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# taz.de -- Die eurokritische Partei AfD: Politik für eine Mark
> Die neue Partei „Alternative für Deutschland“ gibt sich im Ton
> verbindlich, im Inhalt radikal. Der Euro soll weg, die Rückkehr der
> D-Mark kein Tabu sein.
Bild: AfD-Parteichef Bernd Lucke war zuvor in der CDU
BERLIN taz | Die Revolte trägt Anzug und akademischen Titel. Im großen Saal
des Berliner Luxushotels InterContinental sind am Sonntag rund 1.300
Unterstützer zusammengekommen, um der Alternative für Deutschland Programm
und Führung zu geben.
Überwiegend Männer, viele von ihnen jenseits der 50, füllen den
fensterlosen Raum. Nur wenige Frauen und Junge sind gekommen. Das Idol der
Eurogegner ist ein jugendlich wirkender 50-Jähriger mit Professorentitel.
Bernd Luckes Rede ist der Höhepunkt eines Parteitags, von dem niemand zuvor
zu sagen wagte, wie er ausgehen würde. Würde sich die AfD als neue Heimat
versprengter Rechter erweisen? Oder sind die 7.500 Männer und Frauen, die
eine Mitgliedschaft beantragt haben, die Vorhut einer ernst zu nehmenden
Kritik am Kurs der Eurorettung?
Selbst falls die Partei bei der Bundestagswahl im September an der
Fünf-Prozent-Hürde scheitert, könnte sie die große Politik beeinflussen. In
Niedersachsen trugen AfD und Freie Wähler dazu bei, dass die schwarz-gelbe
Landesregierung bei der Wahl im Februar ihre Mehrheit verlor.
Gemeinsam kamen sie auf 1,1 Prozent der Stimmen, CDU und FDP fehlten 335
Stimmen zum Sieg. In einer Umfrage von Infratest dimap erklärten jüngst 24
Prozent der Befragten, sie könnten sich vorstellen, für die neue Partei zu
stimmen.
## Viele ehemalige CDUler
Entsprechend selbstbewusst gibt sich Lucke in seiner Rede. „Meine Damen und
Herren Abgeordneten des Deutschen Bundestages“, ruft Lucke in den voll
besetzten Saal, „nichts auf dieser Welt ist alternativlos. Auch Sie und
Ihre Parteien sind es nicht. Und die Alternative zu Ihnen, das sind wir.“
Der Professor für Makroökonomie an der Uni Hamburg ist Mitgründer der AfD.
Wie viele andere hier hat er der CDU nach jahrzehntelanger Mitgliedschaft
den Rücken gekehrt.
Genau 600 AfDler gaben beim Eintritt an, zuvor der CDU angehört zu haben,
130 der CSU und 372 der FDP. Aber auch immerhin 346 Neumitglieder seien
früher in der SPD gewesen, 91 bei den Piraten, 67 bei den Grünen. Das
passt. Denn mit ihrer Forderung, den Euro in seiner jetzigen Form
abzuschaffen, stellt sich die AfD gegen all diese Parteien.
Lucke greift die Aufbruchstimmung im Saal auf. Er spricht von der
„Begeisterung darüber, dass endlich eine neue Kraft sich anschickt, die
Zwangsjacke der erstarrten und verbrauchten Altparteien zu sprengen“. Und
vom „Zorn“, dem „Ärger über das, was CDU, CSU, FDP, SPD und die Grünen…
gut drei Jahren in Deutschland und in Europa mit ihrer heillosen
Euro-Rettungspolitik anrichten“. Luckes Lösung: „die Rückabwicklung des
Euro“.
## Kleine und stabile Währungsverbünde
Zuerst verlassen „die Südländer“ den Euroraum, dann „kann das verbleibe…
Währungsgebiet aufgelöst werden in kleine, stabile Währungsverbünde oder
hin zu nationalen Währungen“. Applaus, Jubel. Im Wahlprogramm fordert die
Partei vage: „Die Wiedereinführung der DM darf kein Tabu sein.“
Lucke gibt sich verbindlich, spricht von der „wirtschaftlichen Perspektive“
für aus dem Euro geworfene Länder. Vom befürchteten Zusammenbruch ganzer
Volkswirtschaften redet er nicht. Im Auftreten betont unideologisch, in den
währungs- und finanzpolitischen Zielen radikal: Mit dieser Mischung kommt
Lucke beim Parteitag an.
Die Angst davor, als rechts abgestempelt zu werden, begleitet den
Parteitag. Der AfD-Mitgründer und Publizist Konrad Adam erklärte vor
wenigen Tagen: „Wer bei der NPD oder der DVU war, ist bei uns nicht
willkommen.“
Lucke betont auf dem Parteitag, er habe sich „geschämt“, als der Bundestag
in den 90er Jahren eine Verschärfung des Asylrechts beschloss. Andererseits
steht im Wahlprogramm: „Eine ungeordnete Zuwanderung in unsere
Sozialsysteme muss unbedingt unterbunden werden.“
## Die berichtet
Und so wollen rechte Milieus die Partei noch nicht für sich verloren geben.
Die neurechte Wochenzeitung Junge Freiheit berichtet auf ihrer
Internetseite im Minutentakt vom Parteitag. Ein paar NPDler begrüßen die
Delegierten vorm Hoteleingang mit einem Banner, auf dem steht: „Wir
arbeiten – Brüssel kassiert. Deutsche Interessen wahren.“
Die Parteitagsregie funktioniert, die Delegierten spielen mit: Angeleitet
vom Publizisten Alexander Gauland, einst CDU-Staatssekretär in Hessen, hakt
das Präsidium die Tagesordnungspunkte ab.
Ihr Wahlprogramm, in dem unter anderem „mehr direkte Demokratie auch in den
Parteien“ gefordert wird, gibt sich die Partei ohne Aussprache. Die
Delegierten stimmen per Akklamation dafür – also durch Applaus statt durch
Abstimmung. Erst danach wird übers Ergebnis diskutiert. So verhindert das
Präsidium, dass die Partei am Ende eines langen Tages ohne Inhalte dasteht.
Das Ergebnis ist so wie der neue Parteichef Bernd Lucke: vordergründig
verbindlich, inhaltlich scharf. „Wir bejahen ein Europa souveräner Staaten
mit einem gemeinsamen Binnenmarkt“, heißt es da.
## Die deutsche Erpressung
Andererseits solle Deutschland ein „Austrittsrecht aus dem Euro“ erzwingen,
„indem es weitere Hilfskredite des ESM mit seinem Veto blockiert“. Die
anderen Eurostaaten sollen sich also einer deutschen Erpressung beugen,
sich so selbst und dem gepriesenen gemeinsamen Binnenmarkt schaden. Und das
alles „in Freundschaft und guter Nachbarschaft“.
Zwei junge Frauen posieren lächelnd für Fotografen. Die beiden
Parteimitglieder tragen enge weiße T-Shirts. Auf dem einen steht – in
Anlehnung an die Abkürzung AfD - „Angie fährt Daimler“. Was das heißen
soll, bleibt, wie so vieles an diesem Tag, unklar. Aber die Stimmung ist
prächtig.
14 Apr 2013
## AUTOREN
Matthias Lohre
Matthias Lohre
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