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# taz.de -- Kolumne Macht: Zynismus und Gewalt
> Wie einmal in Kenia die CNN-Milizen nicht gekämpft haben. Andere Milizen
> auch nicht. Die Wahl zwischen verschiedenen Verbrechern ist übel genug.
Bild: Kenia, kurz vor der Wahl.
Zwei kleine Jungen laufen Arm in Arm eine Straße entlang und schütten sich
vor Lachen aus – offenbar über den Text zum Bild: „CNN wartet auf Gewalt.
Lass sie warten … lass sie warten.“ Spöttisch und triumphierend, oft aber
auch einfach nur erleichtert wurde das Foto auf Facebook kommentiert.
Die Häme ist berechtigt, die Erleichterung könnte sich als verfrüht
erweisen. Das Bild war die Antwort auf einen bemerkenswert dämlichen
Beitrag, den CNN im Vorfeld der kenianischen Präsidentschaftswahlen
gesendet hatte. Darin robbten seltsam maskierte Männer mit selbst
gebastelten Waffen durch einen Wald und gaben sich als Milizen aus, die für
den unmittelbar bevorstehenden Kampf trainierten. Das Ganze sah aus, als
spielten Zehnjährige Räuber und Schandi.
Offen blieb, aus welchem Fundus die Requisiten stammten und ob die
Darsteller wenigstens dafür bezahlt wurden, dass sie sich zum Horst
machten. Geklärt ist hingegen, was für ein Bild sich der Sender in Atlanta
von gewaltsam ausgetragenen Konflikten in Afrika macht. Kein Wunder, dass
die dumpfe Bezeichnung „Stammeskämpfe“ für komplexe, meist ökonomisch
begründete Interessengegensätze nicht auszurotten ist.
Die CNN-Milizen haben nicht gekämpft. Andere auch nicht. Vielen
Befürchtungen und manchen Hoffnungen zum Trotz sind die Wahlen in Kenia
dieses Mal friedlich verlaufen. Nach dem letzten Urnengang 2007 starben
infolge des Verdachts von Wahlfälschung und bösartig angeheizten Unruhen
mehr als 1.500 Menschen.
## Vor dem Strafgerichtshof
Der jetzt neu gewählte Präsident Uhuru Kenyatta soll sich in diesem
Zusammenhang wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem
Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten. Ihm wird
vorgeworfen, zu Gewalttaten aufgerufen zu haben.
Wie erfreulich für ihn, dass er jetzt zum Staatsoberhaupt gewählt worden
ist. Das dürfte ihn vor dem Gefängnis schützen. So mächtig ist das
Weltstrafgericht nicht, wie der Fall des sudanesischen Präsidenten Umar
al-Baschir zeigt. Gegen den besteht seit 2009 ein Haftbefehl.
Mit 50,07 Prozent der Stimmen wurde Uhuru Kenyatta zum Sieger erklärt.
50,07 Prozent! Hätte er weniger als die Hälfte der Stimmen bekommen, wäre
eine Stichwahl nötig geworden. Ich kenne niemanden in Kenia – und ich kenne
dort ziemlich viele Leute –, die das Ergebnis für korrekt halten. In den
nächsten Tagen wird der Oberste Gerichtshof über eine Beschwerde des
Oppositionspolitikers Raila Odinga entscheiden.
Und dann? Na ja, das ist eigentlich fast egal. „Ich finde es großartig,
dass der Internationale Strafgerichtshof gegen Uhuru vorgeht. Ich verstehe
nur nicht, warum Raila nicht ebenfalls angeklagt wurde“, sagt eine
Freundin.
## Ein Lemming allein
Ein Freund schickt eine Mail. Er hat für Martha Karua gestimmt, eine
allgemein als redlich eingeschätzte Kandidatin. Die völlig chancenlos war.
„Ich fühle mich wie der berühmte Lemming, der als Einziger umkehrt und den
anderen nicht in den Abgrund folgen will.“ Ein einzelner Lemming kann nicht
überleben. Er stirbt nur langsamer als die anderen.
Zwei Jahrzehnte nach dem Beginn des tapferen Kampfes für Demokratie haben
die Kenianer die Wahl zwischen verschiedenen Verbrechern. Es ist schön,
dass sie einander dieses Mal nicht hingemetzelt haben. Aber kriminelle
Politiker lassen den Zynismus einer Gesellschaft wachsen. Zynismus
befördert Gewaltbereitschaft. Kenia geht schweren Zeiten entgegen, auch
wenn die Täter nicht so aussehen, wie CNN sich das vorstellt.
22 Mar 2013
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
Kenia
Afrika
Uhuru Kenyatta
Den Haag
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