| # taz.de -- Prozess gegen britisches Boulevardblatt: Wenn Journalisten NSA spie… | |
| > Die Exchefs von „News of the World“ sollen Polizisten abgehört und die | |
| > Mobilbox eines Mordopfers manipuliert haben. Pikant: Premier Cameron | |
| > kennt beide privat. | |
| Bild: Steht vor Gericht: Die Boulevardjournalistin Rebekah Brooks. | |
| DUBLIN taz | Es wird einer der längsten Strafprozesse in der britischen | |
| Rechtsgeschichte. Seit Montag stehen Rebekah Brooks und Andy Coulson im | |
| Londoner Old Bailey vor Gericht. Beide waren früher Chefredakteure der News | |
| of the World, des Boulevardblatts, das im Zentrum eines Abhörskandals | |
| steht. Außerdem sind fünf weitere ehemalige Mitarbeiter der Zeitung sowie | |
| Brooks’ Ehemann Charlie angeklagt. Alle erklären sich für nicht schuldig. | |
| Mit dem Urteil der Geschworenen ist nicht vor Ostern 2014 zu rechnen. | |
| Die Anklage gegen die 45-jährige Brooks umfasst fünf Punkte. Sie soll | |
| Telefone angezapft, Polizisten bestochen und Beweismaterial vor der Polizei | |
| versteckt haben. Am schwersten wiegt der im Jahr 2011 vom Guardian | |
| verbreitete Vorwurf, dass während ihrer Zeit als Chefredakteurin die | |
| Journalisten des Blattes mithilfe von Privatdetektiv Glenn Mulcaire 2002 | |
| die Handymailbox der vermissten und später tot aufgefundenen 13-jährigen | |
| Milly Dowler anzapften. Der Detektiv habe sogar Nachrichten gelöscht, weil | |
| er Platz für neue schaffen wollte. Dowlers Eltern hätten geglaubt, dass | |
| ihre Tochter noch lebe. | |
| Als das berichtet wurde, machte Verleger Rupert Murdoch das Sonntagsblatt | |
| im Sommer 2011 dicht. Dass der Guardian seinen Bericht später zurücknahm | |
| und zugab, es gebe keinen Beweis für eine Löschung von SMS-Nachrichten, kam | |
| zu spät. | |
| Insgesamt wurden im Auftrag der News of the World mehr als 4.000 Telefone | |
| angezapft, unter den Opfern waren Prominente und Politiker, Soldatenwitwen | |
| und Angehörige von Opfern der Londoner Terroranschläge im Jahr 2005. Damals | |
| hatte bereits Andy Coulson die Chefredaktion von Brooks übernommen, die | |
| inzwischen Murdochs Boulevardzeitung Sun leitete. | |
| Als die Bespitzelung der Royals 2007 ans Licht kam, musste Coulson seinen | |
| Hut nehmen. Er soll von den Bespitzelungen nicht nur gewusst, sondern sie | |
| angeordnet haben. Das behauptete zumindest der ehemalige | |
| Gesellschaftsreporter der News of the World, Sean Hoare. Wenige Monate nach | |
| Coulsons Rücktritt stellte David Cameron, damals noch Oppositionsführer der | |
| konservativen Tories, ihn als Pressechef ein. | |
| Cameron hat Coulson nie nach seiner Rolle in der Abhöraffäre gefragt. Er | |
| hat Coulson zu einer zentralen Figur seines engsten Kreises und 2010 zum | |
| Regierungssprecher gemacht. Erst im Januar 2011 trat Coulson zurück, | |
| beteuerte aber seine Unschuld. Ein Sprecher könne seine Aufgabe nicht | |
| erfüllen, wenn er selbst einen Sprecher benötige, begründete er seinen | |
| Rücktritt. Weil sich die Dimension des Skandals nicht mehr ignorieren ließ, | |
| setzte Cameron eine Untersuchungskommission unter Lordrichter Brian Leveson | |
| ein. | |
| ## Premierminister in trouble | |
| Für den Premierminister könnte der Prozess gegen die | |
| News-of-the-World-Mitarbeiter unangenehm werden. Der Journalist Matthew | |
| d’Ancona, der mit Cameron seit 20 Jahren bekannt ist, beschuldigt ihn in | |
| seinem im September erschienenen Buch „In It Together“, dass er vor dem | |
| Leveson-Ausschuss nicht die Wahrheit über seine Freundschaft mit Brooks | |
| gesagt habe. Cameron hatte behauptet, er habe Rebekah Brooks öfter | |
| getroffen, weil er mit ihrem Mann Charlie seit der gemeinsamen Schulzeit in | |
| Eton befreundet war. D’Ancona schreibt, dass es umgekehrt war: Cameron und | |
| Charlie Brooks kannten sich nur flüchtig. Erst durch Rebekah Brooks hätten | |
| sich die beiden angefreundet. Cameron sei von Brooks lange vor ihrer Heirat | |
| durch ihren Charme eingewickelt worden. | |
| Die schlanke Frau mit den langen, roten Haaren hat eine atemberaubende | |
| Karriere gemacht. Sie begann bei der seriösen französischen | |
| Architekturzeitschrift Architecture Aujourd’hui, bevor sie bei News of the | |
| World als Sekretärin anfing. Doch bald durfte sie Reportagen schreiben. | |
| Damals war Brooks 20 Jahre alt. Seitdem hat sie ihre Karriere | |
| vorangetrieben. Dabei wurde sie von Murdoch gedeckt. Der Medienmogul warnte | |
| Abgeordnete davor, mit Brooks vor dem Untersuchungsausschuss allzu hart | |
| umzugehen. Andernfalls werde er dafür sorgen, dass seine Blätter im | |
| Privatleben der Abgeordneten herumstöbern. | |
| Der Prozess gegen Brooks und ihre Mitangeklagten stößt auf großes | |
| Interesse, es wird eng im Gerichtssaal Nummer 12. Die Angeklagten werden | |
| von rund zwei Dutzend Anwälten vertreten. Auch die Polizei hat Leute | |
| geschickt, denn es geht bei dem Prozess auch um Korruption von Polizisten. | |
| 17 Journalisten dürfen in den Saal, die anderen müssen den Prozess auf | |
| einem Videoschirm in einem Nebenraum verfolgen. Es haben sich | |
| Medienvertreter aus Australien, dem Nahen Osten, den USA und Europa | |
| angemeldet. | |
| In Großbritannien ist es verboten, ein laufendes Verfahren zu kommentieren. | |
| Richter John Saunders, der den Prozess leitet, hat die Journalisten bereits | |
| ermahnt, sich daran zu halten und „fair und akkurat“ zu berichten. Die | |
| Warnung richtete sich auch an Unterhausabgeordnete, die sich aufgrund von | |
| Coulsons früherer Rolle als Regierungssprecher zu Kommentaren hinreißen | |
| lassen könnten. Es wird vor allem Labour-Chef Ed Miliband schwerfallen, | |
| nicht zu versuchen, aus dem Prozess politisches Kapital zu schlagen. | |
| 28 Oct 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Sotscheck | |
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