| # taz.de -- Ein Füllhorn voller Wahlversprechen: Bei Merkel unterm Sofa | |
| > 28,5 Milliarden Euro für soziale Wohltaten verheißt die Kanzlerin. Warum | |
| > bei ihr klappt, was sich die Linken nie trauen würden. | |
| Bild: Könnte sich auch kein SPD-Politiker leisten: Angela Merkel vor anarchosy… | |
| Das Bild mit der schwäbischen Hausfrau hat Angela Merkel selbst in die Welt | |
| gesetzt. Als die Kanzlerin ihrer CDU 2008 auf dem Parteitag in Stuttgart | |
| erklärte, warum schnelle Steuersenkungen mit ihr nicht zu machen seien, | |
| verwies sie auf deren Lebensweisheit. „Man kann nicht auf Dauer über seine | |
| Verhältnisse leben.“ Vernünftig, maßhaltend, etwas akribisch und immer | |
| sauber: Im Kanzleramt war man stolz auf den Vergleich, weil er so gut | |
| ausdrückt, wie die Kanzlerin sich selbst sieht. Und wie sie gesehen werden | |
| soll. | |
| Die jüngste Debatte über Merkels Wahlversprechen konterkariert nun dieses | |
| Image auf denkbar unschöne Weise. Das Handelsblatt hatte die lobenswerte | |
| Idee, einfach mal nachzurechnen, was die CDU-Pläne für die nächste | |
| Legislaturperiode grob kosten würden. Das Ergebnis: 28,5 Milliarden Euro | |
| wären nötig, um Kinder steuerlich zu fördern, das Kindergeld zu erhöhen, | |
| Mütterrenten anzuheben und viele, viele neue Straßen zu bauen. | |
| Das ist in etwa so, als würde die schwäbische Hausfrau jedem Kind einen | |
| dicken Flachbildschirmfernseher ins Zimmer hängen. Und die Rechnung voller | |
| Gottvertrauen ins Altpapier schmeißen. Denn woher solch enorme Summen | |
| kommen sollen, sagt die CDU nicht. Nur eins weiß sie sicher: Die Steuern | |
| sollen auf keinen Fall steigen – für Steuererhöhungsorgien sind ja die | |
| bösen Rot-Grünen zuständig. | |
| Dubios? Mag sein. Aber auch erprobte Merkel’sche Dialektik. Inhaltliche | |
| Unschärfe ist ein Erfolgsrezept der CDU. Die eine Ministerin ist für die | |
| Frauenquote, die andere dagegen. Die einen sind für die Gleichstellung der | |
| Homeehe, der Rest ist dagegen. Jetzt ist Merkel eben für die sozialen | |
| Wohltaten zuständig und sendet ganz nebenbei schon das ein oder andere | |
| großkoalitionäre Signal an die SPD. Ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble | |
| grummelt, für ihn habe die Schuldentilgung weiter Vorrang. Und die FDP darf | |
| als Kampfpinscher der Wirtschaft für den freien Markt kläffen. | |
| ## Dreistes Selbstbewußtsein | |
| Allen alles versprechen, lautet also die Strategie von Schwarz-Gelb. Und | |
| jeder sagt in diesem Bühnenstück die Sprüche auf, die den Zuspruch in der | |
| eigenen Wählerklientel maximieren. Von solch dreistem Selbstbewusstsein | |
| können die Parteien links der Mitte nur träumen, ihnen würde man etwas mehr | |
| Unverfrorenheit geradezu wünschen. Stattdessen zerfleischen sich SPD und | |
| Grüne lieber selbst wegen haarfeiner Differenzen in ihren Steuerkonzepten. | |
| Natürlich hat die kafkaeske Verheißung, Milliardengeschenke seien gratis zu | |
| haben, etwas sehr Verlogenes. Doch sind Wahlkämpfe das nicht immer? Merkel | |
| tut etwas, was aus ihrer Sicht nachvollziehbar ist. Sie setzt darauf, dass | |
| es ihre Wähler nicht so genau wissen wollen. Dass sie den Versprechen | |
| glauben, ohne groß nachzufragen. Dass sie die Staubflocken unter dem Sofa | |
| der sympathischen Hausfrau im Kanzleramt nicht entdecken. | |
| Diese Strategie kann auch gefährlich sein. Zuletzt führte die FDP ein | |
| großes Versprechen an den Abgrund. Guido Westerwelle pushte seine Partei | |
| 2009 auf ein Rekordergebnis, indem er massive Steuersenkungen in Aussicht | |
| stellte. Noch heute laboriert die Partei an den Folgen. Ihr jämmerlicher | |
| Zustand rührt vor allem daher, dass sie dieses zentrale Versprechen brach. | |
| Allerdings ist unwahrscheinlich, dass sich Merkels Versprechen ähnlich | |
| vernichtend gegen sie richten. In den Ankündigungen sind Kompromisse | |
| bereits angelegt. Und schließlich wählen viele Menschen die CDU ja deshalb, | |
| weil alles bleiben soll, wie es ist. Ein Schrittchen nach dem anderen, so | |
| funktioniert Merkels Politik. Traurig, aber wahr: Selbst CDU-Wähler werden | |
| nach 8 Jahren Angela nicht mehr ernsthaft erwarten, dass große | |
| Kanzlerinnenworte schnell Wirklichkeit werden. | |
| 3 Jun 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrich Schulte | |
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