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# taz.de -- Nachruf Tony Benn: Big Benn ist tot
> Er war über Jahrzehnte der bedeutendste Politiker der britischen Linken,
> Parlamentarier und Friedensaktivist. Am Freitag ist Tony Benn gestorben.
Bild: Tony Benn, hier 2001 in seinem Haus, wurde 88 Jahre alt.
DUBLIN taz | Eine britische Zeitschrift bezeichnete ihn einmal als „Big
Benn“, und das war er auch: Tony Benn war jahrzehntelang der wohl
bedeutendste Politiker der Linken in Großbritannien. Am Freitagmorgen ist
er im Alter von 88 Jahren nach langer Krankheit gestorben.
Benn wurde am 3. April 1925 in eine Familie von Politikern hineingeboren.
Seine beiden Großväter John Benn und Daniel Holmes waren Mitglieder des
Parlaments für die Liberalen, ebenso wie sein Vater William Benn, der 1928
zur Labour Party übertrat und Minister für Indien wurde.
Tony Benn studierte an der Oxford University und wurde in der Schlussphase
des Zweiten Weltkriegs zur Royal Air Force eingezogen. Nach dem Krieg
arbeitete er beim BBC-Radio.
1950 wurde er als Abgeordneter für Bristol ins Unterhaus gewählt. Zehn
Jahre später verlor er den Sitz – nicht etwa, weil er abgewählt wurde,
sondern weil sein Vater gestorben war. Tony Benn erbte nämlich dessen
Adelstitel und Sitz im Oberhaus, was eine Mitgliedschaft im Unterhaus
ausschloss. Eine Niederlegung des Titels war gesetzlich nicht vorgesehen.
## Kampf gegen die eigene Adligkeit
Benn, der nun offiziell Viscount Stansgate war, kandidierte bei der
Nachwahl dennoch für den Unterhaussitz, den er gerade hatte aufgeben
müssen, und wurde gewählt. Das Wahlgericht entschied jedoch, dass seine
Wahl ungültig sei und ernannte stattdessen den Tory Malcolm St. Clair zum
neuen Abgeordneten.
Benn kämpfte um sein Recht, die ungewünschte Lordschaft loszuwerden, und
die Tory-Regierung änderte schließlich 1963 das Gesetz. Benn legte sofort
den Adelstitel ab, kandidierte erneut fürs Unterhaus und wurde gewählt.
Damals gehörte er eher dem gemäßigten Flügel der Labour Party an. Er wurde
unter Harold Wilson und James Callaghan Minister für Technologie, Industrie
und Energie. Ende der siebziger Jahre entwickelte sich Benn immer weiter
nach links und scheiterte denkbar knapp bei der Wahl zum stellvertretenden
Parteichef. Er hatte entscheidenden Anteil am linken Programm, mit dem
Michael Foot – allerdings erfolglos – bei den Wahlen 1983 antrat.
Benn kämpfte gegen den britischen EU-Beitritt, setzte sich für die
Bergarbeiter ein und war ein Gegner der Monarchie. Nach Neil Kinnocks Wahl
zum Parteichef rückte die Partei nach rechts – eine Entwicklung, die von
Tony Blair fortgesetzt wurde. Benn, der vergeblich gegen Kinnock angetreten
war, verlor in der Partei immer mehr an Einfluss.
## Vom Parlamentarier zum Friedensaktivisten
Bei den Parlamentswahlen 2001 trat er nicht mehr an. Er sagte, er verlasse
das Parlament, um sich verstärkt der Politik zu widmen. Ihm wurde jedoch
das außergewöhnliche Recht zugestanden, weiterhin die
Westminster-Bibliothek und das Restaurant zu nutzen.
Im selben Jahr wurde er Präsident der Koalition „Stop the War“, die sich
gegen die Kriege in Afghanistan und im Irak einsetzte. Im Februar 2003
reiste er nach Bagdad und traf sich mit Saddam Hussein, um ihn zur
Freilassung britischer Geiseln zu bewegen. Kurz darauf war Benn der
Hauptredner bei der Antikriegsdemonstration in London, an der rund eine
Million Menschen teilnahmen – es war die größte Demonstration in der
britischen Geschichte. Das Boulevardblatt Sun meinte, dass Benn „der
gefährlichste Mann in Großbritannien“ sei.
Sein Sohn Hilary folgte ihm ins Parlament, doch politisch waren sie weit
voneinander entfernt. „Ich bin ein Benn, aber kein Bennist“, sagte Hilary
Benn über die Differenzen mit seinem Vater. Der war im Oktober 2003
Ehrengast von British Airways beim letzten Concorde-Flug von New York nach
London und unternahm später Ausflüge in die Schauspielerei. Er trat mit
einer Ein-Mann-Bühnenshow auf und hatte 2008 in einer DVD-Sonderproduktion
der Fernsehserie „Doctor Who“ einen Gastauftritt. An die Erfolge seiner
Cousine Margaret Rutherford, die in hohem Alter als „Miss Marple“ berühmt
wurde, reichte er freilich nicht heran.
Benn, ein passionierter Pfeifenraucher und Tagebuchschreiber, erlitt 2012
einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Labour-Chef Es
Miliband sagte am Freitag: „Wir haben eine Ikone unserer Zeit verloren. Wir
werden uns an Tony Benn als Kämpfer für die Machtlosen, als großen
Parlamentarier und als Politiker aus Überzeugung erinnern.“
14 Mar 2014
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Großbritannien
Labour Party
Tony Blair
Elite-Universität
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Margaret Thatcher
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