Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Debatte Sexuelle Gewalt: Vergewaltigung als Kriegswaffe
> William Hague, britischer Außenminister, berichtet über Vergewaltigungen
> in Kriegs- und Krisengebieten. 2011 hat er eine internationale Initiative
> gegründet.
Bild: William Hague und Angelina Jolie in einem UNHCR-Camp in der Demokratische…
Immer wieder versucht die internationale Gemeinschaft, Konflikte zu beenden
und kriegszerrüttete Gesellschaften wieder aufzubauen, ohne sich mit den
Gründen zu befassen, die eine Versöhnung so schwierig machen und häufig zu
erneuter Gewalt führen. Einer dieser Gründe sind die Vergewaltigungen und
sexuellen Übergriffe in Kriegszeiten.
Bei meinem Besuch vor zwei Wochen in der Demokratischen Republik Kongo
zeigte man mir ein Foto von einem vergewaltigten fünfjährigen Mädchen. Auf
dem Weg von Flüchtlingslagern zu Krankenhäusern und zu Treffen mit
Menschenrechtsaktivisten hörte ich immer mehr entsetzliche Geschichten von
zerstörten Leben. Frauen, die von ihren Angehörigen verstoßen worden waren,
zerbrochene Familien, Menschen, die beim Sammeln von Feuerholz überfallen
und mit lebensbedrohlichen Krankheiten infiziert worden waren. Und
schändlicherweise können die Täter weiter ein „normales“ Leben führen, …
Strafe befürchten zu müssen.
In vielen Konflikten der letzten 20 Jahre, von Bosnien bis Ruanda und von
Libyen bis Sierra Leone, wurde Vergewaltigung bewusst als Waffe eingesetzt,
um politische Gegner oder ganze ethnische oder religiöse Gruppen zu
verletzen. Solche Wunden verheilen nicht leicht, und sie hinterlassen
Narben. Sie zerstören Familien und zersetzen Gemeinschaften.
Leider spielt sich Ähnliches heute in Syrien ab, von wo uns schreckliche
Nachrichten erreichen über Vergewaltigungen und Folterungen von
Zivilpersonen, über Gewaltakte, die nur dazu verübt werden, politische
Gegner zu terrorisieren.
## Das Verbrechen muss aufhören
Als demokratische Politiker, die an die Würde des Menschen glauben, haben
wir die Pflicht, dieses Problem anzupacken. Wir müssen uns nach Kräften
bemühen, diesem abscheulichen Verbrechen, das schon so viele Opfer
gefordert hat, ein Ende zu setzen, und zu verhindern, dass Vergewaltigungen
je wieder als Kriegswaffe benutzt werden.
Das ist keine leichte Aufgabe, und es gibt viele Hindernisse zu überwinden.
Das erste ist die Angst und die Scham der Opfer selbst. Verständlicherweise
schrecken viele wegen des Stigmas einer Vergewaltigung davor zurück, die
Verbrechen anzuzeigen. Hinzu kommt, dass es an einer geeigneten physischen
und psychologischen Betreuung der Opfer fehlt. Das zweite ist die
Schwierigkeit, Beweise zu erbringen, die vor Gericht verwendet werden
können. Deswegen kommt es nur in wenigen Fällen zu einer erfolgreichen
Anklage.
Seit 1996 wurden allein in der Demokratischen Republik Kongo 500.000 Frauen
vergewaltigt, und nur ein Bruchteil dieser Fälle kommt vor Gericht. Dies
verstärkt natürlich die Kultur der Straflosigkeit. Drittens wird
Vergewaltigung von der internationalen Gemeinschaft bei Konflikten eher als
zweitrangiges Problem betrachtet. Die Folge ist, dass Opfer vernachlässigt
werden, dass zu wenig Geld zur Verfügung gestellt oder einfach nicht
ausgezahlt wird und dass die Täter frei herumlaufen können.
## Täter zur Verantwortung ziehen
Schließlich werden die UN-Organe, die lokalen Organisationen und die
Menschenrechtler, die den Opfern vor Ort helfen, nur unzureichend
unterstützt. Ihre massive Unterfinanzierung macht es ihnen schwer,
effektive Arbeit zu leisten. Alle diese Hindernisse können und müssen
überwunden werden.
Diese Woche werde ich meine Außenministerkollegen in der G 8 bitten, eine
historische politische Erklärung zu verabschieden. Sie soll unsere
Entschlossenheit deutlich machen, auf ein Ende der sexuellen Gewalt in
bewaffneten Konflikten hinzuarbeiten, dafür zu sorgen, dass die Täter bei
diesen brutalen Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden, und eine
umfassende Unterstützung der Opfer zu gewährleisten.
Ich denke an ein Paket praktischer Verpflichtungen: die Anerkennung von
Vergewaltigung und schwerer sexueller Gewalt als gravierende Verstöße gegen
die Genfer Konventionen, mehr Geld und eine langfristige Unterstützung der
Opfer sowie Unterstützung für ein neues internationales Protokoll, das
gemeinsame Standards für die Ermittlung und Dokumentation von sexuellen
Übergriffen vorsieht.
Diese Instrumente sollen die Beweisaufnahme verbessern, damit mehr Fälle
vor Gericht kommen. Sie sollen es den Opfern leichter machen, sich zu
melden, und ihnen die langfristige Unterstützung garantieren, die sie
brauchen, um zu einem würdevollen Leben zurückzukehren.
Ich hoffe, dass wir am Donnerstag in London ein ambitioniertes Abkommen
vereinbaren werden. Aber das ist nur der Anfang. Wir werden die
Unterstützung der G-8-Staaten als Grundlage nutzen, um auf UN-Ebene und
darüber hinaus eine starke internationale Koalition gegen Vergewaltigung
und sexuelle Gewalt in Konflikten aufzubauen.
## Die Opfer nicht alleinlassen
In der G 8 sind einige der größten Volkswirtschaften vertreten, die über
einen enormen internationalen Einfluss verfügen. Wenn sie an einem Strang
ziehen, können sie in der Welt dauerhaft etwas verändern.
Diese Woche werden wir den ersten Schritt tun, um eine der übelsten
Praktiken in der modernen Kriegsführung zu beenden und damit auch einen der
Hauptgründe zu beseitigen, warum die verschiedenen Bevölkerungsgruppen nach
Konflikten so schwer wieder zusammenfinden. Es ist unsere Pflicht, als
Menschen wie auch als politische Führer freier Länder, dafür zu sorgen,
dass die Kriegsvergewaltiger nicht straffrei ausgehen und die Opfer nie
wieder alleingelassen werden.
11 Apr 2013
## AUTOREN
William Hague
## TAGS
Kongo
Vergewaltigung
Sexuelle Gewalt
Kongo
Uno
Sexuelle Gewalt
Schwerpunkt Syrien
Westerwelle
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
Vergewaltigung
Datenjournalismus
Krieg
Indien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gipfel gegen sexuelle Gewalt: Konfrontation mit der Angst
Bei der Eröffnung des Weltgipfels gegen sexuelle Gewalt in Konfliktgebieten
sind Aktivistinnen mindestens genauso wichtig wie Politiker.
Sexuelle Gewalt im Kongo: Systematischer und brutaler Terror
Im Juli 2010 überfielen FDLR-Angehörige Luvungi. Ein Jahr später sprachen
die vergewaltigten Frauen des Dorfes erstmals über das Verbrechen.
Kommentar Sexuelle Gewalt im Krieg: Keine vergessenen Opfer mehr
Trotz weiterhin dringenden Handlungsbedarfs hat der Kampf gegen sexuelle
Gewalt als Kriegswaffe große Fortschritte gemacht.
Sexuelle Gewalt im Krieg: Leidensweg vor Gericht
Die Ahndung sexueller Gewalt als Kriegsverbrechen steht noch ganz am
Anfang. Auf internationaler Ebene aber gibt es konzeptionell Fortschritte.
Bürgerkrieg in Syrien: Amnestie im fortgesetzten Blutbad
Assad amnestiert ausgewählte Gefangene. Währenddessen drängen
UN-Organisationen in einem Appell auf eine politische Lösung des Konflikts.
Bundeswehraktion in Syrien: Zeichen gegen Assad setzen
Syrische Bürgerkriegsopfer wurden in deutsche Krankenhäuser ausgeflogen.
Das Auswärtige Amt spricht von einer einmaligen Maßnahme.
Debatte Die Traumata unserer Mütter: Verlorene Leben
Die Vergewaltigungen im Zweiten Weltkrieg durch alle Seiten sind nie
aufgearbeitet worden. Die Traumata wurden weitergegeben.
Indische Innovation: Dessous gegen Vergewaltigung
Wehrhafte Unterwäsche aus Indien: Als Schutz vor sexuellen Übergriffen kann
ein „BH-Hemd“ Elektroschocks austeilen – und nicht nur das.
Bürgerkrieg in Syrien: Eine Landkarte der sexuellen Gewalt
Auf der Website „Women under Siege“ können syrische Bürger sexuelle
Angriffe melden, die in einer Datenbank gesammelt werden. Der Horror wird
so sichtbar.
Debatte Vergewaltigung im Krieg: Vermiedene Erinnerung
Die Vergewaltigungen von Frauen im 2. Weltkrieg werden in Deutschland kaum
diskutiert. Auch in „Unsere Mütter, unsere Väter“ dienen sie nur als
Stilmittel.
Vergewaltigungen in Indien: Als Opfer nicht ernstgenommen
Viele Vergewaltigungsopfer in Indien kämpfen mit den Folgen der Tat – und
gegen die Polizei. Auch wenn Ausländerinnen beteiligt sind, gibt es selten
Gerichtsurteile.
Die UNO schlägt Alarm: Krieg und Armut, ein Teufelskreis
Vertreibung und Hunger nehmen zu, die Zahl der Hungernden hat die
Milliardenmarke überschritten. Experten sehen in der Hungerkrise ein
"ernstes Risiko für den Weltfrieden".
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.