| # taz.de -- Vampire Weekend: Höflichkeit als Antidot | |
| > Zum Start ihrer Deutschlandtour spielt die New Yorker Band im Berliner | |
| > Astra-Kulturhaus ein sehr beflissenes Konzert. Plastikbecherwürfe wirken | |
| > wie eine neue Geschicklichkeitsdisziplin. | |
| Bild: Ezra Koenig am 20.02.2010 auf der Bühne des Astra Kulturhauses in Berlin. | |
| "Sie sind ein sehr höfliches Publikum! Ihr Betragen ist tadellos." Was wie | |
| ein Textbaustein von Benimm-Ultra Prinz Asfa-Wossen Asserate klingt, ist | |
| eine Ansage von Ezra Koenig. Ein verstörender Moment, circa Mitte des | |
| Vampire-Weekend-Konzerts am Freitagabend in Berlin. Vielleicht hat der | |
| US-amerikanische Sänger und Gitarrist seine Fans im ausverkauften | |
| Astra-Kulturhaus im Stadtteil Friedrichshain auch geduzt, das Englische | |
| legt sich da nicht so genau fest. Auch die beiden Kronleuchter über der | |
| Bühne - die einzigen Dekorationselemente - sind eine Mahnung: Unter | |
| ebensolchen Lichtquellen haben die vier Musiker von Vampire Weekend | |
| jahrelang in der New Yorker Columbia-Universitätsbibliothek studiert. | |
| In Berlin beginnt ihre Deutschlandtournee. Schon zum Konzertbeginn, als der | |
| bestens gelaunte Koenig und seine drei Mitstreiter im Dauerlauf auf die | |
| Bühne kommen, verfliegt jede Anmutung an rockistische | |
| Ausschweifungsrituale. Hochkonzentriert, wenn auch leicht überdreht, | |
| starten Vampire Weekend mit "White Sky" und "Holiday", zwei Songs ihres | |
| neuen Albums "Contra". Sofort wird mitgesungen und rhythmisch geklatscht. | |
| Da unterscheidet sich die Veranstaltung kaum von einem | |
| Howard-Carpendale-Konzert. | |
| Auch diverse Animations- und Mitsingaufgaben erledigt das Publikum ohne | |
| Murren. Besonders inbrünstig wird der Song "One -Blakes got a new Face" vom | |
| Debütalbum angestimmt. Nicht ohne die Bemerkung von Ezra Koenig, dass das | |
| Lied perfekt zum Pogo geeignet sei. Aber die Leute springen sich nicht an, | |
| sie hüpfen einzeln in die Höhe. | |
| Die Band macht es ihren Fans auch sonst leicht: Vampire Weekend | |
| reinszenieren auf der Bühne den Studiosound ihrer beiden Alben recht | |
| protestantisch. Das ist nicht ohne Reiz: Die vier Instrumente sind fein | |
| säuberlich getrennt, jede Nuance ist hörbar. Verzerrer oder andere | |
| Verfremdungseffekte gibt es nicht, überzogene Lautstärke ist auch kein | |
| Thema. Koenigs Gitarre und sein Gesang kommen von der Bühnenmitte, aber das | |
| Gravitationszentrum von Vampire Weekend bilden Bass und Drums, gespielt von | |
| Chris Baio und Christofer "C.T." Thomson, während Rostram Batmanglijs | |
| Gitarre und Tasteninstrumente ruhige Hintergrundarbeit verrichten. | |
| Baio hat einen Gang zugelegt, schmatzt mit Verve über die Saiten und lacht | |
| gelegentlich dreckig. Thomson gibt sich alle Mühe, Burundi-artige | |
| Trommelfiguren nachzuahmen, wie man sie seit Bow Wow Wow nicht mehr gehört | |
| hat. Dazu zieht er die Four-to-the-Floor-Bassdrum kompromisslos durch - | |
| schon beim ersten Lied ist der ganze Saal auf den Beinen. Ob die | |
| Flanellhemden, die die Musiker an diesem Abend tragen, schon als "preppy" | |
| Uniform durchgehen, ist schwer zu sagen. Ihr braver Look passt zur | |
| Ernsthaftigkeit, zur Beflissenheit, mit der sich Vampire Weekend | |
| verschiedene Musikstile zu eigen machen und trotzdem einen unnachahmlichen | |
| Bandsound erschaffen. | |
| Jugend trainiert | |
| Die Stimmung vor der Bühne ist euphorisch, gerät aber nie in die Nähe von | |
| unkontrollierter Ekstase. Freundlich feiert die Masse die New Yorker Band, | |
| aber auch sich selbst. Plastikbecherwürfe auf die Bühne wirken nicht wie | |
| Wochenendaggressionsabbau, sondern wie eine neue Geschicklichkeitsdisziplin | |
| bei "Jugend trainiert für Olympia". Koenig weicht den Geschossen ebenso | |
| geschickt und schmunzelnd aus. Im Zuschauerraum entschuldigen sich | |
| Bierverschütter artig bei ihren Nebenleuten. Jeder Rempler wird mit einem | |
| aufrichtigen "sorry" bedauert. Ein Hauch von | |
| Erasmus-Studenten-Austauschtreffen liegt über Friedrichshain. Und als | |
| Koenig auch noch den Doktoranden im Publikum einen Song widmet, gibt es | |
| wirklich kein Halten mehr. Die frische Luft wirkt hinterher wie ein | |
| Arschtritt. | |
| 21 Feb 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Julian Weber | |
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