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# taz.de -- Nachwuchsförderung in Großbritannien: Cameron macht den Schulspor…
> Ein unter der Labourregierung aufgelegtes erfolgreiches Programm bekommt
> keine Gelder mehr. Unterrichtsstunden werden reduziert und Trainer
> entlassen.
Bild: Premier Cameron unter Olympioniken. Was glaubt der eigentlich, wo die her…
LONDON taz | Britische Olympioniken haben bei den Londoner Spielen eine
Medaille nach der anderen eingeheimst. Doch mit Sorge schaut man nun auf
der Insel in die Turnhallen der Schulen: Treten sich dort schon die
Nachfolger von Ennis und Wiggins gegenseitig auf die Füße? Kaum zu glauben
angesichts des Mangels an Sportangeboten. Dieser ist von der Regierung
sanktioniert, hat die konservativ-liberale Koalition doch die Schulen davon
entbunden, zwei Sportstunden wöchentlich für jede Klasse anbieten zu
müssen.
„Sinnlose Pflichterfüllung“, disste David Cameron erst kürzlich die unter
Labour eingeführte Vorgabe. Für den Premier auf jeden Fall verschenkte
Zeit, wenn auf der Aschenbahn nur Händchen gehalten werden. „Wir müssen uns
von der Idee verabschieden, dass jeder einen Preis mit nach Hause nehmen
darf“, stichelt er in Richtung linksorientierte Lehrerschaft. „Ich will
mehr Konkurrenz im Schulsport.“
Camerons Kabinett ist zumindest in der Disziplin „Rotstift ansetzen“
preisverdächtig. Vor zwei Jahren strich Bildungsminister Gove die Gelder
für das ebenfalls von Labour initiierte Programm School Sports
Partnerships. 162 Millionen Pfund flossen bis dahin jährlich in ein
landesweites Netzwerk von öffentlichen Schulen und Sportlehrern, das die
junge Generation in Bewegung setzen sollte. Finanziert wurden damit auch
Sportwettbewerbe. Mit dem Geld wurden aber vor allem Sportlehrer
freigestellt, um Kinder in benachteiligten Stadtvierteln zu trainieren. Das
Schulsportangebot wurde um Hockey-, Kletter- oder Tanzkurse erweitert, der
Kontakt zu Vereinen und Clubs wurde vertieft. Jugendliche sollten zur
Freiwilligenarbeit und Trainerausbildung motiviert werden.
Bei Oli und Iffath hat das geklappt. Im Olympia-Stadtteil Tower Hamlets
geben die beiden 20-Jährigen, deren Eltern aus Bangladesch nach London
kamen, seit vier Jahren Sportunterricht in Grundschulen. Und selbst am
Wochenende bringen sie manchmal bis zu 60 Kids die Regeln von Fußball oder
Cricket bei.
## Bezahlter Trainerposten anstatt schiefer Bahn
„Schon in der Grundschule spielte ich gerne Fußball. Sport war mein
Lieblingsfach. Deshalb wurde ich gefragt, ob ich Trainerin werden möchte“,
sagt Iffath. Oli gelang es, dank des bezahlten Trainerjobs die schiefe Bahn
zu verlassen. „Ich hatte keine Lust auf Schule, pöbelte die Lehrer an, ging
höchstens mal in den Matheunterricht.“ Es war der Sportlehrer, der sein
Talent sah, ihn dazu aufforderte, Jüngeren was beizubringen.
Chris Dunne, Leiter der Langdon School, einer Oberschule in Tower Hamlets
mit 80 Prozent SchülerInnen aus Einwandererfamilien, lobt School Sports
Partnerships in den höchsten Tönen. „Im Cricket waren unsere SchülerInnen
so gut, dass wir am Ende 55 Kinder regelmäßig in den lokalen Erstligaverein
nach Greenwich schicken konnten. Unsere Schule wurde auch von
internationalen Experten besucht, die von unseren Erfolgen lernen wollten.“
Das Programm zeigte flächendeckend Wirkung. Laut dem nationalen
Schulsportbericht trieb 2002 nur jeder vierte Schüler Englands während
seiner Schulzeit zwei Stunden Sport pro Woche, acht Jahre später waren es
86 Prozent. Doch der Wegfall der Förderung hat School Sports Partnerships
vielerorts wieder zur Strecke gebracht: Laut Angaben der Labour-Party haben
sich die Aktivitäten im Rahmen des Netzwerks um 60 Prozent verringert.
Engagierte Schuldirektoren versuchen über Geld aus ihrem regulären Budget
Angebote aufrechtzuerhalten. In Tower Hamlets fanden sich auch örtliche
Bankfilialen als Sponsoren. „Doch statt sechs Stunden können wir nur noch
rund zwei Stunden pro Woche unterrichten“, sagt Iffath.
Bei Oli hat das Streichkonzert der Regierung zu einer regelrechten
Olympia-Aversion geführt: „In Peking habe ich die britischen Athleten noch
bejubelt. Jetzt, da die Spiele praktisch vor meiner Haustür stattfinden,
hasse ich sie. All die leeren Versprechungen, die mit ihnen verbunden
waren. Und einige von uns sind schon ihren Trainerjob los.“
Auch Chris Dunne bestätigt, dass er in der zweiten Olympiawoche Trainer
entlassen musste, während Paul Lazarus, Sportleiter am Hackney Community
College, von den Spielen zu profitieren glaubt. „Unsere Schule wurde von
einem Olympiateam gemietet. Deshalb übernehmen wir ab Oktober eine komplett
renovierte und neu ausgestattete Turnhalle.“ Für Dunne sind technische und
bauliche Ressourcen jedoch nachrangig. „Was nützt ein Olympiastadion, wenn
wir uns niemanden leisten können, der unseren SchülerInnen die Sportarten
beibringt“, so der Schulleiter.
Inzwischen fordern Sportpromis wie die zweifache Olympiasiegerin Kelly
Holmes, die Pflicht zu zwei Schulsportstunden wiedereinzuführen und
spezielle Trainer in den Grundschulen einzusetzen. Doch für Iffath und Oli
kommt die Unterstützung zu spät. Ende August endet wohl auch ihre Teilnahme
an School Sports Partnerships. „Es gibt noch mal einen großen Wettbewerb.
Dann wird unsere Tätigkeit evaluiert. Es sieht aber nicht gut für uns aus“,
sagt Iffath.
Sie glaubt, dass soziale Aspekte bei der Sportförderung keine Rolle mehr
spielen: „Unser Bezirk hat einen hohen Anteil übergewichtiger Kinder, auch
die haben bei uns mitgemacht. Doch im Grunde interessiert das die Regierung
nicht. Sie will viele Medaillengewinner sehen und verlässt sich darauf,
dass die schon aus den Privatschulen kommen werden.“ Das Olympia-Motto
’Inspire a generation‘? „Ist nur hübsche Poesie“, meint sie.
12 Aug 2012
## AUTOREN
Oliver Pohlisch
Daniel Zylbersztajn
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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