| # taz.de -- Italien nach der Wahl: Partnersuche in Zeiten der Krise | |
| > So hatte sich Bersani vom Linksblock seinen Sieg wohl nicht vorgestellt: | |
| > Klare Mehrheiten fehlen, Berlusconi freut sich. Fünf Szenarien für die | |
| > Zukunft. | |
| Bild: Augen zu und los. Wer eine neue Regierung bilden will, muss mit dem alten… | |
| Nichts geht mehr: Dies ist wenigstens auf den ersten Blick das Resultat der | |
| Wahlen in Italien. Eingetreten ist das – von allen außer dem Komiker Beppe | |
| Grillo – am meisten gefürchtete Ergebnis; keines der politischen Lager kann | |
| die Regierung bilden. | |
| Pierluigi Bersanis gemäßigter Linksblock gewann zwar mit hauchdünnem | |
| Vorsprung das Abgeordnetenhaus für sich und verfügt dort – als Folge des | |
| speziellen italienischen Wahlsystems – nun über eine satte absolute | |
| Mehrheit. Dumm nur, dass jede Regierung das Vertrauen auch des Senats | |
| benötigt, denn jedes Gesetz muss von beiden Häusern des Parlaments | |
| verabschiedet werden. | |
| Im Senat ist die Blockade komplett: Bersani und sein möglicher Verbündeter | |
| Mario Monti können zusammen auf deutlich weniger Sitze zählen als das Lager | |
| von Expremier Silvio Berlusconi und die „5-Sterne-Bewegung“ Beppe Grillos. | |
| Italien scheint „unregierbar“ – doch eine Regierung muss gebildet werden. | |
| Denkbar sind fünf Szenarien. | |
| Szenario eins: sofortige Neuwahlen. Die sind jedoch nicht möglich, weil die | |
| Amtszeit von Staatspräsident Giorgio Napolitano im April ausläuft und das | |
| Parlament seinen Nachfolger wählen muss. Deshalb muss wenigstens eine | |
| Übergangsregierung her. Zudem dürfte gerade Bersanis Partito Democratico | |
| schnelle Neuwahlen fürchten wie der Teufel das Weihwasser, ein weiterer | |
| Zuwachs für die Truppen der 5-Sterne-Bewegung wäre dann wahrscheinlich. | |
| Szenario zwei: wieder eine Expertenregierung. Ein Technikerkabinett unter | |
| Mario Monti regierte Italien vom November 2011 bis zu den Wahlen. Doch | |
| mitten in der Rezession wäre eine Wiederauflage für die Linke wie für die | |
| Rechte äußerst unbequem. Die beiden Lager müssten im Parlament wieder die | |
| unpopulären Entscheidungen der Regierung abnicken und den Wählern gegenüber | |
| den Kopf hinhalten. Die Grillo-Truppe, die dann die einzige mächtige | |
| Opposition wäre, könnte auf über 30 Prozent wachsen. | |
| Szenario drei: Bersani bildet eine durch Berlusconi tolerierte | |
| Minderheitsregierung. Berlusconi hat schon durchblicken lassen, dass er | |
| bereit sei, „mit Bersani zu reden“. Und sosehr er im Wahlkampf gegen | |
| „Merkel-Europa“ tönte, so genau weiß er, dass es ohne, gar gegen Europa | |
| nicht geht. Doch sollte Bersani auf die Tolerierung Berlusconis angewiesen | |
| sein, trüge er gleichsam einen Strick um den Hals, den Berlusconi jederzeit | |
| zuziehen könnte. Für unpopuläre Entscheidungen seiner Regierung müsste er | |
| aber allein einstehen. | |
| Szenario vier: eine große Koalition. Sollten Bersani und Berlusconi eine | |
| echte Koalition eingehen, dann könnten sie künftig auch gemeinsam | |
| Geburtstag feiern: Beide sind am 29. September geboren. Und jenseits | |
| Berlusconis grober Anti-Merkel-Rhetorik liegen sie auch in der Einschätzung | |
| der Eurokrise näher beieinander, als es auf den ersten Blick scheint. | |
| Sowohl die gemäßigte Linke als auch die Rechte sind fest davon überzeugt, | |
| dass Italien nur mit weniger rigiden europäischen Sparvorgaben aus der | |
| Rezession findet, zum Beispiel der Staatsschuldenberg langsamer abgebaut | |
| wird. | |
| Völlig über Kreuz liegen die beiden Lager jedoch bei entscheidenden Punkten | |
| wie dem Kampf gegen Steuerhinterziehung. Die gemäßigt linke Partito | |
| Democratico könnte ihr Anliegen streichen, nun endlich, nach fast 20 Jahren | |
| Berlusconismus, ein Gesetz zum Interessenkonflikt zu verabschieden. Zudem | |
| wäre eine solche Koalition der schlagende Beweis für Beppe Grillos These, | |
| dass die „Altparteien“ am Ende „alle gleich sind“. Einer Regierung | |
| Bersani/Berlusconi sind kaum fünf Jahre Amtszeit zuzutrauen, nach ihrem | |
| Auseinanderbrechen gäbe es keine Alternative zu Neuwahlen – in die Beppe | |
| Grillos „Fünf Sterne“ dann mit sehr guten Karten gingen. | |
| Szenario fünf: Bersani bildet eine durch Grillo tolerierte | |
| Minderheitsregierung. Eine regelrechte Koalition schloss Beppe Grillo noch | |
| am Wahlabend kategorisch aus. Höchstens eine fallweise Tolerierung bei | |
| „vernünftigen“ Gesetzesvorhaben können sich die „Grillini“ vorstellen… | |
| sie etwa Sparpakete durchwinken, ist kaum zu erwarten. Die „5 Sterne“ | |
| fordern etwa ein Referendum über den Euro. Eine auf Grillo gestützte | |
| Regierung, die Italien durch die Krise steuern soll, erscheint deshalb | |
| äußerst unwahrscheinlich. | |
| Nur in einem einzigen Punkt darf Bersani deshalb sicher sein: Als Chef des | |
| Lagers, das im Abgeordnetenhaus die absolute Mehrheit hält, wird ihm als | |
| Erstem der Auftrag zur Regierungsbildung zufallen. Jahrelang war das | |
| Bersanis Traum – er könnte jetzt zum Albtraum werden. | |
| 26 Feb 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Braun | |
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