# taz.de -- Britischer Sparhaushalt: Weniger für Arme, mehr für Reiche | |
> Der neue Haushaltsplan sieht starke Kürzungen bei Sozialausgaben vor – | |
> und weitere Steuererleichterungen für Unternehmen und Spitzenverdiener. | |
Bild: Spart bei den Sozialhilfeempfängern und Behinderten: der britische Schat… | |
DUBLIN taz | Der Karikaturist des Guardian brachte es auf den Punkt: „Ruhe | |
in Frieden, Wohlfahrt“, schrieb er auf einen Sarg, in den der britische | |
Schatzkanzler George Osborne den letzten Nagel schlägt. Dabei legt ihm die | |
für ihre Kürzungen der Sozialleistungen berüchtigte Expremierministerin | |
Margaret Thatcher zufrieden die Hand auf die Schulter. Gestern ist sie | |
gestorben, aber in Osborne habe sie einen würdigen Nachfolger gefunden, | |
sagen die Kritiker. Und davon gibt es viele. | |
Am Montagvormittag haben 450.000 Briten den Arbeitsminister Ian Duncan | |
Smith in einer Petition aufgefordert, ein Jahr lang von 53 Pfund in der | |
Woche zu leben. Das ist der Betrag, den Sozialhilfeempfänger nach den | |
Haushaltskürzungen von voriger Woche zur Verfügung haben. | |
Das sind drei Prozent des Ministergehalts. Duncan Smith hatte in einem | |
BBC-Interview erklärt, das sei nicht sonderlich schlimm, er könnte | |
jedenfalls von dem Geld leben. Er sei schon zweimal arbeitslos gewesen und | |
wisse, wie es sei, „am Existenzminimum zu leben“. Die Petition sei eine | |
„komplette Farce“. | |
Der neue Haushaltsplan ist am Samstag in Kraft getreten und spaltet das | |
Land. Während bei Sozialhilfeempfängern und Behinderten massiv gespart | |
wird, können sich wohlhabende Briten über Steuererleichterungen freuen. | |
Äußerst umstritten ist die sogenannte „bedroom tax“. Wer in einer | |
Sozialbauwohnung lebt und mehr Zimmer hat, als er nach Ansicht der | |
Regierung benötigt, muss nun entweder dafür zahlen oder umziehen. | |
## Einschnitte beim Gesundheitsdienst | |
Rund eine Million Haushalte sind davon betroffen, in zwei Dritteln davon | |
leben Menschen mit Behinderung, die oft auf zusätzliche Abstellräume für | |
Rollstühle und andere Hilfsmittel angewiesen sind. Die Regierung will mit | |
der Maßnahme 465 Millionen Pfund im Jahr einsparen. | |
Die größten Auswirkungen hat der Haushaltsplan auf den Nationalen | |
Gesundheitsdienst. Er muss künftig noch stärker mit privaten Anbietern | |
konkurrieren. Das soll rund 5 Milliarden Pfund im Jahr einsparen. | |
Kritiker prophezeien, dass sich die Privatfirmen die lukrativen | |
Dienstleistungen herauspicken werden, während Notfälle und teure | |
Behandlungen am Nationalen Gesundheitsdienst hängen bleiben. Das werde zum | |
Bankrott vieler Krankenhäuser führen. | |
## Steigende Staatsschulden | |
Osborne behauptet, es gebe keine Alternative zum Sparkurs. Die | |
Staatsschulden werden von derzeit 75 auf 85 Prozent der Wirtschaftsleistung | |
im Jahr 2017 steigen, die Neuverschuldung betrage in diesem Jahr 7,4 | |
Prozent, sagte er. | |
Seit dem Amtsantritt der Koalition aus Tories und Liberalen Demokraten im | |
Mai 2010 ist Großbritanniens Verschuldung trotz aller Kürzungen gestiegen, | |
die Wirtschaft stagniert. Die Wachstumsprognose für 2013 musste auf 0,6 | |
Prozent halbiert werden, und die Voraussagen von 1,8 Prozent für 2014 | |
werden sich ebenfalls kaum erfüllen. | |
Seit die Koalition regiert, ist keine Prognose eingetroffen: Eigentlich | |
sollte die Wirtschaft in den vergangenen drei Jahren um 7 Prozent wachsen, | |
tatsächlich war es 1 Prozent. | |
## Steuererleichterungen für Spitzenverdiener | |
Trotz des Schuldenbergs wird Osborne die Unternehmenssteuer weiter senken. | |
Sie ist in den vergangenen Jahren bereits von 28 auf 21 Prozent | |
zurückgegangen, ab April 2015 wird sie 20 Prozent betragen. Und auch die | |
bereits im vorigen Jahr angekündigte Senkung des Spitzensteuersatzes von 50 | |
auf 45 Prozent tritt nun in Kraft. | |
Der Schatzkanzler verteidigte die Kürzungen bei den Sozialleistungen, indem | |
er ausgerechnet auf Mick Philpott verwies, einen Vater von 17 Kindern, der | |
sein Haus angezündet hatte. Sechs der Kinder starben in den Flammen. Es sei | |
richtig, darüber nachzudenken, ob der Lebensstil von Leuten wie Philpott | |
vom Staat subventioniert werden sollte, meinte Osborne. Philpott soll | |
54.000 Pfund Kindergeld und andere Subventionen im Jahr kassiert haben. | |
Labour-Chef Ed Miliband warf Osborne vor, mit seinem Verweis auf Philpott | |
das Amt des Schatzkanzlers in den Dreck gezogen zu haben. | |
8 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
## TAGS | |
Großbritannien | |
Sparhaushalt | |
Sozialhilfe | |
Großbritannien | |
Margaret Thatcher | |
Großbritannien | |
Tony Blair | |
Euro-Krise | |
Bankenaufsicht | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nachruf Tony Benn: Big Benn ist tot | |
Er war über Jahrzehnte der bedeutendste Politiker der britischen Linken, | |
Parlamentarier und Friedensaktivist. Am Freitag ist Tony Benn gestorben. | |
Kommentar Tod von Maggie Thatcher: Von Toten nur Gutes? | |
Was ist der richtige Umgang mit Margaret Thatcher nach ihrem Tod? Muss man | |
sie loben und ihre Schurkereien ignorieren? | |
Kommentar Magaret Thatcher: Englands bester Mann ist tot | |
Thatcher ist verantwortlich für die Zerschlagung der Gewerkschaften und den | |
Ruin des öffentlichen Sektors, vor allem des Gesundheitsdienstes. Ihre | |
Politik lebt noch. | |
Zum Tode Margaret Thatchers: Die Lady, die ihr Land veränderte | |
Margaret Thatcher brach die Macht der Eliten, links wie rechts. Der von ihr | |
verkörperte Aufstieg des Kleinbürgers prägte und spaltete eine Generation. | |
Moody’s entzieht Briten AAA: Das Schuldenproblem | |
Die Opposition versucht, aus dem Verlust der Topbonität Profit zu schlagen. | |
Dabei ändert sich bei den Zinskosten für Staatsanleihen wenig. | |
Versteckte Kosten von Finanzprodukten: Großbritannien legt Gebühren lahm | |
Die Regierung in London geht gegen überhöhte Provisionen für Banken vor. | |
Manche hoffen auf eine grundlegende Veränderung des Geschäfts. | |
Große Worte in Großbritannien: Cameron ruft zum Klassenkampf | |
Nach außen gibt sich der konservative Premier Cameron sozial. In seiner | |
Partei und in der Regierung hat er solche Positionen längst aufgegeben. |