| # taz.de -- Bürgerkrieg in Syrien: Jedem seine eigene Rebellengruppe | |
| > Die Kämpfe haben auch die östliche Provinz al-Hasaka erreicht. Ein Besuch | |
| > bei Rebellen, die mit der Freien Syrischen Armee nichts zu tun haben | |
| > wollen. | |
| Bild: Die Provinz al-Hasaka. Hier befinden sich einige Ölquellen | |
| Al-SCHADADI taz | Die Kommandozentren des syrischen Widerstandes sind | |
| unscheinbar. Einfache Wohnhäuser in ärmlichen Dörfern, versteckte | |
| Hinterzimmer in verschlafenen Seitenstraßen. Nach außen hin versucht die | |
| Freie Syrische Armee (FSA) professionell aufzutreten. Dabei hat ihr | |
| weitgehend in der Türkei stationiertes Oberkommando die Kontrolle über den | |
| Aufstand in vielen Landesteilen längst verloren. An seine Stelle sind | |
| informelle Netzwerke und Stammesverbände getreten, die das Land nach ihren | |
| mal islamistischen, mal säkularen Vorstellungen umgestalten. | |
| An einem Nachmittag im März versammeln sich in einem Wohnzimmer der | |
| ostsyrischen Kleinstadt al-Schadadi etwa ein Dutzend Männer; einige in | |
| Flecktarn, andere tragen die klassische arabische Dschellaba. Sie vertreten | |
| Rebelleneinheiten, Katibas, die dem syrischen Diktator Baschar al-Assad den | |
| Kampf angesagt haben. Die Gäste kommen aus allen Teilen der Ostprovinz | |
| al-Hasaka, die während der ersten anderthalb Jahren des Bürgerkriegs kaum | |
| für Schlagzeilen sorgte, nun aber Schauplatz heftiger Kämpfe ist. | |
| „Unsere Heimat ist arm. Zwar liegen auch die Ölquellen in der Umgebung | |
| unserer Städte, verkaufen tun das Öl aber Unternehmer des Regimes aus | |
| Tartus und Damaskus“, beklagt sich Abu Dschihad. Der 48-Jährige frühere | |
| Mathematiklehrer schloss sich vor einem Dreivierteljahr dem Aufstand an und | |
| stieg schnell in eine führende Position auf. Jetzt räkelt sich Abu Dschihad | |
| auf einem Sitzkissen. Ihm gegenüber holt Sheikh Saif, Medienbeauftragter | |
| der mächtigen Al-Tauhid-Brigade, zu einer Rede gegen das Regime aus. Alle | |
| Männer im Raum sind seit Jahren befreundet und gehören zur „erweiterten | |
| Familie“, wie es Abu Dschihad formuliert. Akademisch gebildet und aus dem | |
| einfachen Bürgertum kommend, stellen sie in al-Hasaka die Elite des | |
| Aufstands. | |
| „Es gibt keine Freie Syrische Armee. Jede Katiba hat ihre eigenen Ziele, | |
| eigene Finanzierung und eigene Organisation. Riad al-Asaad | |
| (Oberbefehlshaber der FSA, d. Red.) verfügt über niemanden von uns“, betont | |
| Sheikh Saif. Allein seine Al-Tauhid-Einheit, eine der größten in Syrien, | |
| umfasst rund 3.000 Kämpfer. Die anwesenden Kommandeure vereinen Hunderte | |
| weitere Kämpfer. Sie bilden ein Netzwerk im Verborgenen, planen | |
| Militärkampagnen nicht gemeinsam mit anderen Aufständischen, sondern | |
| orientieren sich an etablierten Machtstrukturen ihrer Heimatprovinz. Ihre | |
| Einheiten belagern gegenwärtig die vom Regime gehaltenen Städte Deir al-Sor | |
| und al-Hasaka. | |
| ## Friedensabkommen mit den Kurden | |
| Vor Kurzem schloss der Oberste Militärrat der FSA in der Grenzstadt Ras | |
| al-Ain mit kurdischen Milizen ein Friedensabkommen. Vorausgegangen waren | |
| heftige Kämpfe zwischen islamistischen FSA-Einheiten und kurdischen | |
| Verbänden. Von Anfang an hatte sich die FSA-Führung gegen einen Angriff auf | |
| die kurdisch geprägten Städte des Nordostens ausgesprochen, er erfolgte | |
| dennoch. | |
| Unter den Rebellen in al-Schadadi stößt das Abkommen auf keine große | |
| Gegenliebe: „Die Kurden kämpfen auf der Seite des Regimes, sie sind alle | |
| Kämpfer der PKK“, behauptet Abu Hamza, dessen Katiba Ayad al-Fahri in Ras | |
| al-Ain und al-Hasaka Position bezogen hat. „Der Frieden in Ras al-Ain wird | |
| vermutlich nicht halten. Zuerst befreien wir Al-Hasaka-Stadt, dann Amuda, | |
| dann Qamischli.“ Nach Auskunft kurdischer Kommandeure bereiten sich in | |
| Qamischli gegenwärtig Hunderte kurdische Milizionäre auf einen möglichen | |
| Angriff der FSA vor. | |
| Bislang betonte die FSA stets, Frieden mit den Kurden anzustreben. Das | |
| Stammestreffen erweckt einen anderen Eindruck. Sheikh Saif reicht seinen | |
| Laptop herum, auf dem er Dutzende Präsentationen und Statistiken | |
| abgespeichert hat: Bevölkerungsdiagramme und strategische Karten der | |
| Provinz, jede einzelne Ortschaft als arabisch oder kurdisch eingestuft. Es | |
| ist die Unterwerfung der syrischen Kurden, die an diesem Nachmittag geplant | |
| wird. Von zwei Seiten wolle man die größte kurdische Stadt al-Hasaka | |
| angreifen, viele der Dörfer im Umland wurden bereits erobert. | |
| „Es wird Jahre dauern, bis wir Syrien wieder aufgebaut haben. Aber es wird | |
| stärker sein als zuvor“, ist sich Abu Dschihad sicher. Sheikh Saif wirbt | |
| für eine islamische Verfassung und sein persönliches Anliegen, die | |
| Dschabhat Islami, ein loses Bündnis islamistischer Gruppen, auszubauen. Abu | |
| Dschihad möchte wieder mehr Zeit mit seiner Familie – für mehr als | |
| Skype-Gespräche war zuletzt kaum Gelegenheit. Dann wird das Zimmer dunkel. | |
| Der Strom ist wieder einmal ausgefallen. | |
| 28 Mar 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Nils Metzger | |
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