# taz.de -- Manipulation bei Organspende: Die Tücke der Strafbarkeitslücke | |
> Deutlich weniger Menschen sind bereit Organe zu spenden. Schuld ist die | |
> Manipulationen von Patientendaten. Trotzdem drohen den Ärzten keine | |
> Haftstrafen. | |
Bild: Hat Patient X Schaden genommen, ist er gar gestorben, weil Patient Y auf … | |
BERLIN taz | Angesichts der Manipulationen von Patientendaten an mehreren | |
Kliniken für Organtransplantationen haben die ermittelnden | |
Staatsanwaltschaften in München und Regensburg Erwartungen gedämpft, das | |
ärztliche Fehlverhalten könne strafrechtlich geahndet werden. | |
„Wir gehen davon aus, dass die Datenveränderungen per se nicht strafbar | |
sind“, sagte der Münchner Behördensprecher, Oberstaatsanwalt Thomas | |
Steinkraus-Koch, der taz. Dieser Einschätzung schloss sich sein Kollege aus | |
Regensburg an. Sprecher der Strafverfolgungsbehörden in Leipzig und | |
Braunschweig mochten nur so weit gehen, eine „strafrechtliche Würdigung sei | |
schwierig und aufwändig“. | |
Zwar seien die Ermittlungen gegen Mitarbeiter des Münchner Uniklinikums | |
rechts der Isar wie auch die Ermittlungen seiner Kollegen zu ähnlichen | |
Verdachtsfällen an den Unikliniken von Göttingen, Regensburg und Leipzig | |
noch nicht abgeschlossen. Doch ob es jemals zu Anklagen, geschweige denn | |
Verurteilungen der Mediziner kommen werde, sei fraglich, erklärte der | |
Münchner Oberstaatsanwalt Steinkraus-Koch. | |
## Als Ordnungswidrigkeiten verbucht | |
Zu einer ähnlichen Prognose kam der Sprecher der Regensburger | |
Strafverfolgungsbehörde, Wolfhard Meindl: „Wahrscheinlicher“ sei, dass die | |
vertauschten Blutröhrchen, die manipulierten Urin- und Laborwerte sowie die | |
falschen Angaben über vermeintlich erfolgte Dialysen schlussendlich als | |
Ordnungswidrigkeiten verbucht würden. | |
Denn, bedauerte Steinkraus-Koch: „Wir haben hier eine Strafbarkeitslücke.“ | |
Danach fehlen offenbar schlicht Paragrafen, die es ermöglichen würden, das | |
zu fassen, was in der Öffentlichkeit gemeinhin als schwerwiegender | |
ärztlicher Betrug an Patienten wahrgenommen wird – und bereits zu einem | |
massiven Vertrauensverlust in die Organspende und Transplantationsmedizin | |
geführt hat: Erst zu Wochenanfang meldete die Deutsche Stiftung | |
Organtransplantation (DSO), im Jahr 2012 seien die Organspenden um fast 13 | |
Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken. | |
## Lediglich Organhandel ist strafbar | |
Ein Trend, der sich fortsetzen könnte, sollten die Manipulationen | |
unsanktioniert bleiben. Genau dies sei aber möglich, erklärten nun die | |
Staatsanwaltssprecher Steinkraus-Koch und Meindl: So sei nach dem | |
Transplantationsgesetz lediglich der Organhandel strafbar. Um den aber gehe | |
es nachweislich nicht; die bisherigen Hinweise deuteten vielmehr darauf | |
hin, dass Ärzte zwar dafür sorgten, dass Patienten bei der Organvergabe | |
bevorzugt wurden, indem sie sie kränker machten, als sie eigentlich waren. | |
Geld sollen sie hierfür von den Patienten allerdings nicht kassiert haben. | |
Auch handele es sich „weder um Urkundenfälschung noch um Veränderungen im | |
Datenverarbeitungsprozess“, sagte Steinkraus-Koch. | |
Und selbst wenn die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte die | |
Manipulationen als „gefälschte ärztliche Atteste“ werten wollten, sei dies | |
nicht strafbar. Der Grund: Attestiert wurden die gefälschten Daten weder | |
gegenüber einer staatlichen Behörde noch einer Versicherungsgesellschaft, | |
sondern lediglich der für die Organvergabe zuständigen Stiftung | |
Eurotransplant, einer privatrechtlichen Stiftung also – und der gegenüber | |
sind Falschaussagen nicht strafbar. | |
## Möglicher Straftatbestand: Körperverletzung | |
Der einzig mögliche verbleibende Straftatbestand sei der der | |
Körperverletzung. Steinkraus-Koch: „Hier aber stoßen wir auf das Problem | |
der strafrechtlichen Kausalität: Hat wirklich Patient X Schaden genommen, | |
ist er gar gestorben, weil Patient Y auf der Warteliste nach oben gerückt | |
ist?“ Ein solcher direkter Zusammenhang sei bei der Vielzahl der Fälle kaum | |
nachweisbar. | |
Seit dem Sommer sind mehr als 100 Manipulationsfälle durch Ärzte an vier | |
Unikliniken bekannt geworden – sie führten dazu, dass einzelne Patienten | |
auf der Warteliste schneller nach oben rückten und so ein Organ erhielten, | |
das ihnen normalerweise zu diesem Zeitpunkt gar nicht zugestanden hätte. | |
Bislang sind 10 der insgesamt 47 Transplantationszentren in Deutschland | |
überprüft worden. | |
10 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
## TAGS | |
Organspende-Skandal | |
Organtransplantation | |
Ärzte | |
Manipulation | |
Organhandel | |
Organskandal | |
Transplantation | |
Deutsche Stiftung Organspende | |
Transplantation | |
Organspende-Skandal | |
Organspende-Skandal | |
Organspende | |
Organspende | |
Organspende | |
Organspende | |
Organspende | |
Leipzig | |
Organspende | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Organhandel in der Türkei: Gesunde „Dorf-Nieren“ zu verkaufen | |
Die gute anatolische Bergluft und der Verzicht auf Alkohol: Im Internet | |
werden menschliche Nieren aus der Türkei beworben und zum Verkauf | |
angeboten. | |
Strafrechtler über Transplantationsskandal: „Kein normaler Fall von Tötung�… | |
Der in Göttingen wegen versuchten Totschlags angeklagte | |
Transplantationschirurg dürfte rechtlich schwer zu belangen sein, meint | |
Strafrechtler Bijan Fateh-Moghadam. | |
Skandal um Transplantationen: Wer soll leben? Wer sterben? | |
Die Frage, wer ein Spender-Organ erhält und wer nicht, kann nur der | |
Gesetzgeber beantworten. Doch das Parlament weicht aus. | |
Mauschelei bei Organvergabe: Klinikchef droht mit Maulkorb | |
Der Ärztliche Direktor am Klinikum rechts der Isar in München wusste von | |
Organ-Manipulationen und schwieg. Jetzt droht er Kollegen mit dem | |
Dienstrecht. | |
Ärztepräsident über Korruption: „Das Ausmaß wird grob überzeichnet“ | |
Das Berufsrecht ist die beste Waffe gegen bestechliche Ärzte und | |
manipulierende Transplanteure, sagt der Ärztepräsident Frank Ulrich | |
Montgomerey. | |
Kommentar Organspende-Skandal: Handlungsunfähigkeit? Pah! | |
Die juristische Sachlage ist vertrackt. Eine Gesetzesreform gegen | |
Betrügereien bei Organstransplantationen ist längst überfällig. | |
Organspende-Skandal: Erster Arzt in Untersuchungshaft | |
Einem Göttinger Mediziner wird versuchter Totschlag vorgeworfen und wurde | |
deshalb festgenommen. Politiker fordern nun neue Reformen für das | |
Strafrecht. | |
Organspendeskandal und Bayern: Strukturen werden geprüft | |
Zwei von vier Kliniken, in denen Daten manipuliert wurden, liegen im | |
Freistaat. Wissenschaftsminister Heubisch plant grundsätzliche | |
Veränderungen. | |
Kommentar Organspende: Das perfekte Verbrechen | |
Ärzte, die ihre Patienten auf der Warteliste hochrutschen ließen, bleiben | |
wohl straffrei. Die Standesorganisation ist in der Pflicht, Demut zu | |
zeigen. | |
Zahl der Organspenden sinkt: „Das Vertrauen ist erschüttert“ | |
Im vergangenen Jahr ist die Zahl der gespendeten Organe von knapp 4.000 auf | |
3.500 gesunken. Grund sind offenbar die Transplantationsskandale in der | |
zweiten Jahreshälfte. | |
Transplantationsskandal in Leipzig: Anreize zum Organhandel | |
Nach dem Organspendeskandal in Leipzig ist eine Debatte unter Ärzten | |
entbrannt. Sie fordern, die Zahl der Transplantationszentren zu verringern. | |
Organspende-Skandal: Weg mit den Transplantationszentren | |
Eugen Brysch, Deutschlands oberster Patientenschützer, schlägt vor, | |
Transplantationszentren dicht zu machen. Er fordert den Streit um | |
Spenderorgane einzudämmen. | |
Neuer Transplantationsskandal: Leipziger Leberschaden | |
An der Uniklinik Leipzig wurden Patienten mit unlauteren Mitteln | |
Spenderlebern verschafft. Zur Arbeitsweise der Behörden gibt es | |
verschiedene Meinungen. | |
Organspende-Skandal in Leipzig: Der schnelle Weg zur neuen Leber | |
Am Leipziger Uni-Klinikum wurden zwischen 2010 und 2011 die | |
Transplantationsdaten von zahlreichen Leber-Patienten manipuliert. Zwei | |
Oberärzte wurden beurlaubt. |