# taz.de -- Kommentar Wahlergebnis Kenia: Zeit für ein neues Kapitel | |
> Die internationale Gemeinschaft sollte mit Kenias neu gewähltem | |
> Präsidenten zusammenarbeiten. Was tut sie stattdessen? Sie stellt ihn ins | |
> Abseits. | |
Es ist beschämend. Kenia hat in freier Wahl einen neuen Präsidenten | |
gewählt, die Wahl war allem Anschein zufolge sauberer und fairer als je | |
zuvor in dem Land, die weithin befürchtete Gewalt ist ausgeblieben. Und was | |
macht die internationale Gemeinschaft? Sie stellt [1][Wahlsieger Uhuru | |
Kenyatta] ins diplomatische Abseits, weil ihm demnächst vor dem | |
Internationalen Strafgerichtshof der Prozess gemacht wird. | |
Diplomaten boykottierten die Feier, auf der Kenyatta vom Chef der | |
kenianischen Wahlkommission die Siegesurkunde erhielt. Glückwunschschreiben | |
aus den USA und auch aus Deutschland und anderen Ländern vermeiden es, dem | |
Wahlsieger zu gratulieren. Man hört zur Begründung, es gebe auf EU-Ebene | |
die Politik, mit Angeklagten des Strafgerichtshofs möglichst wenig Kontakt | |
zu halten. | |
Also soll jetzt Kenia dafür bestraft werden, dass seine politische Klasse | |
sich zumindest zum Teil aus freien Stücken der internationalen Justiz | |
stellte? Kenyatta ist nicht verurteilt. Seine Anklage ist die der | |
„indirekten Mittäterschaft“ bei zwei einzelnen Milizenangriffen im Rahmen | |
der blutigen Gewalt in Kenia nach den gefälschten Wahlen von Ende 2007 – | |
Milizenagriffe, die zahlreiche Tote forderten, die aber auch als Reaktion | |
auf und in Rache für vorherige Pogrome des Gegners gegen Kenyattas | |
Volksgruppe durchgeführt wurden. | |
„Indirekte Mittäterschaft“ ist ein Vorwurf, unter der man vermutlich | |
Millionen Kenianer und übrigens auch die meisten Politiker der Welt vor | |
Gericht stellen könnte. Es gibt gegen Kenyatta keinen Haftbefehl. Er hat | |
die Zusammenarbeit mit dem [2][Strafgerichtshof] zugesichert. Was will man | |
mehr? Die einzige stimmige Kritik an Kenyatta könnte sein, dass er als | |
Angeklagter des Strafgerichtshofs nicht als Präsidentschaftskandidat hätte | |
antreten sollen. Dagegen gibt es aber kein Gesetz, und es liegt nicht an | |
den Anklägern von Den Haag, zu entscheiden, wer in Kenia zu einer Wahl | |
antreten darf und wer nicht. | |
## Zwielichtige opportunistische Strafverfolgung | |
Es gibt Hunderte bekannte Verantwortliche für die Gewalt in Kenia 2007 bis | |
2008; ihre Namen wurden ab 2008 in offiziellen kenianischen | |
Untersuchungsberichten genannt. Sechs davon sind im Visier des | |
Strafgerichtshofs. Die beiden mächtigsten Politiker damals – der damalige | |
Wahlsieger Mwai Kibaki und sein Hauptgegner Raila Odinga – sind nicht | |
dabei. Das wirft ohnehin Fragen auf. | |
Kibaki und Odinga sind seit 2008 Präsident und Premierminister von Kenia. | |
Sie sitzen nur deshalb nicht auf den Den Haager Anklagebank, weil sie an | |
der Macht sind und ihre Regierung nur um den Preis ihrer faktischen | |
Schonung überhaupt mit dem Strafgerichtshof zusammengearbeitet hat. Sie | |
wurden aber zu keinem Zeitpunkt deswegen international kritisiert. Man | |
hofierte und lobte sie vielmehr, weil sie sich nach zwei Monaten | |
Bürgerkrieg zusammengerauft hatten und ihre Mordmilizen zurückpfiffen. | |
Kenyattas Wahl bietet jetzt endlich die Gelegenheit, diese zwielichtige | |
opportunistische Strafverfolgung zu beenden. Deswegen kann man jetzt nicht | |
an Kenyatta das Exempel statuieren, vor dem man sich mit Kibaki und Odinga | |
drückte. Vor allem ist Kenyatta jetzt nicht plötzlich ein wichtigerer | |
Angeklagter als die anderen, bloß weil er Präsident ist. Vielmehr sollte | |
seine Wahl als Chance gesehen werden, ein neues Kapitel aufzuschlagen, in | |
dem eine Aufarbeitung der Verbrechen von 2007-08 möglich wird und Kenia zur | |
Normalität zurückfindet. Die gut verlaufene Wahl von 2013 ist der erste, | |
entscheidende Akt dazu gewesen. Er darf nicht der letzte sein. | |
10 Mar 2013 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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