# taz.de -- Richterin in Den Haag: Politiker und Militärs im Visier | |
> Fatou Bensouda ist die erste Frau, die dem Internationalen | |
> Strafgerichtshof vorsitzt. In Berlin trat sie in der | |
> Heinrich-Böll-Stiftung auf. | |
Bild: Fatou Bensouda. | |
Sie redet von Warlords und Massenmördern, von Genozid und Kriegsverbrechen. | |
Dennoch wirkt Fatou Bensouda unprätentiös, von Aufregung keine Spur. Aus | |
ihren Worten spricht die Gewissheit, dass die Behörde, der sie vorsteht, | |
schon jetzt Großes geleistet hat. „Ich bin hier, um mit Ihnen die Erfolge | |
und Herausforderungen der innovativsten Institution des 21. Jahrhunderts zu | |
teilen“, kündigt die Juristin selbstbewusst an. | |
Dann berichtet sie in der Berliner Heinrich Böll-Stiftung von all dem, was | |
der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in seiner erst zehnjährigen | |
Geschichte bereits auf den Weg gebracht hat: etwa den Prozess gegen den | |
kongolesischen Rebellenführer Thomas Lubanga, die Untersuchungen gegen | |
Sudans Präsidenten Omar Al-Bashir oder die Ermittlungen gegen vier Männer, | |
die für die mörderische Ausschreitungen nach dem Wahlen in Kenia 2007 | |
verantwortlich gemacht werden. | |
„Die Fälle zeigen“, so erklärt die Haager Chefanklägerin, „dass das Ge… | |
Wirklichkeit und Teil der internationalen Landschaft geworden ist“. | |
Von den mehreren hundert Zuschauerinnen und Zuschauer, die am vergangenen | |
Freitag zu der Veranstaltung mit Bensouda gekommen sind, erntet die aus | |
Gambia stammende Juristin für ihren Einsatz gegen die Straflosigkeit großen | |
Beifall. Erst im Juni 2012 hat sie den Posten von dem Argentinier Luis | |
Moreno Ocampo übernommen. Die 52jährige ist die erste Frau, die dem Gericht | |
vorsitzt. Und sie ist die erste Afrikanerin. | |
## Die Opfer sind afrikanische Opfer | |
Ihre Ernennung solle davon ablenken, dass das Haager Gericht vor allem | |
afrikanische Politiker und Militärs im Visier habe, werfen ihr Kritiker der | |
internationalen Strafjustiz vor. Von einem „neuen Kolonialismus“ ist die | |
Rede, schließlich richten sich die acht bisherigen ICC-Verfahren | |
ausschließlich gegen Menschen aus dem afrikanischen Kontinent. Der einzig | |
verurteilte - Lubanga - stammt aus der Demokratischen Republik Kongo. | |
An diesem Nachmittag übernimmt die Moderatorin und „Zeit“-Redakteurin | |
Andrea Böhm die Rolle der Kritikerin, wohl wissend, dass Bensouda in dieser | |
Frage bestens pariert. Der Vorwurf sei sehr unfair, reagiert die | |
Chefanklägerin und verweist darauf, dass afrikanische Staaten maßgeblich am | |
Zustandekommen des ICC beteiligt gewesen seien. „Die Opfer sind | |
afrikanische Opfer“, stellt sie klar. | |
Warum sollten die Richter nicht tätig werden, wenn Malis Regierung auf sie | |
zukomme, weil sie alleine nicht mit den Kriegsverbrechern im Norden des | |
Landes fertig werde? „Genau deshalb wurde der ICC geschaffen“, betont die | |
Juristin. | |
## Russland, China, USA haben nicht unterschrieben | |
Warum aber sitzen dann nicht die Politiker in Den Haag vor Gericht, die in | |
Kolumbien für paramilitärische Angriffe verantwortlich sind? „Nach unseren | |
Informationen werden dort im Land selbst Verfahren eingeleitet.“ Und der | |
Irak? Der Strafgerichtshof könne nur gegen die 121 Staaten tätig werden, | |
die das dem ICC zu Grunde liegende Rom-Statut von 1998 unterschrieben | |
haben, betont Bensuda. Die USA zählen, wie Russland, China und der Irak, | |
nicht dazu. | |
Über die Grenzen, die dem Weltstrafgericht angesichts der realen | |
Kräfteverhältnisse gesetzt sind, täuschen Bensoudas Erklärungen kaum | |
hinweg. Dennoch will die Anklägerin die Gefahr einer Politisierung ihrer | |
Behörde nicht erkennen. Auch nicht, wenn der UN-Sicherheitsrat wie im Fall | |
Libyen kurz vor einer militärischen Aktion beim ICC beantragt, gegen | |
Staatschef Muammar Al-Gaddafi zu ermitteln. | |
Ob die Einbeziehung der Haager Richter nicht schlicht Gaddafi international | |
isolieren sollte, um eine Intervention zu legitimieren, will Moderatorin | |
Böhm wissen. „Der UN-Sicherheitsrat ist eine politische Einrichtung, der | |
Internationale Strafgerichtshof eine juristische“, reagiert Bensouda und | |
ist überzeugt: „Die Strafverfolger entscheiden nur nach rechtlichen | |
Kriterien darüber, ob eine Notwendigkeit dafür besteht, dass der ICC aktiv | |
wird.“ Da klingt dann plötzlich eine Naivität durch, die man einer Frau wie | |
Bensouda nicht wirklich zutrauen will. | |
1 Jan 1970 | |
## AUTOREN | |
Wolf Dieter Vogel | |
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