| # taz.de -- Pirat Breyer über Identifizierung im Netz: „Das ist unverhältni… | |
| > Herausgabe von Passwörtern und PIN-Nummern? Das geht Patrick Breyer von | |
| > den Piraten zu weit. Er klagt in Karlsruhe gegen die Identifizierung von | |
| > Internetnutzern. | |
| Bild: Die Fahnder erkennen sie schon an ihren Bestandsdaten | |
| taz: Herr Breyer, am Montag haben Sie und die neue | |
| Piraten-Geschäftsführerin Katharina Nocun beim Bundesverfassungsgericht | |
| gegen die Neuregelung der Bestandsdatenauskunft Klage eingereicht. Ist die | |
| Klage also ein Projekt der Piratenpartei? | |
| Patrick Breyer: Nein, wir sammeln [1][für die Klage Unterstützer aus allen | |
| Lagern]. Aber vor der Bundestagswahl, bei der es für die Piraten um viel | |
| geht, wollten wir auch auf unseren politischen Hintergrund hinweisen. | |
| Schreckt das mögliche Unterstützer ab? Bisher haben Sie erst 4.000 | |
| Vollmachten gesammelt. Das ist deutlich weniger als bei früheren Klagen … | |
| Mag sein. Aber viele Leute werden auch erst mit Inkrafttreten des Gesetzes | |
| unterschreiben. Auf [2][stopp-bda.de] mobilisieren wir noch bis Ende Juli | |
| für eine Sammelklage. Außerdem ist das Thema Bestandsdatenauskunft recht | |
| komplex. | |
| Dann erklären Sie bitte mal, was Bestandsdaten sind! | |
| Das sind die Vertragsdaten zu einem bestehenden Telefon- oder | |
| Internetanschluss, also Name und Adresse des Inhabers, die zugehörige | |
| Telefonnummer, auch Zugangssicherungs-Codes wie Passwörter und PIN-Nummern. | |
| Betroffen sind auch E-Mail, Chatdienste und Internetforen, möglicherweise | |
| sogar Online-Speicherdienste und soziale Netzwerke. | |
| Und wer soll bei der Bestandsdatenauskunft diese Daten erhalten? | |
| Die Polizei, die Staatsanwaltschaft, der Zoll und die Geheimdienste. | |
| Ist das neu? | |
| Nein. Aber die [3][Neuregelung halten wir in vielen Punkten] für zu | |
| weitgehend, vor allem bei der Identifizierung von Internetnutzern. | |
| Lehnen Sie jede Auskunft über IP-Adressen ab? | |
| Nein. Der Staat sollte auf solche Daten aber allenfalls mit richterlicher | |
| Anordnung und zur Aufklärung schwerer Straftaten oder zur Abwehr von | |
| Gefahren für wichtige Rechtsgüter zugreifen. Einen Zugriff durch | |
| Geheimdienste lehnen wir in jedem Fall ab, ebenso die Herausgabe von | |
| Passwörtern und PIN-Nummern. Das ist unsere politische Position. | |
| Und Ihre juristische Position? | |
| In der Verfassungsbeschwerde können wir nur verfassungswidrige Regelungen | |
| beanstanden. So halten wir es für unverhältnismäßig, dass die Zuordnung | |
| einer IP-Adresse – also die Aufhebung der [4][Anonymität im Internet] – zur | |
| Verfolgung jeder Ordnungswidrigkeit möglich sein soll. | |
| Hat das Bundesverfassungsgericht das nicht mit seiner Entscheidung im Jahr | |
| 2012 erlaubt? | |
| Nur für die Zuordnung von Telefonnummern und E-Mail-Adressen zu realen | |
| Personen, nicht aber für IP-Adressen. Dafür müssen höhere Hürden gelten, | |
| weil mit der IP-Adresse in der Regel auch eine inhaltliche Information | |
| verbunden ist, zum Beispiel dass sich jemand im Internet eine bestimmte | |
| Seite angesehen hat. | |
| Etwa eine Seite mit kinderpornografischen Inhalten oder | |
| Bombenbastelanleitungen? | |
| Die meisten Ermittlungen im Internet betreffen eher Bagatelldelikte: | |
| Betrug, Beleidigung und illegales Tauschen von Musikdateien. | |
| Wie kommt die Polizei an die IP-Adressen? | |
| Wenn der Betreiber der Seite die IP-Adressen der Besucher in einem Logfile | |
| speichert, kann die Polizei diese Datei beschlagnahmen. | |
| Wie oft fragt die Polizei die Provider nach den Bestandsdaten zu | |
| IP-Adressen? | |
| Das wissen wir nicht, weil es keine Statistiken gibt. Allein die Telekom | |
| identifizierte 2010 aber über 20.000 Internetnutzer für den Staat. Und | |
| künftig werden die Zugriffszahlen noch explodieren. Denn bisher musste die | |
| Polizei die Daten manuell anfragen und bekam die Antwort zum Beispiel als | |
| Fax zurück. | |
| Künftig erfolgt die Abfrage über eine elektronische Schnittstelle, da | |
| lassen sich schnell mal einige tausend IP-Adressen aus einem Logfile | |
| identifizieren. Auch deshalb muss für die Identifizierung von IP-Adressen | |
| eine höhere Hürde gelten, als sie der Bundestag beschlossen hat. | |
| Was fordern Sie bei Zugangscodes wie Passwörtern und PIN-Nummern? | |
| Diese soll die Polizei allenfalls als letztes Mittel von den Providern | |
| abfragen dürfen, weil sie mit den Zugangscodes den totalen unbefristeten | |
| Zugang bekommt. Wenn die Polizei etwa den E-Mail-Verkehr mitlesen will, ist | |
| es besser, dass sie eine Telekommunikationsüberwachung beantragt, sodass | |
| wenigstens der Provider mitbekommt, was die Polizei macht. | |
| Die Provider speichern Passwörter in der Regel verschlüsselt. Kann die | |
| Polizei damit überhaupt etwas anfangen? | |
| Diese Verschlüsselung ist meist leicht zu knacken. Und PIN-Nummern werden | |
| sogar unverschlüsselt gespeichert. | |
| Kann die Polizei bei der Bestandsdatenauskunft auch Zugangs-Codes zum | |
| Online-Banking herausfordern? | |
| Nein, das ist keine Telekommunikationsdiensleistung. Aber die Passwörter | |
| für einen Facebook-Account könnte sie mit der Begründung verlangen, dass | |
| bei Facebook auch Nachrichten ausgetauscht werden. | |
| Wie hoch schätzen Sie die Erfolgschancen Ihrer Klage ein? | |
| Ich bin sicher, dass das [5][Bundesverfassungsgericht] die Neuregelung als | |
| unverhältnismäßig beanstanden wird. | |
| 2 Jul 2013 | |
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| Christian Rath | |
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