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# taz.de -- Große Worte in Großbritannien: Cameron ruft zum Klassenkampf
> Nach außen gibt sich der konservative Premier Cameron sozial. In seiner
> Partei und in der Regierung hat er solche Positionen längst aufgegeben.
Bild: Daumen hoch: David Cameron, konservativer Klassenkämpfer.
DUBLIN taz | Die „Stunde der Abrechnung“ sei für Großbritannien gekommen,
sagte der britische Premierminister David Cameron am Mittwoch in seiner
Rede zum Abschluss des Tory-Parteitags in Birmingham.
Cameron warnte, dass das Land vor schweren Zeiten stehe. Am Morgen hatte
der IWF die Wachstumsprognose für Großbritannien erneut gesenkt. „Wenn wir
keine schwierigen Entscheidungen treffen, wenn wir nicht Entschlossenheit
und Fantasie zeigen, wird Britannien nicht mehr so sein, wie es war“, sagte
er.
Mit solch negativen Tönen hat selten eine Parteitagsrede begonnen. Aber der
44-jährige Premier fand schnell seinen Optimismus wieder. Großbritannien
sei „immer noch das großartigste Land der Erde“, sagte er und verwies auf
Olympia. „Wir haben es im Sommer bewiesen: Nummer 22 bei der
Bevölkerungszahl, Nummer drei beim Medaillenspiegel.“ Nach dieser Logik war
die DDR ein Superstaat.
Konkrete politische Inhalte enthielt Camerons Rede nicht, die schlechten
Nachrichten über Kürzungen und Sparmaßnahmen hatte Schatzkanzler George
Osborne bereits am Montag verkündet. Cameron ging es darum, den Eindruck zu
zerstreuen, die Tories seien die Partei der Reichen, die sich nicht um
Niedrigverdiener und Arbeitslose kümmern und denen die staatlichen
Leistungen und die Gesundheitsversorgung egal sind, wie 41 Prozent der
Befragten in einer Meinungserhebung äußerten.
## Partei der Risikofreudigen
Die Tories seien keine Partei der Privilegierten, sondern eine Partei der
Ambitionierten. „Wir predigen nicht von einer geeinten Nation“, sagte
Cameron mit Seitenhieb auf Labour, die die Parole „One Nation“ auf ihrem
Parteitag vorige Woche ausgegeben haben, „sondern wir praktizieren den
Klassenkampf“. Die Partei stehe hinter den Risikofreudigen, den jungen
Menschen, die von ihrer ersten Lohntüte träumen und dafür hart arbeiten.
Für Cameron steht einiges auf dem Spiel. Manche Medien haben bereits einen
Abgesang auf ihn verfasst. Da war von einem „angeschlagenen Premier“ die
Rede, von einem „Verlierer“, und selbst die den Tories nahestehende
Zeitschrift Spectator schrieb: „Dave geht unter“.
## Entzauberter Premierminister
Sein Rivale, Londons exzentrischer Bürgermeister Boris Johnson, der ihm
bisher Loyalität zugesichert hat, wurde auf dem Parteitag wie ein Rockstar
gefeiert. Der Experte für Wählerverhalten John Curtice von der University
of Strathclyde sagt: „Die Leute hielten Cameron für charismatisch, aber er
hat sich als durchschnittlich entpuppt. Er ist keine dominante Figur.“
Das Momentum, das nach den Wahlen vor zweieinhalb Jahren aufseiten Camerons
war, gehört der Vergangenheit an. Die Partei liegt bei Meinungsumfragen
zehn Prozent hinter Labour, was zur Hälfte der Amtszeit zwar noch nicht
viel bedeutet, aber den Parteirechten Auftrieb gibt.
Die Parteiführung reagiert darauf mit einer harten Linie in Sachen Europa,
Steuern, Verbrechensbekämpfung und Immigration. Gesundheitsminister Jeremy
Hunt will das Recht auf Abtreibung einschränken und die Homoehe verhindern.
Bildungsminister Michael Gove will das Gesundheitssystem und die BBC
privatisieren. Innenministerin Theresa May will das Recht auf freien
Personenverkehr innerhalb der EU beschneiden. Die liberalere Agenda, mit
der Cameron einst angetreten war, ist auf der Strecke geblieben.
10 Oct 2012
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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Wahlrecht
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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