| # taz.de -- Stratege über Piraten-Wahlkampf: „Wie eingeschlafene Füße“ | |
| > Trotz der Geheimdienstskandale ist es weiter still um die Piraten. Sie | |
| > gehen ihre Bundestagskampagne zu brav an, sagt der Unternehmensphilosoph | |
| > Dominic Veken. | |
| Bild: Lieb, nett und niedlich statt subversiv | |
| taz: Die halbe Welt ist wegen der jüngsten Geheimdienstskandale in | |
| Aufregung – eigentlich eine Steilvorlage für die Piraten. Kann die gerade | |
| vorgestellte Kampagne sie aus dem Umfragetief holen? | |
| Dominic Veken: Nein, das sehe ich nicht. Es stimmt zwar: Für die Piraten | |
| könnte es gar keine bessere Wahlkampfzeit geben. Es gibt gerade so viel, | |
| wogegen die Partei aufbegehren und mobilisieren kann. Aber die Anmutung | |
| ihrer Kampagne stimmt einfach nicht. | |
| Gefallen Ihnen denn nicht die orange-blauen [1][Wahlplakate] mit Slogans | |
| wie „Stell Dir vor, Du wirst gefragt“ oder „Piraten kann ich | |
| nachvollziehen“? | |
| Das ist doch wie eingeschlafene Füße. Ich halte diese Wahlkampagne für | |
| kontraproduktiv, ihr fehlt komplett die Kraft der Polarisierung. Früher | |
| wurden die Piraten gewählt, weil sie als echte Alternative galten, als | |
| subversive Kraft. So lieb, nett und freundlich, wie sie sich jetzt | |
| präsentieren, sind sie eine Partei wie jede andere geworden, nicht mehr | |
| subversiv, sondern angepasst. Damit geht der Grund verloren, warum man | |
| Piraten gewählt hat. | |
| Woran machen Sie das fest? | |
| Zentral ist für mich der geistige Kern einer Wahlkampagne. Früher haben die | |
| Piraten mit „Klarmachen zum Ändern“ geworben – das war | |
| humoristisch-aggressiv und ein Versprechen, den Laden der etablierten | |
| Politik aufzumischen. Heute steht als Kernsatz unter den Plakaten „Piraten | |
| wählen“. Das ist komplett austauschbar. | |
| Aber wenn sich die Piraten nach fast zwei Jahren in mehreren | |
| Landesparlamenten immer noch so laienhaft und ungehobelt präsentieren | |
| würden wie anfangs, würde ihnen das vermutlich auch vorgeworfen… | |
| Es ist das Lebenselixier der Piraten, dass sich Leute über sie aufregen und | |
| ihnen Dinge vorwerfen. Das bringt sie erst in die Presse, dann wird über | |
| sie diskutiert. Bei jedem ihrer Plakate müssten mindestens 40 Prozent der | |
| Wähler sagen: Das geht ja gar nicht! Erst dann würde überhaupt eine | |
| Aufmerksamkeit entstehen. Ein bisschen Skandal muss schon sein, sonst ist | |
| die Partei irrelevant. | |
| Die SPD zieht mit 23 Millionen Euro in den Wahlkampf, die Piraten können | |
| nach eigenen Angaben 400.000 Euro ausgeben. Hat die Partei mit diesem | |
| Budget überhaupt eine Chance? | |
| Ja, aber nur wenn sie sich klar als Gegenbewegung positioniert. Die Piraten | |
| müssen aufbegehren und eine Art Aufbruchstimmung schaffen. Sie müssen | |
| spielerisch und ironisch agieren. Genau das darf ja eine Partei wie die CDU | |
| gar nicht, weil es den Gegner mobilisieren und die eigenen Wähler | |
| verschrecken würde. Die Piraten dagegen könnten Vollgas geben. | |
| Die Piraten sollten im Wahlkampf so provozieren, dass wir Journalisten für | |
| sie die Werbung übernehmen? | |
| Genau. Die Piraten müssen ja sowieso nur sechs bis acht Prozent der Wähler | |
| ansprechen. Das heißt: Selbst wenn 80 Prozent empört sind, dürfte es am | |
| Ende von Vorteil sein. | |
| Die Piraten loben ihre Kampagne als „hausgemacht“. Sie haben keine | |
| Werbeagentur gebucht, sondern basisdemokratisch über die Slogans | |
| abgestimmt. Ist das nicht richtig bei einer Partei, die viel Wert auf | |
| Mitbestimmung durch die Basis legt? | |
| Eine provozierende Wahlkampfstrategie kann man nicht basisdemokratisch | |
| entwickeln. Die Regel heißt hier: Gremium ist nicht premium. Je mehr Leute | |
| mitreden, desto weichergespült wird das Ganze, desto mehr Ecken und Kanten | |
| fallen weg. Wenn alle mitreden, bleibt das übrig, worauf sich alle einigen | |
| können. Dann fehlt die Kraft der Polarisierung – so wie bei dieser | |
| Piratenkampagne. | |
| 11 Jul 2013 | |
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| [1] http://wiki.piratenpartei.de/Bundestagswahl_2013/Wahlplakate | |
| ## AUTOREN | |
| Astrid Geisler | |
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