# taz.de -- Ezra Koenig von Vampire Weekend: „Das ist mein Hobby, kein Job“ | |
> Ezra Koenig, Gitarrist und Sänger von Vampire Weekend, mag nicht | |
> erwachsen werden, hält nichts vom New York- Mythos und sieht HipHop als | |
> einen Teil der Postmoderne. | |
Bild: „Jeder hört HipHop“, sagt Bandleader Ezra Koenig (ganz rechts, mit C… | |
taz: Herr Koenig, auf die Gefahr hin, dass Sie mich schlagen, drei Thesen: | |
Afro Beat ist vorbei, Vampire sind tot und das Konzept des Wochenendes | |
haben wir hinter uns gelassen. Wozu noch Vampire Weekend? | |
Ezra Koenig: Ich spare mir meine Kampfkünste für Momente auf, in denen ich | |
sie wirklich brauche. Ich würde sagen, wir haben sowohl den Vampir als auch | |
das Wochenende transzendiert. Der Vampir war die These, das Wochenende die | |
Antithese, Vampire Weekend sind die Synthese. Wer an Wochenende und Vampire | |
denkt, denkt an uns. | |
Ist Afro-Beat mit „Modern Vampires of the City“ für Vampire Weekend nun | |
Geschichte? | |
Afrikanische Musik wird immer Teil unseres Sounduniversums sein. Die neuen | |
Songs klingen funky, aber wir sind ein bisschen weiser geworden und müssen | |
daraus keine große Sache mehr machen – hoffentlich geht es anderen ähnlich. | |
Ihr Albumtitel „Modern Vampires of the City“ ist ein Zitat: Junior Reid, | |
Wu-Tang Clan, Game – sie alle haben einen Song gleichen Titels. Warum haben | |
Sie dies aufgegriffen? | |
Ich interessiere mich sehr für die Vampir- und Zombie-Metaphern im | |
Dancehall und im HipHop. Sie sind Symbol von Babylon, für Raffgierige, die | |
von den Unterdrückten nehmen. Wenn man über die Welt nachdenkt, ist es | |
wichtig, über diesen Trieb aus Selbstsüchtigkeit und Gier zu reflektieren. | |
Der steckt nicht nur in den Bankern, sondern in uns allen. Das ist die eine | |
Bedeutung. Andererseits kann man den Titel wörtlich nehmen: „Moderne | |
Vampire in der Stadt“ – und es könnte für ein Album über Manhattan keinen | |
besseren Titel geben. | |
Wie ist der Titel mit New York verbunden? | |
Es gibt viele Arten, ein Vampir zu sein. Wenn man den Titel liest, weiß man | |
sofort, dass keine richtigen Vampire gemeint sind. Wer sind moderne Vampire | |
der Stadt? Dracula auf keinen Fall. Aber die Nacht ist zentraler Aspekt in | |
fast allen Songs. | |
Ist New York eher Mythos oder einfach Ihr Lebensmittelpunkt? | |
Leute, die sagen: Oh, das New York der Siebziger war so cool, so | |
gefährlich, finde ich langweilig. Aber eine aufregende Metropole als | |
Reflexionsgegenstand finde ich unerschöpflich. Meine Verbindung zu New York | |
ist ansonsten rein persönlich: Ich wurde dort geboren. | |
Auch HipHop entstand in New York. Auf Ihrem Album finden sich zahlreiche | |
HipHop-Referenzen. Was bedeutet das Genre für Sie? | |
Jeder hört HipHop. Wir versuchen, das aber nicht in den Vordergrund zu | |
stellen. Andererseits muss man sich für Referenzen nicht schämen. Wir | |
machen Musik in der HipHop-Ära, in der Ära von Kanye West – so sehe ich die | |
Gegenwart. Deswegen sind wir noch lange keine Rapper, aber in unserer | |
Herangehensweise an Pop können wir nicht anders, als von HipHop beeinflusst | |
zu sein. Wir streuen gerne Referenzen ein, unser Schlagzeug soll fett | |
klingen – die Art, wie HipHop produziert wird, beeinflusst uns maßgeblich. | |
Sie haben Ihre drei bisherigen Alben als Trilogie bezeichnet. Warum? | |
Das aktuelle Album ist auf jeden Fall „The Dark Knight Rises“ (lacht). Wenn | |
man ihnen einen erzählerischen Rahmen geben müsste, würde ich sagen, dass | |
sie alle denselben Charakteren folgen. Das Debüt ist etwas überheblich, es | |
geht um die Jugend, den Frühling. Das zweite Album zeigt den Auszug in die | |
weite Welt. Nun war es Zeit, nach New York zurückzukehren, das passiert in | |
einer ganz anderen Stimmung als noch beim Aufbruch aus der Stadt. Es ist | |
ein klassisches Muster jeder Trilogie: Von hier nach dort und wieder | |
zurück. Ich denke, das ist auch ein Grund, warum die Zahl drei in der Kunst | |
weitverbreitet ist. Zahlensymbolische Simplizität. Eins, zwei, drei: Das | |
ergibt Sinn. | |
Ist es in dieser Weise auch mit Ihrem Leben verknüpft? Beim Debütalbum | |
besuchten sie noch das College, nun sind sie erwachsen. Haben Sie dann beim | |
nächsten Werk Kinder? | |
Das möchte ich möglichst lange aufschieben. Ich will nicht, dass Vampire | |
Weekend erwachsen wird. Ich weiß nicht, was als nächstes kommt, aber ich | |
fühle mich sehr frei. Wir sind an einem Punkt, wo wir überallhin gehen | |
können, weil wir mit der Trilogie ein Kapitel abgeschlossen haben. | |
Können Sie dieses Gefühl des Nicht-erwachsen-werden-Wollens genauer | |
beschreiben? | |
Für mich heißt erwachsen zu sein nicht, intelligent zu sein. Es heißt | |
nicht, erfahren zu sein. Es ist eine gespielte Ernsthaftigkeit. Vor allem | |
für Musiker ist das gefährlich: Man fängt an, sich professionell | |
aufzuführen, ist völlig von sich eingenommen. Musik ist mein Hobby, eine | |
Leidenschaft und nichts, was ich als Job machen kann. Für uns bedeutet, | |
nicht erwachsen werden zu wollen, verspielt zu bleiben. Und das, obwohl | |
unsere Songs von sehr ernsthaften Themen handeln. | |
Ihr Album heißt „Modern Vampires of the City“, ist Ihre Herangehensweise | |
nicht eher postmodern? | |
Richtig, ich stimme mit vielen Ideen der Postmoderne überein. Dass es keine | |
großen Erzählungen mehr gibt, dass es in der Musik nicht mehr diese Idee | |
gibt, Teil einer großen Rockgeschichte zu sein. Die Geschichte ist | |
abgeschlossen, wir leben im Post-HipHop-Zeitalter. Ich wurde 1984 geboren, | |
im gleichen Jahr erschien das Debütalbum von Run DMC. Dazu habe ich einfach | |
eine engere Verbindung. HipHop ist entscheidender Teil postmoderner | |
Kunstgeschichte, was Sachen wie Rekombination anbelangt. Insofern würden | |
wir uns eher da verorten, auch wenn manche philosophische Ideen der | |
Postmoderne sich heutzutage etwas albern anhören. | |
Würden Sie sich als intellektuell bezeichnen? | |
Wir waren alle am College, uns wurde deshalb oft vorgeworfen, wir seien | |
elitär. Ich glaube, wir sind die am wenigsten elitäre Band ever. | |
Intellektuell sind wir in dem Sinn, dass wir unsere Gehirne einschalten; | |
dass wir über Musik und ihre Bedeutung reden; dass wir reflektieren, was | |
wir machen. Man merkt doch auch, dass RZA schlau ist, wenn man seine | |
Biografie liest. Ist die Musik vom Wu-Tang Clan deshalb intellektuell? Eher | |
nicht. Natürlich hatte RZA eine Vision, er hat äußerst exakt über die | |
Bedeutung der Zeichen nachgedacht, die er für seine Musik benutzt hat. | |
Selbstverständlich ist das intellektuell. | |
9 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Elias Kreuzmair | |
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