| # taz.de -- Plagiatsverdacht beim ESC: „Ein absurder Vorwurf“ | |
| > Besteht Cascadas „Glorious“ eine wissenschaftliche Orginalitätsprüfung? | |
| > Auf jeden Fall, meint der Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs. | |
| Bild: Cascada muss sich gegen Plagiatsvorwürfe wehren ... | |
| taz: Herr Hindrichs, Ihre Kollegen der Kieler Uni meinen, in „Glorious“ bis | |
| zum Plagiat reichende Ähnlichkeiten zu „Euphoria“ entdeckt zu haben. Teilen | |
| Sie diesen Befund? | |
| Thorsten Hindrichs: Zunächst einmal: Cascadas „Glorious“ ist mit Sicherheit | |
| kein Plagiat von „Euphoria“, sondern eine handwerklich sehr, sehr gut | |
| gemachte „Stilkopie“. Was die Kieler Sprachwissenschaftlerin in der Bild am | |
| Sonntag vorgelegt hat, ist – so weit ich das aus den wenigen Angaben | |
| schließen kann – eine rein auf phonetischen Aspekten basierende Analyse der | |
| beiden Songs. Die geht zwar von messbaren Parametern wie beispielsweise | |
| Intensität der Beats, Prosodie (Verhältnis von Wort und Musik, d. Red.) und | |
| Länge oder Kürze bestimmter Passagen aus. Doch wie zielführend ein solcher | |
| Versuchsaufbau mit Blick auf Musik ist: Daran habe ich erhebliche Zweifel. | |
| Was erkennen Sie – als Musikwissenschaftler, der sowohl im musikalischen | |
| Stoff des 16. Jahrhunderts wie der heutigen Zeit firm ist: Sind beide | |
| Lieder wenigstens nahezu gleich? | |
| Beide Songs sind aus musikwissenschaftlicher Sicht sehr ähnlich, | |
| insbesondere im Hinblick auf den formalen Aufbau, den sehr ähnlichen Umgang | |
| mit Dynamik sowie die in beiden Songs eher schlicht gehaltene harmonische | |
| und melodische Faktur (Machart, d. Red.). Ähnliche Befunde lassen sich aber | |
| zweifelsohne auch für Tausende anderer Popsongs feststellen. Was im | |
| konkreten Fall zusätzlich deutlich ins Ohr fällt, ist die sehr ähnliche | |
| Instrumentierung beider Songs. In beiden Fällen wird mit ausgesprochen | |
| klassischen Euro-Dance-Elementen gearbeitet. Umgekehrt finden sich in | |
| beiden Songs jedoch auch äußerst markante Unterschiede, die den Vorwurf des | |
| Plagiats mehr als absurd erscheinen lassen. | |
| Beispielsweise? | |
| Die harmonische Struktur von „Euphoria“ scheint mir deutlich ausgefeilter �… | |
| natürlich im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten. Es geht ja um einen | |
| Popsong von dreieinhalb Minuten Länge. Beim ESC-Gewinnerlied des Vorjahres | |
| liegen Strophe und Refrain jeweils eine andere Tonart zugrunde. Bei Cascada | |
| hingegen ist schon zu Beginn die Grundtonart gegeben – und bleibt ihr | |
| während des gesamten Liedes treu. Und auch die beim ersten Hören vielleicht | |
| ohrenfälligste Ähnlichkeit zu Beginn des Refrains („[Eu-]phooo-ri-a“ bzw. | |
| „Glooo-ri-ous“) ist bei genauerer Analyse dann doch nur eine Ähnlichkeit, | |
| denn die beiden „ri“ bewegen sich melodisch in gegensätzliche Richtungen. | |
| Auch der Rest dieser musikalischen Phrase ist nicht mehr gleich. | |
| War es denn seitens der Kieler Analystin überhaupt ein tauglicher | |
| Versuchsaufbau? | |
| Die Frage nach musikalischen Aspekten kann ich in der Kieler Expertise | |
| offen gestanden überhaupt nicht finden, hier lassen sich allenfalls | |
| akustische Ähnlichkeiten erkennen. Wäre die Analyse tatsächlich mit eher | |
| traditionellen, konservativen Methoden erfolgt, hätte es gar nicht zu einem | |
| Plagiatsvorwurf kommen dürfen. | |
| Weshalb denn nicht? | |
| Aus „traditioneller“ musikwissenschaftlicher Warte hätte man vielmehr von | |
| Anfang an auf solch „konservative“ Parameter wie Melodik, Harmonik oder | |
| Form geachtet, Parameter also, die ja durchaus auch „messbar“ sind, die | |
| aber vor allem auch auf die Frage nach musikalischen Sinneinheiten | |
| ausgerichtet sind. Wenn man sich dann genau diese eben musikalisch | |
| sinnvollen Parameter vornimmt, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass | |
| „Glorious“ ohne Zweifel kein Plagiat ist, sondern nur eine sehr sehr gut | |
| gemachte Stilkopie. | |
| Ist es nicht so, dass für Hörer, die Klassik gewohnt sind, alle Dancemucke | |
| gleich klingt? | |
| Wenn, dann sagt das lediglich etwas über „die Hörer“ und nichts über die | |
| jeweilige Musik aus. | |
| Jan Feddersen, taz-Redakteur, bloggt auf [1][Eurovision.de] seit 2008 zum | |
| Eurovision Song Contest. | |
| 19 Feb 2013 | |
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