| # taz.de -- Abhöraffäre in Großbritannien: Wachhund für die Presse | |
| > Nach der Abhöraffäre bei „News of the World“ in Großbritannien zieht e… | |
| > Kommission Konsequenzen. Ein Aufsichtsgremium soll die Zeitungen | |
| > regulieren. | |
| Bild: Demonstranten in London glauben nicht, dass Rupert Murdoch sich vom Leven… | |
| DUBLIN taz | Die britische Presse soll strikter überwacht werden. Diese | |
| Empfehlung sprach der britische Richter Brian Leveson im 2.000 Seiten | |
| starken Bericht seiner Untersuchungskommission über Presseethik in | |
| Großbritannien aus, den er am Donnerstagnachmittag veröffentlichte. Leveson | |
| befürwortet die Einrichtung eines unabhängigen Aufsichtsgremiums, dem keine | |
| Politiker oder amtierenden Chefredakteure angehören dürfen. Die Arbeit | |
| dieser Behörde soll von einer gesetzlich verankerten Körperschaft überwacht | |
| werden. | |
| Es könne mit der Presseaufsicht nicht weitergehen wie bisher, sagte | |
| Leveson. Der bestehende britische Presserat – die Press Complaints | |
| Commission (PCC) – wird von den Verlagen finanziert und kontrolliert und | |
| spricht höchstens mal eine Rüge aus oder verhängt eine geringfügige | |
| Geldstrafe. | |
| Das neue Aufsichtsgremium hingegen soll die Macht haben, rechtlich bindende | |
| Einigungen mit Opfern der Presse zu erzielen, Geldstrafen in Höhe von einem | |
| Prozent des Jahresumsatzes des betroffenen Presseorgans – maximal eine | |
| Million Pfund – zu verhängen und auf eigene Initiative Untersuchungen beim | |
| Verdacht auf Verletzung des Pressekodexes anzustellen. Leveson empfiehlt | |
| nicht, die Zeitungen zur Mitgliedschaft in der neuen Presseaufsicht zu | |
| verpflichten. Dann aber sollten sie direkt von der neuen staatlichen | |
| Aufsichtsbehörde überwacht werden, meint er. | |
| Hätte der Presserat in der Vergangenheit die Möglichkeit zu unabhängigen | |
| Untersuchungen gehabt, sagte Leveson, hätte er die Redaktionsräume der | |
| Sonntagszeitung News of the World durchsuchen können, als ruchbar wurde, | |
| dass das Boulevardblatt Telefone angezapft hatte. | |
| ## 4.000 Telefone abgehört | |
| Die Regierung von Premierminister David Cameron hatte die | |
| Leveson-Untersuchung im Sommer 2011 anberaumt, nachdem die linke | |
| Tageszeitung Guardian enthüllt hatte, dass die News of the World im Jahr | |
| 2002 das Handy der vermissten und später ermordet aufgefundenen 13-jährigen | |
| Milly Dowler angezapft hatte. Angeblich habe der von den Reportern | |
| angeheuerte Privatdetektiv sogar Nachrichten auf der Mailbox gelöscht, weil | |
| er Platz für neue schaffen wollte, um an weitere Informationen zu gelangen | |
| – so glaubten die Eltern von Milly Dowler, dass ihre Tochter noch am Leben | |
| sei und die Nachrichten selbst gelöscht habe. | |
| Der Vorwurf der Nachrichtenlöschung erwies sich später als falsch, aber er | |
| sorgte dafür, dass die in den britischen Medien verbreiteten Praktiken | |
| heimlicher Recherche auf die politische Tagesordnung kamen. | |
| Denn Dowler war kein Einzelfall. Die News of the World spionierte über die | |
| Jahre rund 4.000 Telefone von Prominenten, von Mitgliedern der | |
| Königsfamilie und auch von Angehörigen von in Afghanistan getöteter | |
| britischer Soldaten aus. Als das ganze Ausmaß davon bekannt wurde, machte | |
| der Verleger Rupert Murdoch das Blatt kurzerhand dicht. | |
| Der Skandal schwelte aber weiter. Der Polizei wurde vorgeworfen, nicht | |
| schon längst ermittelt zu haben, obwohl ihr die Vorfälle seit Jahren | |
| bekannt waren. Zahlreiche ehemalige Polizisten standen auf der Gehaltsliste | |
| der News of the World. Die beiden höchsten Polizisten des Landes mussten | |
| deshalb voriges Jahr zurücktreten, Dutzende von Murdochs Angestellten | |
| wurden bereits festgenommen. | |
| ## Enge Freundschaften | |
| Ein zentrales Thema der Leveson-Untersuchung war die Frage, inwieweit es | |
| übermäßig enge Beziehungen zwischen mächtigen Politikern und mächtigen | |
| Journalisten gebe, die letztere schützten. Premierminister Camerons erster | |
| Regierungssprecher nach seinem Wahlsieg im Mai 2010 war Andy Coulson | |
| gewesen, zwischen 2003 und 2007 Chefredakteur der News of the World. Er | |
| musste als Chefredakteur zurücktreten, nachdem einer seiner Journalisten | |
| und ein Privatdetektiv wegen des Anzapfens von Prinz Williams Handy | |
| verurteilt worden waren – und wurde danach Camerons Berater. Anfang 2011 | |
| trat Coulson zurück – und wurde später selbst Bespitzelungsopfer. Zu Zeiten | |
| der Labour-Regierung von 1997 bis 2010 herrschten ähnlich enge | |
| Freundschaften zwischen führenden Regierungsmitgliedern und mächtigen | |
| Publizisten. | |
| Leveson geht in seinem Bericht recht nachsichtig damit um, er kritisiert | |
| lediglich allgemein die „manchmal zu engen Beziehungen“ zwischen Politikern | |
| aller Parteien, Polizisten und Journalisten in den vergangenen 30 Jahren. | |
| Gleichzeitig äußert er aber auch Verständnis für Politiker, die von der | |
| Presse umworben würden. | |
| In einer ersten Reaktion stellte sich Premier David Cameron hinter die | |
| Kritik Levesons an der Presselandschaft. Eine gesetzliche Regelung lehnte | |
| er in einer Erklärung vor dem Unterhaus am Nachmittag jedoch „aus Gründen | |
| des Prinzips, der Praktikabilität und der Notwendigkeit“ ab. Erst einmal | |
| sollen die großen Presseverlage die Gelegenheit bekommen, sich freiwillig | |
| zur Umsetzung von Levesons Vorschlägen zu verpflichten. | |
| 29 Nov 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Sotscheck | |
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