| # taz.de -- Organspende-Skandal: Erster Arzt in Untersuchungshaft | |
| > Einem Göttinger Mediziner wird versuchter Totschlag vorgeworfen und wurde | |
| > deshalb festgenommen. Politiker fordern nun neue Reformen für das | |
| > Strafrecht. | |
| Bild: Ein Göttinger Chirurg soll Akten manipuliert haben, wodurch bestimmte Pa… | |
| BERLIN taz/afp | Im Organspendeskandal gibt es eine überraschende Wende. Am | |
| Freitag wurde der ehemalige leitende Transplantationsmediziner der | |
| Universitätsklinik Göttingen festgenommen. Gegen ihn bestehe unter anderem | |
| der dringende Tatverdacht des versuchten Totschlags in neun Fällen, teilte | |
| die Staatsanwaltschaft Braunschweig mit. Noch am Freitag war der Arzt einem | |
| Haftrichter vorgeführt worden, der die Untersuchungshaft bestätigte. | |
| Der Göttinger Chirurg soll Krankenakten manipuliert haben, wodurch | |
| bestimmte Patienten bevorzugt eine Spenderleber erhielten. Es sei davon | |
| auszugehen, dass andere Patienten wegen der Falschangaben kein Spenderorgan | |
| erhielten und möglicherweise starben, erklärte die Staatsanwaltschaft. | |
| Überraschend ist das Vorgehen, weil unter anderem die Staatsanwaltschaft | |
| München erklärt hatte, es sei problematisch, einen strafrechtlich | |
| relevanten Kausalzusammenhang nachzuweisen. Also zu zeigen, dass Patient X | |
| Schaden genommen habe, weil Patient Y auf der Warteliste nach oben gerückt | |
| sei. | |
| ## Reform des Strafrechts | |
| Aus diesem Grund wuchs bei Regierungs- wie Oppositionspolitikern am Freitag | |
| in Berlin der Konsens, das Strafrecht notfalls zu ändern. Ein Sprecher von | |
| Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sagte: „Das Ministerium wird | |
| noch im Januar ein Gutachten in Auftrag geben, um zu klären, ob und welche | |
| Änderungen in den bestehenden Straf- und Bußgeldnormen sowie den | |
| berufsrechtlichen Regelungen der Bundesärzteordnung und der Länder | |
| notwendig sind, um in der Vergangenheit festgestellte Verstöße entsprechend | |
| sanktionieren zu können“. | |
| Der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn (CDU), setzt auf | |
| die Politik, sollten Staatsanwälte Verfahren einstellen: „Eine Warteliste | |
| für Organe zu manipulieren, kann für Menschen, die dringend auf ein Organ | |
| warten, das Todesurteil sein. Das wäre dann eine Form von Totschlag oder | |
| mindestens fahrlässiger Tötung.“ | |
| Dem grünen Abgeordneten Harald Terpe reicht das nicht: „Wir müssen das | |
| ganze System der Organspende so reformieren, dass solche Taten zukünftig | |
| möglichst verhindert werden.“ Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, | |
| Karl Lauterbach, forderte erneut ein Antikorruptionsgesetz: „Der Bürger | |
| muss sich darauf verlassen können, dass Korruptionsvorgänge mit tödlichem | |
| Ausgang hart und durch das Strafrecht bestraft werden.“ | |
| Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, widersprach: | |
| Zwar sei es „ein ausgesprochen negatives Signal, wenn man die beschuldigten | |
| Ärzte nicht nach dem Strafrecht bestrafen könnte“, sagte er der taz. Aber: | |
| „Die generalpräventive Wirkung von Strafvorschriften wage ich zu | |
| bezweifeln.“ | |
| Montgomery: „Ärzte, die sich kriminell verhalten wollen, lassen sich doch | |
| nicht von Paragrafen abhalten.“ Gebraucht werde eine bessere Prävention. | |
| Das neue Mehr-Augen-Prinzip bei der Übermittlung von Patientendaten trage | |
| dazu bei. Denkbar seien zudem standesrechtliche Strafen: „Wirkungsvoll wäre | |
| ein konsequentes und zügiges Einschränken der Berufsausübung für Ärzte, die | |
| sich dieses Teils der Berufsausübung nicht würdig erwiesen haben.“ | |
| So könnte Ärzten „bis zur Klärung der Vorwürfe“ die Arbeit im | |
| Transplantationszentrum untersagt werden. Helfen würden auch gern die | |
| Ärztekammern – jedoch: „Das Problem liegt darin, dass Ärztekammern keine | |
| polizeilichen Ermittlungskompetenzen haben. Wir haben keine Möglichkeit, | |
| eine Akte zu beschlagnahmen oder uns Unterlagen zu beschaffen, sondern sind | |
| darauf angewiesen, dass wir informiert werden, insbesondere auch von der | |
| Staatsanwaltschaft.“ | |
| 11 Jan 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Heike Haarhoff | |
| Heike Haarhoff | |
| ## TAGS | |
| Organspende-Skandal | |
| Untersuchungshaft | |
| Krankenhäuser | |
| Organskandal | |
| Organspende | |
| Transplantation | |
| Transplantation | |
| Deutsche Stiftung Organspende | |
| Transplantation | |
| Organspende-Skandal | |
| Organspende-Skandal | |
| Organspende | |
| Organspende | |
| Organspende-Skandal | |
| Organspende | |
| Organspende | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Strafrechtler über Transplantationsskandal: „Kein normaler Fall von Tötung�… | |
| Der in Göttingen wegen versuchten Totschlags angeklagte | |
| Transplantationschirurg dürfte rechtlich schwer zu belangen sein, meint | |
| Strafrechtler Bijan Fateh-Moghadam. | |
| Neue Kampagne für Organspende: Es gilt nun das Sechs-Augen-Prinzip | |
| Nach den Manipulationsvorwürfen bei Transplantationen: Gesundheitsminister | |
| Bahr will Vertrauen der Bürger zurückgewinnen. | |
| Lebertransplantation bei Alkoholkranken: Hilfe als Regelverstoß | |
| Der Umgang mit Suchtkranken steht exemplarisch für den Reformbedarf des | |
| Transplantationssystems. Die Kriterien bedürfen dringend einer Überprüfung. | |
| Skandal um Transplantationen: Wer soll leben? Wer sterben? | |
| Die Frage, wer ein Spender-Organ erhält und wer nicht, kann nur der | |
| Gesetzgeber beantworten. Doch das Parlament weicht aus. | |
| Mauschelei bei Organvergabe: Klinikchef droht mit Maulkorb | |
| Der Ärztliche Direktor am Klinikum rechts der Isar in München wusste von | |
| Organ-Manipulationen und schwieg. Jetzt droht er Kollegen mit dem | |
| Dienstrecht. | |
| Ärztepräsident über Korruption: „Das Ausmaß wird grob überzeichnet“ | |
| Das Berufsrecht ist die beste Waffe gegen bestechliche Ärzte und | |
| manipulierende Transplanteure, sagt der Ärztepräsident Frank Ulrich | |
| Montgomerey. | |
| Gesetz zu Organspenden: Justizministerium sieht keine Lücke | |
| Die Bundesjustizministerin gibt sich beim Strafrecht zu Organspenden | |
| zurückhaltend. Der Gesundheitsminister prüft eine Verschärfung. | |
| Kommentar Organspende-Skandal: Handlungsunfähigkeit? Pah! | |
| Die juristische Sachlage ist vertrackt. Eine Gesetzesreform gegen | |
| Betrügereien bei Organstransplantationen ist längst überfällig. | |
| Organspendeskandal und Bayern: Strukturen werden geprüft | |
| Zwei von vier Kliniken, in denen Daten manipuliert wurden, liegen im | |
| Freistaat. Wissenschaftsminister Heubisch plant grundsätzliche | |
| Veränderungen. | |
| Kommentar Organspende: Das perfekte Verbrechen | |
| Ärzte, die ihre Patienten auf der Warteliste hochrutschen ließen, bleiben | |
| wohl straffrei. Die Standesorganisation ist in der Pflicht, Demut zu | |
| zeigen. | |
| Manipulation bei Organspende: Die Tücke der Strafbarkeitslücke | |
| Deutlich weniger Menschen sind bereit Organe zu spenden. Schuld ist die | |
| Manipulationen von Patientendaten. Trotzdem drohen den Ärzten keine | |
| Haftstrafen. | |
| Zahl der Organspenden sinkt: „Das Vertrauen ist erschüttert“ | |
| Im vergangenen Jahr ist die Zahl der gespendeten Organe von knapp 4.000 auf | |
| 3.500 gesunken. Grund sind offenbar die Transplantationsskandale in der | |
| zweiten Jahreshälfte. | |
| Organspende-Skandal: Weg mit den Transplantationszentren | |
| Eugen Brysch, Deutschlands oberster Patientenschützer, schlägt vor, | |
| Transplantationszentren dicht zu machen. Er fordert den Streit um | |
| Spenderorgane einzudämmen. |