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# taz.de -- Nach dem Rücktritt von Schavan: Angela Merkel, die Unverwüstliche
> Schavan weg, Niedersachsen auch, die FDP zerrüttet: Schlimmer hätte
> Merkels Jahr nicht beginnen können. Doch die Kanzlerin steht.
Bild: Rücktritt im Laufschritt: Die Kanzlerin verabschiedet Annette Schavan.
BERLIN taz | Der Rücktritt Annette Schavans war gerade ein paar Stunden
her, da sah die Opposition bereits Angela Merkels Ende nahen. „Das Jahr
hätte für die Bundeskanzlerin nicht schlechter starten können“, tönte
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Und Jürgen Trittin, der mächtige Mann
der Grünen, bescheinigte ihr „einen krassen Fehlstart“ ins Jahr der
Bundestagswahl.
Eine politische Freundin weg, Hannover verloren, die FDP tief gespalten,
die CDU in Umfragen leicht abgesackt: In der Tat ist Merkels Start ins
Wahljahr nicht gerade erfreulich. Doch die Frage ist, was daraus folgt. Bei
genauem Hinsehen lösen sich nämlich Untergangsszenarien der Opposition in
Luft auf, und Angela Merkel steht trotz dieser Widrigkeiten erstaunlich gut
da.
Die Kanzlerin musste diverse Abgänge verkraften, Schavan ist nur das
jüngste Beispiel. Franz-Josef Jung trat wegen der Kunduz-Affäre zurück,
Karl-Theodor zu Guttenberg wegen dreister Plagiate in seiner Doktorarbeit.
Und Norbert Röttgen schmiss Merkel selbst aus dem Kabinett, weil er die
Wahl in Nordrhein-Westfalen verloren hatte. Eine nahe liegende Vermutung
ist nun, dass diese Wechselei auch Merkel beschädigt, schließlich
verantwortet sie als Chefin schlechte Personalpolitik.
Allein für einen solchen Schaden gibt es keinerlei Belege. Im Gegenteil.
Verfehlungen ihrer Minister ließen Merkel in der Vergangenheit noch mehr
strahlen. Beispiel Guttenberg: Gegen die peinlichen Windungen des adligen
Karrieristen, der für alle erkennbar betrogen hatte, hob sich Merkels
protestantischer Arbeitsethos wohltuend ab.
Als sie Röttgen schasste, blitzte kurz ihr eiskaltes, egoistisches Kalkül
auf. Denn der Umweltminister, der bis zu seiner Niederlage in der CDU als
Talent galt, musste nur deshalb gehen, weil sein Desaster nicht auf Merkel
abfärben sollte. Aber auch diese Machtdemonstration kratzte nicht an ihrer
– in Umfragen immer wieder dokumentierter – Beliebtheit.
## Eine „gewisse Tragik“
Auch das Ausscheiden der in der Bevölkerung eher unbekannten Annette
Schavan wird Merkel verkraften. Selbst die Opposition erkennt in dem Fall
eine „gewisse Tragik“ (Katrin Göring-Eckardt, Grüne), der Kummer, mit der
Merkel ihre politische Freundin verabschiedete, wirkte sympathisch und sie
benannte sofort eine kundige Nachfolgerin. Wo ist das Problem?
Allein in der Binnenwirkung wird die Kanzlerin den Ausfall spüren. Schavan
entstammt dem alten bundesrepublikanischen Konservatismus, in dem der
Katholizismus eine feste Bezugsgröße ist. Diese Milieus sind stark in der
CDU, und Schavan war für Merkel ein wichtiges Bindeglied zu ihnen. Wirklich
relevant ist diese Schwächung aber nicht. Merkels Führungsrolle in der CDU
ist so unumstritten, dass sie auf einen Faden ihres Netzwerkes verzichten
kann.
Und Niedersachsen? Die Abwahl von Schwarz-Gelb legt die Opposition als
Präjudiz für Merkels Niederlage im Bund aus. Doch auch diese Deutung ist
höchst zweifelhaft. Erstens war der Ausgang so knapp, dass er einem Zufall
gleichkommt – in einem Wahlkreis fehlten der CDU gerade mal 334 Stimmen für
ein entscheidendes Direktmandat.
Die Wahl lieferte zweitens den Beweis, wie praktisch schwarz-gelbe Wähler
beim Machterhalt denken. Die Klientel der FDP lässt, wenn es wirklich
darauf ankommt, die Liberalen nicht untergehen. Ob Apotheker, Anwalt oder
wettbewerbsorientierter Mittelständler, sie alle wissen, dass nur die FDP
ihre Interessen – keine Umverteilung, und wenn doch, bitte von unten nach
oben – zuverlässig schützt. Warum sollte es im Bund anders laufen?
## Keine Merkel-Dämmerung
Drittens zeigte ironischerweise gerade David McAllister, der glücklose,
weil abgewählte Ministerpräsident, welches Potenzial ein beliebter
CDU-Kandidat in der Fläche haben kann. Zählt man zu seinem Ergebnis die
Prozentpunkte hinzu, die er durch die missglückte Leihstimmen-Aktion an die
FDP verlor, lag er bei satten 40 bis 42 Prozent. In einem
5-Parteien-Parlament im Bund wäre ein solches Ergebnis für die ebenfalls
sehr populäre Kanzlerin die Garantie für die nächste Amtszeit.
Niedersachsen taugt deshalb nicht als Folie für eine Merkel-Dämmerung.
Die Kanzlerin agiert wie eine sehr effektive Feuerwehr. Sie isoliert
Brandherde schnell und professionell, damit der Rest nicht in Flammen
aufgeht. Die SPD attackiert bei sozialer Gerechtigkeit? Gut, bastelt sich
die CDU eben einen eigenen Mindestlohn. Leihstimmen-Aktion geht in Hannover
schief? Okay, ab jetzt kämpft im Bund jeder für sich. Die FDP demontiert
ihren Chef, wird ihn aber nicht los? Egal, Merkel arbeitet ja mit allen
sehr vertrauensvoll zusammen.
Seit einem Jahr verkaufen SPDler und Grüne als Rezept für einen rot-grünen
Sieg, die Person Merkels müsse mit den Katastrophen von Schwarz-Gelb in
Verbindung gebracht werden. Bisher sind sie daran gescheitert. Gerade die
Differenz zu ihrer schwarz-gelben Koalition ist ein wichtiger Grund für
Merkels Beliebtheit. Beschimpfen sich Koalitionäre als Gurkentruppe, ist
man sicher, dass immerhin die Kanzlerin angesichts eines solchen
Umgangstons befremdet die Augenbraue hochzieht.
Von Wechselstimmung fehlt in der Republik jede Spur, und die Bürger haben
immer lieber alte Regierungschefs abgewählt, anstatt plötzlich Neue ins Amt
zu hieven. Die unprätentiöse Merkel, deren einziges persönliches Laster der
gelegentliche Genuss von Erbsensuppe zu sein scheint, passt perfekt in die
Zeit. Angela Merkel bleibt, frei nach der DDR-Hymne, standhaft in Ruinen.
Indem SPD und Grüne großmäulig einen Fehlstart diagnostizieren, verbergen
sie nur, dass sie diesem Phänomen bisher hilflos gegenüberstehen.
11 Feb 2013
## AUTOREN
Ulrich Schulte
Ulrich Schulte
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