| # taz.de -- Mauschelei bei Organvergabe: Klinikchef droht mit Maulkorb | |
| > Der Ärztliche Direktor am Klinikum rechts der Isar in München wusste von | |
| > Organ-Manipulationen und schwieg. Jetzt droht er Kollegen mit dem | |
| > Dienstrecht. | |
| Bild: In einem Fall wurde die Patientin kränker gemacht, als sie eigentlich wa… | |
| BERLIN taz | Im Transplantationsskandal am Münchner Klinikum rechts der | |
| Isar drohen nun erste arbeits- und dienstrechtliche Sanktionen. Verhängt | |
| werden sollen sie allerdings nicht etwa gegen einen Leberchirurgen, der der | |
| Manipulation von Patientendaten beschuldigt wird. Und auch nicht gegen | |
| dessen Vorgesetzte, denen mehrere Verstöße seit Jahren bekannt waren – und | |
| die damals mit Wegschauen oder Nichtstun reagierten. Bestraft werden sollen | |
| stattdessen: kritische Klinikmitarbeiter. | |
| Das jedenfalls droht der Ärztliche Direktor, Reiner Gradinger, mit | |
| Schreiben vom 22. Januar 2013 seinen „sehr geehrten Kolleginnen und | |
| Kollegen“ an: „Es besteht insbesondere der Verdacht, dass im Zusammenhang | |
| mit den Lebertransplantationen Patientennamen weitergegeben wurden. […] Bei | |
| Verletzung der Schweigepflicht durch Angehörige der Heilberufe handelt es | |
| sich um ein strafrechtliches Vergehen“, schreibt Gradinger „an alle | |
| Klinikdirektoren, Abteilungsleiter, Institute, Vorstand“ in dem Brief, der | |
| der taz vorliegt. Gradinger kündigt an: „Verstöße sind mit entsprechenden | |
| arbeits- und dienstrechtlichen Konsequenzen zu ahnden.“ | |
| Mehreren Redaktionen, darunter der taz, war von Klinikmitarbeitern | |
| berichtet worden, die Verärgerung über die schleppende Aufklärung am | |
| Klinikum unter den Kollegen sei groß.Die Klinikleitung, so beklagten | |
| Transplantationsärzte im Dezember in einem Brief an den Klinikvorstand | |
| sowie den bayerischen Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP), | |
| beschließe „keine glaubhaften personellen und strukturellen Änderungen“. | |
| Möglicherweise geschah dies auch deswegen, weil die Klinikleitung selbst | |
| frühzeitig Kenntnis von dem Manipulationsverdacht hatte: So waren, das hat | |
| das Klinikum bestätigt, nicht bloß alle drei damaligen Leiter des | |
| Transplantationszentrums bereits 2010 über Vorwürfe informiert. Sondern | |
| auch der Ärztliche Direktor. Und der hieß schon damals: Reiner Gradinger. | |
| ## Patientin wurde als kränker dargestellt | |
| Der taz liegen sechs Gedächtnisprotokolle von Ärzten des Klinikums über | |
| eine erfolgreiche sowie eine versuchte Manipulation von Laborwerten zweier | |
| Lebertransplantationspatienten aus dem Jahr 2010 vor. In einem Fall wurde | |
| die Patientin kränker gemacht, als sie eigentlich war. Daraufhin erhielt | |
| sie eine Spenderleber, die ihr normalerweise nicht zugestanden hätte. In | |
| einem anderen Fall wurde eine bereits geplante Transplantation in letzter | |
| Minute verhindert, weil Ärzte entdeckt hatten, dass Daten vertauscht worden | |
| waren. | |
| Inhaltlich bestätigen die Protokolle – fünf stammen aus dem Januar 2010, | |
| ein weiteres wurde im Herbst 2012 nachträglich verfasst – weitgehend, was | |
| seit Wochen vermutet wird: Etiketten wurden offenbar absichtlich | |
| vertauscht, Laborwerte verfälscht. | |
| Die Verfasser der Protokolle, darunter Assistenz- und Oberärzte, lieferten | |
| ihre Beobachtungen bei ihrem Chef ab und schwiegen lange Zeit. Teils aus | |
| Angst um den eigenen Job, teils im Vertrauen darauf, dass der Ärztliche | |
| Direktor, dem die Lektüre angeboten wurde, handeln würde: Doch der teilte | |
| mit Brief vom 5. Februar 2010 mit, „dass bei objektiver Prüfung der | |
| Unterlagen kein Fehlverhalten oder bewusster Verfahrensfehler vorliegt“. | |
| Seine eigene Rolle bei der Aufklärung erwähnt Gradinger in seinem jüngsten | |
| Schreiben nicht. Stattdessen rügt er, dass Informationen aus den | |
| Protokollen nun an die Medien gelangten und erinnert daran, „dass Auskünfte | |
| gegenüber der Presse nur […] über die Pressestelle, zu erteilen sind“. Von | |
| einem Maulkorb könne keine Rede sein, beschwichtigte eine Sprecherin am | |
| Donnerstag. „Es handelt sich um eine Aufforderung, sich an geltendes Recht | |
| zu halten.“ | |
| 24 Jan 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Heike Haarhoff | |
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