# taz.de -- Neuer Pressekodex in England: Camerons Alleingang | |
> Der britische Premierminister will nach den Abhörskandalen der „News of | |
> the World“ einen stressfreieren Pressekodex durchsetzen. Dieser schadet | |
> den Opfern. | |
Bild: David Cameron und Rupert Murdoch als Puppen auf einer Demonstration 2011 … | |
Es ist ein Fass ohne Boden: Am Freitagabend kam heraus, dass Journalisten | |
der News of the World 600 Telefone mehr abgehört haben, als bisher bekannt | |
war. Die Informationen stammen von einem Tatverdächtigen, der sich zum | |
Kronzeugen der Anklage gewendet hat. Scotland Yards Ermittlungen sollten | |
eigentlich nach Abschluss der Gerichtsprozesse Ende 2013 eingestellt | |
werden, doch ein Sprecher der Polizei sagte, dass man nun bis 2015 | |
weitermachen werde. | |
Die 600 Fälle sind in drei Gruppen unterteilt: Erstens neue Opfer, zweitens | |
Abhöropfer, die zwar entschädigt worden sind, sich aber das Recht auf Klage | |
vorbehalten haben, und drittens diejenigen, die eine Übereinkunft mit | |
Rupert Murdochs News of the World unter Verzicht auf eine Klage geschlossen | |
haben. Trotz dieser Übereinkünfte rollt auf den Verleger Rupert Murdoch | |
eine neue Prozesswelle zu. | |
Er hatte sein Skandalblatt vor zwei Jahren kurzerhand dichtgemacht, nachdem | |
erwiesen war, dass seine Leute Telefone und Anrufbeantworter von | |
Prominenten, von Mitgliedern der Königsfamilie, von Angehörigen der in | |
Afghanistan getöteten britischen Soldaten sowie eines vermissten und später | |
ermordet aufgefundenen 13-jährigen Mädchens angezapft hatten. | |
Die Details über die neuen Fälle werden erst am Montagfrüh vor Gericht im | |
Zuge der bereits laufenden Schadenersatzprozesse offengelegt. Das Timing | |
könnte für Premierminister David Cameron kaum schlechter sein. Wenige | |
Stunden später will er im Unterhaus seinen neuen Pressekodex verabschieden | |
lassen. | |
## Camerons Chancen schlecht | |
Damit könnte er jedoch scheitern, denn er hat die parteiübergreifenden | |
Verhandlungen über den neuen Pressekodex am Donnerstagabend abgebrochen und | |
einen Alleingang gestartet – sehr zum Verdruss des Koalitionspartners, der | |
Liberalen Demokraten. | |
Die monieren, dass Camerons Vorschlag weder eine gesetzliche Verankerung | |
vorsieht noch die Unabhängigkeit von Verlegerseite garantiert. Deshalb | |
werden die Liberalen, ebenso wie die Labour Party, Änderungsanträge | |
stellen, und da beide Parteien zusammen 314 gegenüber 304 Abgeordneten der | |
Tories haben, stehen die Chancen für Cameron schlecht. | |
Er kann seinen Vorschlag ohnehin nur mit Einwilligung des Liberalenchefs | |
Nick Clegg durchsetzen, denn der hat als Präsident der zuständigen Behörde | |
ein Vetorecht. Cameron behauptet, sein Weg sei „der schnellstmögliche, um | |
die strenge Selbstregulierung zu realisieren, die Leveson vorgeschlagen“ | |
habe. Der Ausschuss unter Vorsitz des Richters Leveson hatte im vorigen | |
November seine Empfehlungen vorgelegt, um ähnliche Skandale wie die | |
Abhöraffäre künftig zu verhindern. | |
Clegg warf dem Premierminister vor, dass dieses Thema nicht für | |
parteipolitisches Taktieren tauge. Labour-Chef Ed Miliband sagte, dass | |
Cameron seine eigenen Zusagen ignoriere, die er den Opfern der | |
Lauschangriffe gegeben habe. „Hacked Off“, die Organisation der Abhöropfer, | |
beschuldigte Cameron ebenfalls des Verrats. Deren Anwälte hatten an den | |
Verhandlungen im Kulturministerium teilgenommen, wurden jedoch | |
hinausgeworfen, nachdem Cameron die Gespräche abgebrochen hatte. | |
## Boulevardmedien finden es gut | |
Die Boulevardpresse überhäuft Cameron dagegen mit Lob. Die Sun preist ihn | |
für seinen „prinzipientreuen Einsatz zugunsten einer grundlegenden | |
Pressefreiheit“, und der Daily Mirror, der sonst kaum ein gutes Haar am | |
Premierminister lässt, schreibt, Cameron stehe „eine Unterhausschlacht | |
bevor, um zu verhindern, dass Zeitungen durch strengere Gesetze Fesseln | |
angelegt werden“. | |
Der Mirror hat freilich allen Grund, strengere Gesetze zu fürchten. Am | |
Donnerstag wurden drei Journalisten und eine Journalistin festgenommen. Sie | |
hatten früher bei Zeitungen der Mirror-Gruppe gearbeitet – und sollen in | |
dieser Zeit Telefone angezapft haben. | |
17 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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