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# taz.de -- Debütalbum von Vampire Weekend: Indierocker ohne Wurstpellenhosen
> Der nächste Hype ist da! Jeder Song ein pointiertes Assoziationswunder!
> Vampire Weekend aus New York verschmelzen Indierock mit Afropop und
> Schlaumeiertum.
Sie sind zu viert, sie kommen aus New York und sie werden den Indierock aus
den viel zu engen Wurstpellenhosen befreien: Vampire Weekend heißt die Band
der Stunde. Und "Vampire Weekend" (XL-Recordings) heißt auch ihr
Debütalbum, eine bestens gelaunte Ode an Paul Simon, vorgetragen von
Schlaubergern in gestärkten Hemden, die im Plattenladen das Fach für
Weltmusik, Schwerpunkt Senegal, geplündert haben. Die hinterletzte
Dorfcombo hat mehr rockistischen Gestus als diese jungen Männer, denen man
das erste musikalische Fest des Jahres zu verdanken hat.
Die Party steigt auf einem Kingsizebett aus polyrhythmischem Afrobeat.
Lässige Gitarrenläufe sind zugegen, die Basslines dagegen haben die
Beherrschung längst verloren und hüpfen wie von Sinnen herum. Die
Rasselfraktion liebäugelt mit den Maultrommeln und irgendwie mischt sich
auch noch ein Cembalo in die Veranstaltung. Sänger Ezra Koenig krönt den
ganzen Spaß durch ungezwungenen Gesang - und spätestens jetzt weiß man,
dass man bei Vampire Weekend sicher ist. Sie werden einen nicht
konfrontieren mit dieser anstrengenden Humorlosigkeit, die andere
Indiebands oft begleitet (und die etwa Konzerte von Interpol zu so
leidvollen Angelegenheiten macht). Und: Vampire Weekend haben keinerlei
Berührungsängste gegenüber Künstlern, deren Coolnessgrad im Popdiskurs
argen Schwankungen unterliegt. Womit wir bei Paul Simon wären. In ihm sieht
die Band einen Quell der Inspiration, sein Südafrika-Album "Graceland" ist
überpräsent auf diesem Debüt.
Dem Debütalbum ist letztes Jahr ein massiver Online-Hype um Vampire Weekend
vorausgegangen, der durchaus Arctic Monkeyssche Ausmaße annahm. Doch
mittlerweile gedeiht auf einschlägigen Musikblogs auch leidenschaftlicher
Hass auf die Band. "Ich möchte ihnen die Kniescheiben brechen!", schreibt
ein entrüstetes Mitglied der Indiegemeide. Oder auch, oh weh: "Man sollte
ihnen das Pausenbrot klauen, verdammt noch mal!"
Die Aufregung hat weniger mit der Musik von Vampire Weekend zu tun, sondern
mit der Art und Weise, wie sich die Band beständig als
Schlaumeier-Kollektiv inszeniert. Die Tatsache, dass alle vier
Bandmitglieder bis vor kurzem an der renommierten New Yorker Columbia
University studiert haben, erwähnen sie liebend gern in Interviews. Das New
York, aus dem sie kommen, ist nicht die überteuerte Lower East Side, wo The
Strokes und die Wurstpellenhosen beheimatet sind. Ezra Koenig, Rostam
Batmanglij, Chris Baio und Christopher Tomson verorten sich im
facettenreichen Brooklyn, in der arty Nachbarschaft von TV On The Radio und
Yeasayer. Dort kultivieren Vampire Weekend ihren Chic, der sich - mal
abgesehen von den gestärkten Hemden - aus guten Manieren und liberalen
Ansichten zusammensetzt. Ihren Kritikern begegnen sie mit
naturwissenschaftlicher Erkenntnis: "Wenn man als Band auf der einen Seite
viel Liebe bekommt, dann muss es auf der anderen Seite zwangsläufig auch
die Hater geben. Das entspricht dem Wechselwirkungsgesetz in der Physik",
erzählt Bassist Chris Baio der taz.
Die Information, dass eine Band wie Vampire Weekend ihre Songtexte nicht
irgendwie dahinschmiert, sondern stattdessen kleine pointierte
Assoziationswunder dichtet, dürfte nun niemanden mehr überraschen. So
beginnt "Oxford Comma" als ein Song über die Schwierigkeiten der
Interpunktion, gleitet dann in tibetische Landeskunde ab, um am Ende bei
der Weisheit des Rappers Lil John anzukommen. "Walcott" fordert den
Literaturnobelpreisträger Derek Walcott freundlich auf, doch endlich mal
das Ostküstenferienghetto Cape Cod zu verlassen, bitte. Das Stück "Cape Cod
Kwassa Kwassa" reimt "Louis Vuitton", das protzigen Luxusunternehmen, auf
"Reggaeton", ein Musikstil, der seine Wurzeln in einem Entwicklungsland
hat.
Vuitton, Reggaeton - bewertet werden die Dinge beim Reimen nicht. Genauso
wenig geht es Vampire Weekend um die politisch korrekte Weltrettung im
Stile eines Bob Geldof, wenn sie Afrorhythmen und Melodien zitieren. Ihr
Zugriff auf afrikanische Musiktradition ist unverbindlicher, wenn nicht
pragmatischer Natur: "Wir haben zwar alle zuvor Musik aus Afrika gehört",
sagt Bassist Baio, "in unseren Sound haben wir sie aber erst aufgenommen,
als Ezra, unser Sänger, sich für saubere Gitarrenläufe zu interessieren
begann."
Und so machen Vampire Weekend statt soziopolitischen
We-are-one-world-Anstalten, die ihnen ohnehin niemand glauben würde, ein
Album, das richtungsweisend ist. Mit ihren weltmusikalischen Bezügen
frischen sie den Indierock auf, wie es auch die Suburban Kids With Biblical
Names in Schweden gerade versuchen oder die amerikanisch-kenianischen Extra
Golden. Ihr Sound führt weg von den Retroklängen vergangener Jahre, die
sich dermaßen erschöpft haben, dass sie vollends erledigt sind: Hinaus aus
dem Durcharbeiten der Zeit und hinein in den Raum.
25 Feb 2008
## AUTOREN
Joanna Itzek
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