# taz.de -- Italiens Wirtschaft: Bange Blicke nach Rom | |
> Die Wirtschaft in Italien stagnierte im vergangenen Jahrzehnt. Bei den | |
> Wahlen entscheiden die Menschen über den ökonomischen Kurs. Europa | |
> fiebert mit. | |
Bild: Wenn die Fahrzeuge des Fiat-Konzerns billiger werden, finden sich viellei… | |
BERLIN taz | Bevor am kommenden Sonntag und Montag die ItalienerInnen ihr | |
neues Parlament wählen, herrscht allenthalben Sorge, dass die Eurokrise | |
zurückkehrt; auch an den Börsen war die Nervosität in den letzten Tagen | |
groß. Der Grund: Eine neue Regierung unter Einfluss des Rechtspopulisten | |
Berlusconi oder des Linkspopulisten Grillo könnte den Reformprozess der | |
letzten zwei Jahre bremsen. | |
Wie sieht die ökonomische Lage Italiens aus? Das Land steht besser da als | |
beispielsweise Griechenland oder Spanien. Die private Verschuldung ist | |
gering, die öffentliche Verschuldung ist zwar hoch, aber stabil. Viele | |
große und kleine Unternehmen sind grundsätzlich in der Lage, | |
konkurrenzfähige Produkte zu fertigen und zahlreiche Arbeitsplätze | |
anzubieten. | |
Trotzdem betrachten internationale Banken, Fonds und Wertpapierhändler | |
Italien mit Argwohn: Reicht die wirtschaftliche Leistungskraft weiterhin | |
aus, um die Staatsschulden zu bezahlen oder zu verringern? Verbreiten sich | |
Zweifel, müsste Italien höhere Zinsen für seine Schulden entrichten – die | |
Glaubwürdigkeitskrise des Euro würde sich wieder einmal verschärfen. | |
## Problem ist nicht die Staatsverschuldung | |
Die Staatsverschuldung Italiens im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung ist | |
mit rund 125 Prozent wesentlich höher als im Durchschnitt der EU (knapp 90 | |
Prozent). Aber sie steigt nicht. Die ökonomischen Probleme liegen anderswo; | |
sie spiegeln sich in zwei Größen: dem Wachstum und den Lohnstückkosten. | |
Einer neuen Analyse des Internationalen Währungsfonds zufolge betrug die | |
Zunahme der italienischen Wirtschaftsleistung von 2000 bis 2010 | |
durchschnittlich 0,4 Prozent jährlich. Das war fast nichts. Euroland | |
schaffte im Durchschnitt immerhin 1,1 Prozent. | |
Als wichtigsten Grund dieser Beinahestagnation machen Ökonomen die | |
Lohnstückkosten. Sie bezeichnen den Arbeitslohn inklusive Nebenkosten, die | |
in einem Produkt stecken. In Italien sind sie von 1999 bis 2011 um 30 | |
Prozent gestiegen, während sie beispielsweise in Deutschland kaum zunahmen. | |
Das bedeutet: Italienische Waren wurden im Verhältnis um ein Drittel teurer | |
und fanden weniger Käufer. | |
Hier setzen die Reformen an, die die Regierung Mario Montis in den | |
vergangenen Jahren begonnen hat. „Sie dienen unter anderem dazu, die | |
zentrale Lohnfindung aufzubrechen und beispielsweise Abweichungen von | |
Branchentarifverträgen in einzelnen Unternehmen zu ermöglichen“, sagt Tim | |
Oliver Berg vom Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München. | |
Der Sinn besteht – einfach und hart gesagt – darin, die Löhne zu drücken. | |
Das ökonomische Kalkül: Wenn die Fahrzeuge des Fiat-Konzerns billiger | |
werden, finden sich vielleicht wieder mehr Käufer. Das Wachstum zieht an, | |
der Staat nimmt mehr Steuern ein und kann die Schuldenlast verringern. | |
## Eine Strategie, die auch Verlierer produziert | |
Zahlreiche weitere Reformen der jüngsten Zeit gehen in die gleiche | |
Richtung. So wird der Kündigungsschutz für langjährige Beschäftigte | |
gelockert. Dass eine solche Gesamtstrategie funktionieren kann, zeigt | |
Deutschland. Aber sie produziert auch Verlierer: Beschäftigte verdienen | |
weniger Geld, Erwerbslose müssen mit geringerem Arbeitslosengeld rechnen | |
und Rentner mit Kürzung der Altersbezüge. | |
Auch die Produktmärkte hat die Regierung Monti zu öffnen versucht. So | |
begann im Energiesektor der Prozess, der in Deutschland bereits vor zehn | |
Jahren stattfand – die Trennung von Energieproduktion und -verteilung. | |
Indem die Regierung dem Konzern Eni Macht abnimmt, sollen neue Firmen | |
Zugang zum Markt erhalten; durch die Konkurrenz sollen die Strompreise | |
sinken. Diese liegen heute teils um rund die Hälfte über denen | |
vergleichbarer Staaten. | |
Wo Italien außerdem Fortschritte machen könnte: bei der Zurückdrängung von | |
Schattenwirtschaft, Mafia und Korruption. Auf dem Korruptionsindex der | |
Organisation Transparency International steht es auf dem nicht gerade | |
glorreichen Platz 72. In der EU liegen nur Bulgarien und Griechenland | |
dahinter; sogar in Rumänien sieht es also besser aus. | |
22 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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