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# taz.de -- Sportler im „Jahrhundert des Hasses“: Extreme Charakter-Verkrü…
> Zwei Sporthistoriker haben ein Buch herausgegeben, das Täter, Opfer und
> Widerstandskämpfer im 20. Jahrhundert vorstellt. Ein sehr gelungenes
> Werk.
Bild: Buch-Cover mit Tätern und Opfern.
BERLIN taz | „Sportler im 'Jahrhundert der Lager'“ ist der Band
überschrieben. Es hätte aber ebenso gut Sportler im Jahrhundert des Hasses,
der Vernichtung oder des Rassenwahns auf dem Buchdeckel stehen können. Die
Herausgeber Diethelm Blecking und Lorenz Peiffer, beide Sporthistoriker,
stellen Täter vor, Opfer und Widerstandskämpfer. Wie jede andere
gesellschaftliche Sphäre herrschte auch in der des Sports eine beispiellos
vergiftete Atmosphäre.
Der Sport, so stellen die Herausgeber fest, war „als Motor und Produkt
gesellschaftlicher Modernisierung sowie als Nutznießer und Begleiter
industrieller Herrschaftstechniken tief eingebunden in die Prozesse von
Herrschaftsformierung, Disziplinierung und Mentalitätsformung“. Kurzum:
Sportfunktionäre und Sportler zeigten wie andere auch extremste
Verkrümmungen des Charakters, manche aber auch Standhaftigkeit und Mut.
Es ist Bleckings und Peiffers Verdienst, eine große Übersicht zu liefern,
die den stalinistischen Terror nicht ausspart. In der Zentrale des Hasses,
in Deutschland, zögerten etliche Sportverbände, die Rassengesetze der Nazis
in den Vereinen schnell umzusetzen, die Turner aber wollten es besonders
gut machen.
In vorauseilendem Gehorsam sorgte Turnchef Edmund Neuendorff bereits im
Sommer 1933 dafür, dass keine jüdischen Sportler mehr in der Deutschen
Turnerschaft (DT) waren. Neuendorff überwand seine Skrupel („Auch ein Jude
kann ein feiner Mensch sein“), verdiente jüdische Mitglieder wie die Brüder
Flatow aus Berlin auszuschließen. Er argumentierte: „Die deutsche Kultur,
das deutsche öffentliche Leben, die deutsche Sittlichkeit sind vom Judentum
so stark verschandelt worden, (…) dass wir da unter allen Umständen einen
ganz dicken Strich unter die Vergangenheit machen müssen.“
Auf Ausgrenzung und „Ausscheidung“ folgte die physische Vernichtung. Manch
einer tötete sich ob der erlittenen Demütigung selbst, wie der Turner Fritz
Rosenfelder aus Cannstatt im Jahre 1933. Er galt als aktives Mitglied im
dortigen Turnverein. In seinem Abschiedsbrief bekannte er jedoch, er wolle
nicht als „Vaterlandsverräter“ betrachtet werden.
## Empfehlung an die „Rassengenossen“
Sein Fall schlug Wellen, das nationalsozialistische Hetzblatt Der Stürmer
machte damit auf Seite eins unter dem Titel „Der tote Jude“ auf. „Wir hab…
nichts dagegen, wenn seine Rassengenossen sich in der gleichen Weise
empfehlen“, kommentierte der Nachrichtendienst der NSDAP.
Rosenfeld hoffte bis zuletzt vergebens, dass „in Bälde die Vernunft Einkehr
halten“ möge. Die Schicksale von Gretel Bergmann, Werner Seelenbinder,
Johann Trollmann oder Karl Bühren belegen das. Wer diese Sportler nicht
kennt, sollte sich schnell dieses sehr gelungene Buch besorgen.
## Diethelm Blecking und Lorenz Peiffer (Hg.): "Sportler im ,Jahrhundert
der Lager'. Profiteure, Widerständler und Opfer". Werstatt-Verlag, 353 S.,
28 €
14 Dec 2012
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Nazis
Juden
Stalin
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Leichtathletik
Biografie
Fußball
Antisemitismus
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