Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Mobilfunk-Überwachung: Von wegen streng geheim
> Behörden sollen künftig Inhaber und PIN eines Handys abfragen können.
> Auch dann, wenn nur eine Ordnungswidrigkeit vorliegt.
Bild: Kommt jetzt der gläserne Handy-Nutzer?
BERLIN taz | Behörden sollen künftig leichter Zugriff auf die Bestandsdaten
von Handynutzern haben. Dazu gehören etwa Name und Adresse vom Inhaber
eines Anschlusses, PIN und PUK und auch die IP-Adresse, mit der sich das
Telefon ins Internet einbucht.
So sieht es ein [1][Gesetzentwurf] vor, der am Donnerstag im Bundestag
verabschiedet werden soll. Am Mittwoch hatte bereits der
[2][Innenausschuss] das Vorhaben gegen die Stimmen von Grünen und
Linksfraktion gebilligt.
Bei dem Entwurf handelt es sich um eine nachgebesserte Version, die nicht
nur von der Regierungskoalition aus Union und FDP, sondern auch von der SPD
mitgetragen wird. Im Gegensatz zur ursprünglichen Fassung ist vorgesehen,
dass bei der Abfrage von „Zugangssicherungscodes“, also etwa einer PIN, ein
Richter zustimmen muss. Außerdem sollen die Betroffenen über die Abfrage
benachrichtigt werden.
Doch einer der Hauptkritikpunkte bleibt weiter bestehen: „Leider wurden die
Abfragemöglichkeiten zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nicht
begrenzt, obwohl dies einer expliziten Forderung des
Bundesverfasungsgerichts aus dem Vorratsdatenspeicherungsurteil
entspricht“, kritisiert der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.
Ordnungswidrigkeiten sind beispielsweise Falschparken oder Ruhestörung –
die Behörden könnten die persönlichen Daten also wegen verhältnismäßig
kleiner Delikte anfordern. Schaar bezeichnet den Gesetzentwurf daher als
„weiterhin verfassungsrechtlich bedenklich“.
## „Hürde für Zugriff zu niedrig“
Dabei sollten mit dem Gesetzentwurf eigentlich Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden. Das hatte im letzten Jahr die
Bestandsdatenauskunft nur noch übergangsweise für anwendbar erklärt. Bis
zum 30. Juni 2013 hatte das Gericht dem Gesetzgeber Zeit für eine
Neuregelung gegeben.
„Die Hürde für den Zugriff auf Daten ist in dem Gesetzentwurf deutlich zu
niedrig“, kritisiert Werner Hülsmann vom Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung. Grundsätzlich sei zwar kaum etwas dagegen zu
sagen, dass Behörden zur Verfolgung von Straftaten Bestandsdaten abfragen
könnten, wenn das die Ermittlungen erforderten. Doch das
Bundesverfassungsgericht habe eine entsprechende Abfrage nur deshalb nicht
beanstandet, weil sie bislang manuell erfolge.
Künftig werden Anbieter mit mehr als 100.000 Kunden aber dazu verpflichtet,
eine elektronische Schnittstelle einzurichten, um das Verfahren schneller
und einfacher zu machen. Kritiker befürchten, dass die Zahl der Abfragen
damit deutlich zunimmt.
## Widerspruch aus dem Innenministerium
Darüber hinaus regt sich Kritik daran, dass so viele Behörden Daten
abfragen dürfen. Das Gesetz listet nicht nur Staatsanwaltschaften und die
Polizei auf, sondern etwa auch die Verfassungsschutzämter und
Zollverwaltungen. „Das müsste viel stärker begrenzt werden“, sagt Hülsma…
Konstantin von Notz, innenpolitischer Sprecher der Grünen, kritisiert, „das
BKA wie auch andere Polizeibehörden erhalten einen erleichterten, nahezu
voraussetzungslosen Zugang auf die Kundendaten der
Telekommunikationsprovider.“ Dabei habe das Bundesverfassungsgericht mit
seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung genau das verhindern wollen.
Das Bundesinnenministerium widerspricht den Vorwürfen der Datenschützer.
„Wir sehen das Gesetz im Einklang mit der Verfassung“, sagte Sprecher
Markus Beyer-Pollok. Neue Befugnisse für die Sicherheitsbehörden würden mit
der Neuregelung nicht geschaffen.
Aus den Fraktionen kommen keine Signale, dass man den Gesetzentwurf erneut
verändern möchte. „Das Bundesverfassungsgericht hat den Bezug auf
Ordnungswidrigkeiten nicht beanstandet“, entgegnet etwa Gisela Piltz,
innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, auf die Kritik des
Bundesdatenschutzbeauftragten.
Update: In einer älteren Version des Textes hieß es, dass die
Bestandsdatenauskunft bereits 2010 vom Bundesverfassungsgericht gekippt
wurde. Diesen Fehler haben wir korrigiert.
20 Mar 2013
## LINKS
[1] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/120/1712034.pdf
[2] http://www.bundestag.de/presse/hib/2013_03/2013_129/01.html
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Datenschutz
Peter Schaar
Mobilfunk
Handydaten
Vorratsdatenspeicherung
Bestandsdatenauskunft
Bundesrat
Bestandsdatenauskunft
Schwerpunkt Überwachung
Funkzellenüberwachung
Bestandsdatenauskunft
Datenschutz
o2
Datenschutz
Verbraucherschutz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pirat Breyer über Identifizierung im Netz: „Das ist unverhältnismäßig“
Herausgabe von Passwörtern und PIN-Nummern? Das geht Patrick Breyer von den
Piraten zu weit. Er klagt in Karlsruhe gegen die Identifizierung von
Internetnutzern.
Bundesrat verabschiedet Gesetz: Zugriff auf Netzdaten gebilligt
Der Bundesrat hat das Gesetz über die Weitergabe von Netzdaten an
Sicherheitsbehörden durchgewunken. Die Polizei hat künftig auch Zugriff auf
Usernamen und PIN.
Umstrittenes Gesetz im Bundesrat: Zugriff auf Netzdaten verweigern
Im Bundesrat steht eine Entscheidung zur Bestandsdatenauskunft an. Der
Kieler Datenschutzaktivist Patrick Breyer will erneut in Karlsruhe klagen.
Mitarbeiterüberwachung beim ADAC: Freibier und Hackbällchen
Geschäftsführer W. des niedersächsischen ADAC organisiert einen Stammtisch
mit Promis und Politikern. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen
Bespitzelung.
Berliner Datenschutzbericht 2012: Bedenkliches Standardinstrument
Landesbeauftragter kritisiert zu häufige Funkzellenabfragen und
Gesetzesverstöße der Staatsanwaltschaft. und die Benachrichtigung der
Betroffenen.
Mobilfunküberwachung beschlossen: Mit den Stimmen der SPD
Der Entwurf der Bundesregierung zur sogenannten Bestandsdatenauskunft ist
beschlossen. Die Weitergabe privater Daten an Behörden wird so erheblich
vereinfacht.
Debatte Big Data und Datenschutz: Das Unbehagen im Datenhaufen
Große Datensätze sind toll für die Forschung, doch der Rückschluss auf
Personen wird immer einfacher. Unser Umgang mit persönlichen Daten muss
sich ändern.
Telefónica und Datenschutz: Endlich mal Lob für Telefonkonzern
Telefónica plant doch nicht, Bewegungsdaten von O2-Kunden zu verkaufen. Das
erfreut Datenschützer. Damit sind aber nicht alle Probleme gelöst.
Kommentar Datenschutz und Telefónica: Nur ein taktischer Rückzug
O2 stampft die Pläne zur Nutzung der Bewegungsdaten seiner Handykunden ein.
Ein zweiter Anlauf könnte folgen, wenn sich niemand mehr aufregt.
Mobilfunkkonzern will Daten verkaufen: Dem Kunden auf den Fersen
Der Mobilfunkkonzern Telefónica will Standortdaten von O2-Nutzern für
Werbezwecke verwenden. Datenschützer protestieren, das Unternehmen wiegelt
ab.
Funkzellenabfragen: Rot-Schwarz filzt weiter Handys
Koalition will mit einer Bundesratsinitiative die Rahmenbedingungen für die
umstrittene Funkzellenabfrage klären.
Netz-Schnüffeltechnik DPI: „Nacktscanner fürs Internet“
Mit Deep Packet Inspection (DPI) können Internet-Anbieter Nutzern in ihren
Datenverkehr schauen. Netzwerkexperte Rüdiger Weis sieht akuten
Handlungsbedarf.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.