende Bündnis 90/Grüne), | |
Friedrich Schorlemmer (Theologe und Publizist, Wittenberg), Lutz | |
Schulenburg (Verleger, Edition Nautilus), Peter Spuhler (Generalintendant | |
Badisches Staatstheater, Karlsruhe), Prof. Udo Steinbach (Berlin), Jutta | |
Sundermann (Mitglied attac Koordinierungskreis, Wolfenbüttel), Prof. Holm | |
Tetens (Berlin), Ilija Trojanow (Schriftsteller, Wien), Sascha Vogt | |
(Bundesvorsitzender Jusos in der SPD), Najem Wali (Schriftsteller, Berlin), | |
Dr. Stefan Weber (Direktor Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum, | |
Berlin), Konstantin Wecker (Musiker, München), Prof. Frieder Otto Wolf | |
(MdEP a.D. Bündnis 90/Die Grünen, Berlin), Helga Wullweber (Rechtsanwältin, | |
Berlin). | |
## Unterschriften und Spenden unter: und | |
Anmerkung der Redaktion: Aiman Mazyek (Vorsitzender Zentralrat der Muslime | |
in Deutschland) fehlte in der Liste der Erstunterzeichner und wurde am | |
13.12.2012 der Liste hinzugefügt. | |
10 Dec 2012 | |
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