| # taz.de -- Debatte Presse in Großbritannien: Cameron klüger als gedacht | |
| > Der Skandal um „News of the World“ brachte den Premier und den | |
| > Medienmogul Murdoch in Bedrängnis. Aber die Herren wissen sich zu helfen. | |
| Chefredakteure vor Gericht – üblicherweise stammen solche Meldungen aus | |
| Regionen, in denen es mit der Pressefreiheit nicht furchtbar weit her ist. | |
| Dass nun in Großbritannien wegen des Phone-Hacking-Skandals gleich mehrere | |
| ehemalige Redaktionschefs von Rupert Murdochs eingestellter Sonntagszeitung | |
| News of the World angeklagt wurden, ist also schon mal für sich genommen | |
| höchst bemerkenswert. | |
| Noch dazu wird es nun gleich für zwei Alphatiere enger auf der Insel: Denn | |
| nicht nur Rupert Murdoch gerät durch die Anklage der von ihm stets | |
| geförderten Rebekkah Brooks weiter unter Druck. | |
| Da Andrew Coulson, ihrem Vorgänger als News-of-the-World-Chefredakteur, | |
| ebenfalls der Prozess gemacht wird, wird es auch für Premierminister David | |
| Cameron eng. Schließlich hatte der Coulson als Kommunikationschef der | |
| Konservativen angeheuert, als Murdoch wegen des Hacking-Skandals schon mit | |
| ihm gebrochen hatte. Der Premier stand so fest zu Coulson, dass der nach | |
| Bildung der konservativ-liberalen Koalitionsregierung 2010 gleich als | |
| PR-Direktor mit in die Downing Street wechselte – und erst im Januar 2011 | |
| hinausflog, als der öffentliche Druck zu stark wurde. | |
| ## Scharfschützen helfen Cameron | |
| Doch wer nun Murdoch wie Cameron auf dem Weg ins Aus sieht, wird enttäuscht | |
| werden. Zwar hat Cameron Konsequenzen angekündigt, falls ihn sein | |
| ehemaliger Spin-Doctor in Sachen Phone-Hacking angelogen haben sollte. Doch | |
| ein Rücktritt ist ausgeschlossen. Dafür sorgt schon der heiße Sommer: | |
| Syrien, die Chance, wegen der Eurokrise mit dem britischen Sonderweg zu | |
| punkten, und die olympischen Scharfschützen auf Londons Dächern bieten auch | |
| genug Ablenkung von einer komplexen und sich seit über einem Jahr hin | |
| schleppenden Skandalaufklärung. | |
| Auch von der Labour-Opposition ist kein ernsthafter Angriff zu erwarten. | |
| Schließlich hängt man genauso mit drin: Die Partei genoss exakt bis zu den | |
| letzten Wahlen über ein rundes Jahrzehnt die freundliche Unterstützung von | |
| Murdochs britischen Blättern. Man kennt sich eben: Expremier Tony Blair | |
| gehörte zu den Ersten, die Rebekkah Brooks bei ihrer Verhaftung im Mai per | |
| SMS Trost und Mut spendeten. | |
| Cameron ist außerdem mit dem Einsetzen der Leveson-Inquiry ein geschickter | |
| Schachzug gelungen. Die seit Monaten tagende Kommission mit gerichtlichen | |
| Vollmachten zeugt auf dem Papier zunächst davon, dass es Cameron mit der | |
| Aufklärung ernst ist. Praktischerweise kann sie aber den anstehenden | |
| Gerichtsverfahren nicht vorgreifen, sondern muss sich mit dem Ungefähren | |
| bescheiden. Die Diskussion hat sich in den vergangenen Wochen prompt vom | |
| eigentlichen Anlass – dem Phone-Hacking-Skandal und dem als zu eng | |
| empfundenen Verhältnis Murdochs zu den Spitzen der britischen Politik – | |
| gelöst. | |
| ## Weil die BBC zu links sei | |
| Nun steht die künftige (Selbst-)Regulierung der Presse auf dem Programm. | |
| Ganz im Sinne Camerons, der eine neue Medienordnung für unausweichlich | |
| hält: Er will die Presse stärker reguliert sehen – und ganz nebenbei auch | |
| der BBC eins auswischen, die er wie alle guten Konservativen für „zu links“ | |
| hält. | |
| Natürlich wird die nach dem vorsitzenden Richter Brian Leveson benannte | |
| Inquiry auch kritische Worte zum Umgang der britischen Politikspitzen mit | |
| dem Haus Murdoch finden müssen. Doch auch hier kann sich der Premier | |
| entspannt zurücklehnen: Mit raschen Ergebnissen ist nicht zu rechnen, die | |
| Präsentation des ursprünglich für den späten Herbst geplanten ersten | |
| Zwischenberichts wurde ins Unbestimmte verschoben. | |
| Auch Rupert Murdoch dürfte mal wieder verhältnismäßig ungeschoren | |
| davonkommen: Vorstöße kritischer Aktionäre bei der Jahreshauptversammlung | |
| seines Medienkonzerns News Corp. liefen ins Leere. Zudem präsentiert das | |
| Unternehmen blendende Zahlen – Kasse und Dividende stimmen trotz des | |
| Skandals. Zwar überprüft die britische Medienbehörde Ofcom wegen des | |
| Hacking-Skandals derzeit seinen britischen Pay-TV-Sender BSkyB. Ein | |
| Lizenzentzug wäre theoretisch möglich, gilt aber als ausgeschlossen, weil | |
| es ja nicht der Sender war, der die journalistischen Spielregeln massiv | |
| verletzt hat. | |
| ## Murdoch, der alte Fuchs | |
| Dessen ungeachtet baut Murdoch pausenlos vor: Sein Sohn und potenzieller | |
| Nachfolger James, zur Zeit des Hackings nominell Chef der britischen | |
| News-Corp.-Töchter, wurde Schritt für Schritt aus der Schusslinie genommen. | |
| Im Sommer 2011 legte James Murdoch bereits seine Posten bei der | |
| Verlagsholding News International nieder, wo die News of the World | |
| erschien, und wurde aus London in die USA zurückbeordert. | |
| Im März 2012 gab er auch noch seinen Posten als Chairman von BSkyB auf. | |
| Anfang dieser Woche zog sich auch Murdoch als Chairman seiner britischen | |
| Zeitungen zurück. An Deck bleiben so nur seine „Leftenants“ wie Brooks, die | |
| sich bei aller finanziellen Zuneigung – ihre Gehälter laufen nach | |
| britischen Medienberichten weiter – ein wenig alleingelassen fühlen | |
| dürften. | |
| Die Chuzpe, mit der Murdoch den Druck auch noch produktiv auf seine Weise | |
| nutzt, nötigt dabei schon beinahe wieder Respekt ab: Bis Mitte 2013 will er | |
| seinen Medienkonzern völlig umstrukturieren und das TV- und | |
| Unterhaltungsgeschäft künftig getrennt von den Zeitungsverlagen führen. Die | |
| ohnehin deutlich profitableren Sender werden so gegen weiteres Fall-out aus | |
| dem Hacking-Skandal geschützt –und das Printgeschäft kann derweil still | |
| beerdigt werden. Natürlich nicht weil irgendeine Kommission oder ein | |
| Gericht ein Urteil spricht. Sondern weil es sich im digitalen Zeitalter | |
| schlicht nicht mehr rechnet. | |
| Ein Positives bleibt bei allen Unzulänglichkeiten der Aufklärung aber | |
| bestehen: Zwar wird es weder Murdoch noch Cameron ans Leder gehen und die | |
| Suppe wie immer von niederen Chargen ausgelöffelt. Doch die Transparenz und | |
| Gründlichkeit, mit denen die Leveson Inquiry oder die | |
| Untersuchungskommission des Parlamentsausschusses für Kultur, Medien und | |
| Sport arbeiten, setzt hohe Standards. Von denen man sich hierzulande die | |
| Debatte um EnBW bis NSU mehr als eine Scheibe abschneiden könnte. | |
| 28 Jul 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Steffen Grimberg | |
| ## TAGS | |
| Rupert Murdoch | |
| David Cameron | |
| Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
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