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# taz.de -- Kolumne Macht: Wen wählt ihr eigentlich?
> Die Bundestagswahl versinkt in einem Ozean von Gleichgültigkeit – weil es
> keinen Unterschied zwischen den Parteien gibt. Die Leute ärgern sich
> nicht mal mehr.
Bild: Wer hier drin sitzt? Egal. Sind doch eh alle gleich
Die Runde ist zu laut und ausgelassen? Kein Problem. Mit einer knappen
Frage kann man derzeit vielen Leuten die gute Laune sofort verderben: Wen
wählt ihr eigentlich? Betretenes Schweigen. „Also ich habe ja immer SPD
gewählt …“ Danke für diesen Blick in deine Vergangenheit. Aber ich meinte:
Jetzt. In diesem Jahr. Im September. Stille breitet sich aus. „Steinbrück –
das schaffe ich einfach nicht.“ – „Aber grün geht doch immer.“ – „…
ist vorbei. Ich habe es satt, erzogen zu werden.“ Die Linke? Gequälte
Blicke. Dann also die Piraten? Jetzt wird doch wieder gelacht.
So oder ähnlich laufen derzeit viele Gespräche ab – wenn denn überhaupt
über den Wahlkampf geredet wird. In den rund 40 Jahren, in denen ich mich
jetzt für Politik interessiere, habe ich noch nie erlebt, dass eine
Bundestagswahl in einem solchen Ozean von Gleichgültigkeit versinkt. Die
Leute ärgern sich ja nicht mal. Sie gähnen.
Ob Vetterleswirtschaft oder Drohnenabsturz: Alles schon mal da gewesen,
nichts kann mehr überraschen – und schon gar nichts treibt diejenigen, die
sich eine andere Regierung wünschen, auf die Straße. Nur wenn ich sage,
dass ich überlege, gar nicht zur Wahl zu gehen, dann funktionieren die
alten Reflexe: Das gehe ja nun überhaupt nicht, aus Rechten erwüchsen
Pflichten, wer nicht wähle, dürfe sich hinterher nicht beschweren und
überhaupt.
Geschenkt. Weiß ich, stimmt ja. Aber ich habe trotzdem den Aufsatz des
Sozialpsychologen Harald Welzer im Spiegel mit einer gewissen Sympathie
gelesen. Der will nämlich tatsächlich nicht mehr wählen gehen, weil er
keinen substanziellen Unterschied zwischen den Parteien mehr zu erkennen
vermag.
Wie konnte es so weit kommen? Es ist ja nicht so, als ob es keine
drängenden Probleme gäbe und als ob sich nicht mit den Folgen einiger
Entscheidungen von heute noch diejenigen herumschlagen werden, die derzeit
den Kindergarten besuchen. Warum also wird in der Kneipe allenfalls über
Personen, aber fast gar nicht über Themen geredet?
Vielleicht liegt es daran, dass Rot-Grün von der eigenen Vergangenheit
nicht loskommt. Seit Gerhard Schröder es 1998 ins Kanzleramt geschafft hat,
wird das Mantra beschworen, Wahlen könnten nur in der Mitte gewonnen
werden. Obwohl die SPD inzwischen eigentlich gemerkt haben müsste, dass sie
genau dort auch verloren gehen können. Es kommt halt auf die
Rahmenbedingungen an. Und die sind heute anders als vor 15 Jahren: Die
sozialen Gegensätze haben sich verschärft, der Kapitalismus mit
menschlichem Antlitz ist so menschlich nicht mehr, die Angst vor der
Zukunft wächst.
Eine linke Politik könnte für viele derjenigen, die bereits ins Lager der
Nichtwähler abgewandert sind, attraktiv sein. Niemand hat an dieses Lager
so viele Anhänger verloren wie die Sozialdemokraten. Dort, nicht in der
viel beschworenen Mitte, versteckt sich der Wahlsieg. Aber was tut die SPD?
Sie verspricht hoch und heilig, ganz bestimmt nicht mit der Partei „Die
Linke“ koalieren zu wollen. Na, dann.
Peer Steinbrück scheint etwas zu dämmern, sonst hätte er wohl nicht
ausgerechnet den alten, linken Haudegen Klaus Wiesehügel in seine
Mannschaft geholt. Aber die SPD lässt sich nicht in eine eierlegende
Wollmilchsau verwandeln, die allen etwas zu bieten hat.
Wer aus der Opposition heraus – also ohne Amtsbonus – an die Macht will,
muss eine klare Linie zeigen. Für die SPD wäre ein linker Kurs derzeit wohl
erfolgversprechend. Aber dafür hat sie den falschen Kandidaten. Dem glaubt
man eben nicht, dass sein Herz links schlägt.
1 Jun 2013
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
Wahlkampf
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