| # taz.de -- Kolumne Melodien aus Malmö #1: Krasse Klimaänderung | |
| > Malmö, wo in acht Tagen der 58. Eurovision Song Contest stattfindet, | |
| > feiert sich selbst als multikulturell. Jüdisches darf dabei nicht so zum | |
| > Vorschein kommen. | |
| Bild: Hat mehr zu bieten als einen Ikea: Malmö. | |
| MALMÖ taz | Die Veränderungen sind wirklich enorm. Vor 21 Jahren, als | |
| gegenüber von Kopenhagen bereits einmal ein Eurovision Song Contest | |
| stattfand, war die gastgebende Stadt kaum mehr als ein Ort, wo drei dutzend | |
| europäische TV-Stationen unter Federführung des schwedischen Senders SVT | |
| eine internationale Fernsehshow inszenierten. | |
| Damals war Malmö noch am Rand des Landes, ganz unten an der Ostsee. Die | |
| Industrie schrottreif, Fabrikanlagen ungenutzt, weil deren Firmen bankrott | |
| oder, der Globalisierung wegen, ins Ausland abwanderten. Malmö – das war | |
| eine graue Vorhölle. Das schönste an diesem Flecken war die Fähre in die | |
| dänische Hauptstadt: In einer Stunde war man dort, wo es nicht trist und | |
| zukunftsarm ist. | |
| Aber wie hat sich das geändert. Die Stadt hat im vorigen Jahr, nach Loreens | |
| Sieg im aserbaidschanischen Baku, den Zuschlag erhalten, den nächsten | |
| Eurovision Song Contest ausrichten zu können. Anders als einst lohnt es | |
| sich für einen Ort, diesem Festival einen schmückenden Rahmen zu geben. Man | |
| kann sich als Stadt präsentieren, wird europäisch und streckenweise auch | |
| global bekannt – und darf auf Touristen und Investoren hoffen. | |
| Stockholm (ESC-Gastgeber 1975 und 2000) und Göteborg (1985) waren früh aus | |
| dem Rennen – in der Hauptstadt war die Stadionmiete zu hoch, in Göteborg | |
| gab es keine geeignete Location. Für Malmö sprach obendrein, dass der | |
| Flughafen von Kopenhagen inzwischen in einer Viertelstunde erreichbar ist: | |
| Nach Kastrup fährt man inzwischen mit einer Art S-Bahn. | |
| Dass das alles so funktioniert, liegt an einem Bauwerk, das nicht nur | |
| symbolisch für die Renaissance Malmös steht: Die 2000 eröffnete Brücke | |
| (bekannt auch aus einer gleichnamigen Krimiserie, die das [1][ZDF] | |
| ausstrahlte) zwischen Dänemark und Schweden hat die 300.000-Einwohner-Stadt | |
| vom Rand ins Zentrum befördert. Diesem Bau verdankt diese ESC-Stadt | |
| inzwischen fast alles. Auf den Brachflächen zwischen Innenstadt und Ostsee | |
| sind Wohnsiedlungen errichtet und ein Konferenzzentrum, in dessen | |
| Mittelpunkt eine Halle steht, in welcher am 18. Mai das Finale des ESC | |
| gegeben werden wird. | |
| ## ESC-Motto „We Are One“ | |
| Malmö preist sich nun hochherzig unter dem ESC-Motto „We Are One“. Wir sind | |
| eins! – was sich im Symbol des Schmetterlings ausdrückt, mit dem die | |
| Innenstadt und das Konferenz- und Einkaufszentrum versehen worden sind. Und | |
| so preist sich die Stadt selbst: 180 Nationen lebten dort (wie auch immer | |
| man das zählt), eine Universität sei gegründet worden (die | |
| ehrwürdig-traditionelle im benachbarten Lund sollte ohnehin erweitert | |
| werden), alle seien glücklich und zufrieden, Kultur und Soziales stimmten. | |
| Das mag genau beurteilen wer will, gleichwohl: Im Stadtbild, wo in diesen | |
| Tagen feine 20-Grad-Temperaturen sehr viele Menschen anregen, | |
| beinkleiderfrei zu gehen, sieht es tatsächlich mulkulturell aus. Der Held | |
| all dieser Communities heißt Zlatan Ibrahimovic, ist Fußballspieler | |
| hochdotiertester Art, hat neulich der Jogi-Löw-Auswahl schwer einen | |
| eingeschenkt und ist durch eine monströse bollywoodeske Villa an der Ostsee | |
| von Malmö auch architektonisch verewigt. | |
| Ja, diese Stadt blüht, alles ist schwedisch-international. Aber sind es | |
| wirklich alle, die sich glücklich schätzen, im neuen, im modernen Malmö zu | |
| leben? | |
| Womit ich auf die Menschenrechtslage zu sprechen kommen muss. Jüdische | |
| Schweden, für die dieses Land immer sicher war, fühlen sich mittlerweile | |
| genötigt, öffentlich keinen Davidstern zu tragen: Kommt gerade nicht gut an | |
| – man identifiziert Juden mit Israel und dieses mit Juden. In Malmö scheint | |
| es besonders prekär, sich zu zeigen. Aldo Keel recherchierte für die NZZ | |
| Ende vorigen Jahres ein feines [2][Panorama aus diesem Winkel der Welt]. | |
| 3SAT hatte schon im Jahr zuvor auf das [3][Problem der mainstreamig | |
| antiisraelischen und antijüdischen Haltung] aufmerksam gemacht: Das sind | |
| Nachrichten aus Malmö, die nicht so recht passen in das Glückspanorama von | |
| der wiederauferstandenen Stadt. | |
| Von Israels ESC-Delegation geht die undementierte Nachricht um, man habe | |
| mit dem Gedanken gespielt, Quartier für die eurovisionären Tage lieber in | |
| Kopenhagen zu nehmen, da sei man sicherer. Am Donnerstagabend sah man | |
| ziemlich stylishe, junge, gut gelaunte Israelis im Euroclub (wo die Social | |
| Events des ESC aus der Fan- und Delegiertenperspektive stattfinden), die | |
| keineswegs leise Hebräisch sprachen. Ja, sie wohnten natürlich in einem | |
| Malmöer Hotel, sagte ein Fotograf – man fühle sich beschützt. | |
| Was wäre das auch für eine Multikulturalität, die mit der zeitgenössischen | |
| Form des Antisemitismus erkauft würde – dem Hass auf Israel (und nicht | |
| allein Opposition gegen dessen aktuelle Regierung)? | |
| 10 May 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.zdf.de/Die-Br%C3%BCcke/Die-Br%C3%BCcke-6069150.html | |
| [2] http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/uebersicht/so-ein-herrliches-land-1.17… | |
| [3] http://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/themen/144953/index.html | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Feddersen | |
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