# taz.de -- Neues Album von New Found Land: Das sympathische rollende R | |
> Beinahe zu perfekt, aber immer wieder spannend: Songs und Sound der | |
> schwedischen Elektronik-Musikerin Anna Roxenholt alias New Found Land. | |
Bild: So karg wie eine skandinavische Schneelandschaft: Anna Roxenholt. | |
Was machen sie bloß, die urbanophilen Mitdreißiger in der Beziehungskrise? | |
Gewiss wird es bald einen Film geben, der sich der amourösen Zweisamkeit | |
dieser Thirtysomethings annimmt und ihrer Lebensentwürfe zwischen | |
Selbstzweifel und Zurückgezogenheit. Den Soundtrack dazu liefert schon | |
jetzt die Wahlberlinerin Anna Roxenholt. Auf ihrem neuen Album unter dem | |
Künstlernamen New Found Land hat sie für jede Stimmung in der | |
zeitgenössische Liebe einen Song parat. | |
Ihre Songs interpretieren die Liebe als ständigen Kampf, voller später | |
Entschuldigungen und Angst vor zu großer Nähe. Dieses Gefühlschaos | |
reflektiert sie mit rau-hoher Stimme und einem sympathisch rollenden R. | |
Melancholisch und karg wie skandinavische Schneelandschaften führt | |
Roxenholt mit ruhig vor sich hin wabernden Synthies, romantisch | |
schrammeliger Gitarre und getragenem Bass in ihr Album ein. | |
Was so sanft und schön beginnt, mausert sich im Laufe der zwölf Songs zu | |
einem vielförmigen Indie-Rock-Pop-Almanach, der mit Hits und Balladen | |
aufwartet. | |
## Beseelte Ernsthaftigkeit | |
Hier und da schieben sich ein paar trockene Synthie-Patterns à la Depeche | |
Mode in die sonst so beseelte Ernsthaftigkeit des Albums. Bisweilen spielt | |
Roxenholt mit hallender Gitarre und Streichern auf den überreifen Wave von | |
The Cure an. „Warm, kalt, organisch, synthetisch, ernst, traurig und | |
lustig“, sagt Roxenholt selbst im Interview mit dem FastForward Magazine, | |
sei ihr Album. | |
New Found Land startete 2009, damals noch als Bandkollektiv, mit einem | |
puristischen Statement. Alles drehte sich auf dem Debütalbum „We All Die“ | |
um den Gesang der Roxenholt. Teilweise im Duo mit ihrem Ehemann, spielte | |
sie ihre simplen Melodien über reiner Instrumentalbegleitung mit | |
Akustikgitarre, Klavier, Saxophon und – sehr schön – Banjo aus. Nur ein | |
Jahr danach folgte „The Bell“, ein aufwändig produziertes | |
Pop-Indie-Rock-Hybrid. | |
Inzwischen besteht „New Found Land“ nur noch aus der Schwedin und Roxenholt | |
kehrt zurück zur vertrauten Reduktion: klare Rhythmen, einfache Harmonien, | |
Gitarre, spartanische Basslinien und im Zentrum ihr Gesang. | |
„New Found Land“ ist ein gereiftes Songalbum. Trotz Simplizität im Großen | |
ist Roxenholts Soloalbum im Detail sehr komplex. Hier eine feine | |
Improvisationseinlage, da ein sanftes Streicher-Fade-In. Ausgefeilte | |
Keyboards und vor allem ein sehr distinguiertes Sounddesign untermalen ihre | |
puristischen Songkonstruktionen. | |
Simpel, catchy und hoch professionell ist das Album. Doch zuweilen kehrt | |
sich die musikalische Perfektion bei Songtexten wie „Put me on a ship early | |
in the morning/ It is time to say farewell and goodbye“ in eine langweilige | |
Sentimentalität um. | |
## Banale Melancholie | |
Episch neigt Roxenholt zu einer banalen Melancholie: „Skating down the | |
street/ On the way from your house/ Nothing’s ever been harder to resist“ | |
sinniert sie über einer repetitiven Akustikgitarre, Klarinette und einem | |
sanft aber stetig ansteigenden Soundvolumen. So verfällt Roxenholt | |
vereinzelt einer hochglanzproduzierten Belanglosigkeit. | |
An anderer Stelle wiederum beeindruckt sie. „I wanna screw my head off | |
/Take a look inside if something’s lost“ singt sie über einem schweren | |
Triphop- Rhythmus, der von einer trocken, aber funky daherkommenden Orgel | |
gebrochen wird. Im Hintergrund, ganz leicht – aber verstörend – ein | |
sphärisches Rauschen. Immer wieder streut die schwedische Musikerin über | |
ihren weichgezeichneten Indie-Pop eine wohltuende Prise Ironie und | |
Crazyness. | |
Auch bei „The Bell“, ihrem vorigen Album, trumpfte sie ganz ähnlich auf, | |
als sie plötzlich ein Marimbaphon und einen billig dumpfen Synthetikbass | |
gegen eine Blaskappelle antreten ließ. Das tut gut. | |
Ebenso wie „The Bell“, veröffentlicht Anna Roxenholt „New Found Land“ … | |
ihrem eigenen Label Fixe Records. Die Schwedin ist ambitioniert. Ihr neues | |
Album ist ambivalent, aber es ist gewiss nicht ihr letztes Statement. Es | |
bleibt spannend, was folgt. | |
## New Found Land, "New Found Land" (Fixe Record/Broken Silence); live: | |
24.4. "Studio 672" Köln, 30.4. "Pop Bar" Haldern, 1.5. "Hafen 2" Offenbach, | |
2.5. "Jazzkeller" Krefeld, 3.5. "Privatclub" Berlin | |
4 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Sophie Jung | |
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