# taz.de -- Wahlen in Kenia: Uhura Kenyatta zum Sieger erklärt | |
> Eine hauchdünne absolute Mehrheit sichert Kenias größter Volksgruppe der | |
> Kikuyu die Macht. Kenyattas Wahlbündnis konnte diesmal auch alte Feinde | |
> auf seine Seite ziehen. | |
Bild: Aus Gegnern sind strahlende Verbündete geworden: Uhuru Kenyatta (r.) und… | |
Kenias Wahlkommission hat Uhuru Kenyatta zum Sieger der | |
Präsidentschaftswahl vom 4. März erklärt. Auf einer mit Spannung erwarteten | |
und um Stunden verzögerten öffentlichen Feier in der Hauptstadt Nairobi am | |
frühen Samstag Nachmittag bestätigte Wahlkommissionschef Isaack Hassan | |
offiziell das bereits seit einigen Stunden vorliegende amtliche | |
Endergebnis: Kenyatta hat 6.173.433 von 12.338.667 abgegeben Stimmen | |
bekommen – 50,07 Prozent laut Wahlkommission, nur wenige tausend Stimmen | |
mehr als die zum Sieg im ersten Durchgang erforderliche absolute Mehrheit. | |
Mit dem Wahlsieg von Kenyatta, dem Enkel von Kenias erstem Präsidenten nach | |
der Unabhängigkeit, Jomo Kenyatta, bleibt Kenias größte Volksgruppe der | |
Kikuyu aus dem zentralkenianischen Hochland an der Macht. Seit 2002 war der | |
Kikuyu Mwai Kibaki Präsident gewesen. Damals war das als demokratischer | |
Durchbruch nach jahrzehntelanger Autokratie gefeiert worden. | |
Kibakis Wiederwahl 2007 aber war von so massiven Unregelmäßigkeiten | |
begleitet, dass sie Kenia mehrere Monate lang in den Bürgerkrieg stürzte, | |
mit 1.300 Toten und über 600.000 Vertriebenen. Wegen einer leitenden Rolle | |
bei der Organisierung von Milizen bei diesen Nachwahlunruhen ist Uhuru | |
Kenyatta vor dem Internationalen Strafgerichtshof angeklagt und soll dort | |
ab Juli vor Gericht stehen. | |
## Kenyattas Vorsprung war nie gefährdet | |
Verlierer diesmal wie schon 2007 ist Raila Odinga, wichtigster Politiker | |
des westkenianischen Luo-Volkes. Er kommt den amtlichen Zahlen zufolge auf | |
rund 43,3 Prozent – eine deutliche Niederlage, ganz anders als beim letzten | |
Mal. 2007 hatte Odinga im Duell gegen Kibaki noch bis fast zum Schluss der | |
Auszählung geführt, bevor die damalige Wahlkommission plötzlich | |
Hunderttausende frische Kibaki-Stimmen entdeckte und den damaligen | |
Präsidenten zur allgemeinen Überraschung zum Sieger erklärte – was | |
Massenproteste, deren Niederschlagung und ethnische Unruhen nach sich zog. | |
Ein solches Szenario ist diesmal unwahrscheinlicher, denn Odinga – zuletzt | |
Premierminister wider Willen unter Präsident Kibaki - lag zu keinem | |
Zeitpunkt der Auszählung in Führung, und seit dem Wahltag gab es nie | |
größere Zweifel an der Arbeit der Wahlkommission. So zweifelhaft Kibakis | |
Wahlsieg 2007 gewesen war, so unzweifehaft scheint der von Kenyatta jetzt | |
zu sein. | |
Odingas einzige Hoffnung war gewesen, Kenyatta in die Stichwahl zu zwingen. | |
Diese Hoffnung ist noch nicht völlig vorbei: Die Marge von Kenyattas Sieg | |
ist eng genug, dass Überprüfungen und Nachzählungen den Wahlsieger | |
möglicherweise noch unter 50 Prozent drücken könnten. | |
Odinga hat bereits angekündigt, das Wahlergebnis vor Gericht anzufechten. | |
Vor Journalisten erklärte er am Samstagnachmittag, er werde ein | |
Gerichtsurteil akzeptieren, egal wie es ausfalle. Seine Anhänger rief er | |
zur Ruhe auf. | |
In einem Viertel von Kisumu, Odingas Hochburg im Westen Kenias am | |
Victoria-See, kam es am Nachmittag zu Zusammenstößen zwischen Jugendlichen | |
und der Polizei. Vereinzelt wurden Autos mit Steinen beworfen, die Polizei | |
setzte Tränengas ein. | |
Im Wahlzentrum von Kenyattas Wahlbündnis „Jubilee“ in Nairobi wurde schon | |
vor der offiziellen Bekanntgabe des Sieges ausgiebig gefeiert. Einige | |
Kenyatta-Anhänger hatten schon in der Nacht zum Samstag auf den Straßen | |
getanzt, nachdem die nahezu kompletten Teilergebnisse bereits Kenyattas | |
Wahlsieg andeuteten. | |
Bei den gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahlen dauert die Auszählung | |
noch an. Am Samstag mittag lagen die beiden Wahlbündnisse von Kenyatta und | |
Odinga gleichauf mit je 43 Sitzen von insgesamt 337. Kenia hat das | |
britische Mehrheitswahlrecht. | |
Einer der Gründe für Kenyattas Sieg bei der Präsidentschaftswahl ist, dass | |
im zentralkenianischen Hochland die historischen Feinde der Kikuyu, die | |
Ethnie der Kalenjin, diesmal mit den Kikuyu im selben Wahlbündnis antraten: | |
Kalenjin-Führer William Ruto ist Kenyattas Vizepräsidentschaftskandidat. | |
2007 waren die Kalenjin noch auf Seiten Odingas gewesen, die Kikuyu waren | |
isoliert. Ihr Seitenwechsel stärkte das Kikuyu-Lager deutlich und bannte | |
auch die Gefahr einer Wiederholung der massiven ethnischen Pogrome zwischen | |
Kikuyu und Kalenjin im „Rift Valley“, die Anfang 2008 Hunderte Tote | |
gefordert hatten. | |
## Außerordentlich hohe Wahlbeteiligung | |
Ein zweiter Faktor ist die außerordentlich hohe Wahlbeteiligung von über 80 | |
Prozent, mehr als je zuvor. Jedes Lager hatte verstanden, dass in einem | |
ethnisch polarisierten Wahlkampf die Mobilisierung der eigenen Volksgruppe | |
wichtiger ist als illusorische Versuche, den Gegner zu überzeugen. Damit | |
ist auch jedes Lager erstmal selbst für eine mögliche Wahlniederlage | |
verantwortlich und nicht der Gegner. Es dürfte also in der Opposition jetzt | |
eher parteiinterne Kritik geben als Hetze gegen die Wahlsieger. | |
Nun hoffen alle, dass die ständigen Appelle der letzten Zeit an die | |
Kenianer, sich nicht wieder wie 2007-08 zu Gewalt aufstacheln zu lassen, | |
Früchte tragen. Nichts anderes drückte Wahlkomissionschef Hassan in seiner | |
Ergebnisrede aus, als er sagte, es könne „victory without victims“ geben �… | |
Siege ohne Besiegte. Am Samstagnachmittag überreichte er zu den Klängen der | |
Nationalhymne feierlich die schriftliche Wahlsiegesbestätigung an Kenyatta | |
und Ruto vor applaudieredem Publikum. | |
Die Feiern werden sich noch hinziehen. Es ist Wochenende, und am Sonntag | |
werden die meisten Kenianer in die Kirchen strömen und sich neue Appelle | |
zum Frieden anhören. | |
9 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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