# taz.de -- Datenschutz: Der Whistleblower von Delmenhorst | |
> Hat Delmenhorsts Oberbürgermeister persönliche Daten aus seiner | |
> Sozialbehörde weitergegeben? Klären soll das ein Disziplinarverfahren. | |
Bild: Kann keine Fehler bei sich erkennen: Delmenhorsts Oberbürgermeister Patr… | |
DELMENHORST taz | Die Piraten-Fraktion des Stadtrats Delmenhorst hat eine | |
Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Delmenhorsts Oberbürgermeister Patrick de | |
la Lanne (SPD) eingereicht. Der soll persönliche Daten einer Fallakte aus | |
seiner Sozialbehörde an einen niedersächsischen Landtagsabgeordneten | |
weitergegeben haben. Das wäre mit dem Sozialdatenschutz nicht vereinbar. De | |
la Lanne wehrt sich – und bittet seinerseits um ein Disziplinarverfahren | |
gegen sich selbst, um die Vorwürfe zu entkräften. Nachgehen wird den | |
Vorwürfen nun das niedersächsische Innenministerium, als kommunale | |
Aufsichtsbehörde. Der taz liegt ein Großteil des Schriftwechsels vor. | |
Der eigentliche Fall liegt schon Monate zurück: Im September 2012 bat der | |
niedersächsische Landtagsabgeordnete Reinhard Hegewald (CDU) aus Emden im | |
Delmenhorster Rathaus um Auskunft: Beim Besuch einer Schule in Ostfriesland | |
erfuhr Hegewald von Problemen eines Kindes, dessen Mutter in Delmenhorst | |
wohnt. Er nahm sich der Sache persönlich an, fragte per E-Mail in | |
Delmenhorst nach, ob Integrationshilfe genehmigt wurde. „Das war mein | |
Verständnis von Politik“, sagt Hegewald der taz. Er wollte helfen. | |
Und Oberbürgermeister de la Lanne wollte da nicht im Weg stehen und den | |
kleinen Dienstweg gemeinsam beschreiten. Er kennt Hegewald aus seiner Zeit | |
in Emden, die beiden duzen sich. In einem Schreiben vom 16. Oktober an | |
Hegewald nennt er Vor- und Zuname des Kindes, Geburtsdatum und welchen | |
Antrag die Mutter gestellt hat. Schon das war ein Verstoß gegen den | |
Datenschutz, wie ein Mitarbeiter des niedersächsischen Landesbeauftragten | |
für Datenschützer später feststellen wird. | |
Hegewald reicht die Antwort nicht, er will wissen, wie der Antrag auf | |
Integrationshilfe ausgegangen ist. De la Lanne fragt in seiner Behörde nach | |
– und erhält nun eine Abfuhr: Der Fachbereichsleiter Rudolf Mattern weist | |
nach Rücksprache mit der Datenschutzbeauftragten der Stadt Delmenhorst auf | |
den Sozialdatenschutz hin. Rechtlich korrekt merkt er an: „Herr Hegewald | |
kann sich ja an die Erziehungsberechtigten wenden.“ | |
## „Unglaublicher Vorgang“ | |
Nun beginnt, was Delmenhorsts Erster Stadtrat, Gerd Linderkamp, in einem | |
internen Schreiben später als „schier unglaublichen Vorgang“ bezeichnet: | |
Oberbürgermeister de la Lanne versucht, sich über die rechtlichen Bedenken | |
des Fachbereichsleiters hinwegzusetzen, indem er auf seine Rolle als | |
Oberbürgermeister pocht: „Als Oberbürgermeister der Stadt Delmenhorst leite | |
und beaufsichtige ich die Verwaltung“, als „Hauptverwaltungsbeamter“ sei … | |
„Dienstvorgesetzter“: „Somit ist dieser weisungsbefugt gegenüber allen | |
Beschäftigten der Kommunalverwaltung“, schreibt de la Lanne. Mattern weist | |
er an, ihn „umgehend persönlich zu informieren“. Der aber bleibt bei seiner | |
Einschätzung und erhebt offiziell Einwände gegen die Weisung des | |
Oberbürgermeisters. | |
„Zu Recht“, stellte im Juni Wilhelm Kaimeier, Mitarbeiter beim | |
Landesdatenschutzbeauftragten in Niedersachsen, fest. Die Piraten hatten | |
ihn um eine Stellungnahme gebeten, nachdem sie Monate später von der Sache | |
erfahren hatten. Kaimeier geht „nach Aktenlage“ davon aus, dass de la Lanne | |
die Daten an den CDU-Landtagsabgeordneten weitergeben wollte. | |
De la Lanne kann keine Fehler bei sich erkennen. Stattdessen beschwert er | |
sich beim Landesdatenschützer Joachim Wahlbrink über die Unterstellungen | |
seines Mitarbeiters. Wahlbrink aber schreibt de la Lanne am 19. Juni: „Das | |
Ergebnis, zu dem mein Mitarbeiter gelangt ist, trifft zu.“ | |
De la Lanne bleibt bei seiner Position. „Ich habe keine Sozialdaten | |
erhalten und somit ist das auch nicht möglich“, lässt de la Lanne über | |
einen Sprecher der Stadt Delmenhorst erklären. Für Nachfragen der taz war | |
er nicht zu sprechen. | |
Und was sagt CDU-Politiker Reinhard Hegewald? Er ist kein Abgeordneter | |
mehr. Welche Daten hat ihm de la Lanne übermittelt? „So auf Anhieb kann ich | |
das nicht sagen“, sagt Hegewald. „Das was ich wollte, hatte sich von selbst | |
erledigt.“ Auf weitere Nachfrage teilt Hegewald der taz schriftlich mit: | |
„Nach Durchsicht meiner E-Mail-Korrespondenz aus dem letzten Jahr stelle | |
ich fest, dass ich zu keiner Zeit Daten angefordert habe.“ Der taz liegen | |
zwei E-Mails vor, die das Gegenteil belegen. | |
Zumindest die Piraten sind sich sicher. Deren Fraktionschef Andreas | |
Neugebauer beantragte Akteneinsicht. Er wolle dem Bürgermeister nichts | |
Böses unterstellen, sagt Neugebauer, „aber es ist eben so, dass solche | |
Sachen geschützt sind“. | |
30 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |