# taz.de -- Anke Engelke über ESC-Vorentscheid: „Frauen haben den Filter“ | |
> Anke Engelke verdankt ihre Moderation des ESC einer Fan-Initiative im | |
> Internet. Bei einer Suppe spricht sie über den Eurovision Song Contest | |
> und Fleischgelüste. | |
Bild: Hat sieben Jahre exzessiv Fleisch gegessen: Anke Engelke. | |
Eigentlich hat sie keine Zeit. Hat sie dann trotz der Ansage. Ruft mittags | |
an, gerade in Berlin angekommen. Wäre auch der Abend möglich? Ja. „Ist es | |
Ihnen nicht zu spät?“, fragt Anke Engelke am Telefon. „Okay, kommen Sie | |
doch ins Hotel, ich lade Sie auf eine Suppe ein - und dann sprechen wir.“ | |
Sie wird die Berlinale-Preisverleihung moderieren, macht Promo für neue | |
Filmprojekte, tourt in diesen Tagen auch mit „Fred Kellner und die famosen | |
Soulsisters feat. Anke Engelke“. Am Donnerstag moderiert sie in Hannover | |
„Unser Song für Malmö“, die deutsche Vorentscheidung zum Eurovision Song | |
Contest. Ein volles Programm. Wir sprechen übers Essen. | |
taz: Frau Engelke, Sie essen vegetarisch? | |
Anke Engelke: Ja, momentan. Mein erstes Mal als Vegetarierin war als | |
Teenager, 20 Jahre lang, dann habe ich sieben Jahre Pause gemacht. | |
Warum? | |
Bei meiner vorletzten Schwangerschaft, da war ich Vegetarierin und hab | |
plötzlich so Fleischgelüste gehabt. Wir waren im Skiurlaub. Mein Mann und | |
mein ältester Sohn hatten sich im Tal immer so kleine Würstchen gekauft. | |
Ich dachte: „Oh Gott, ich brauche das jetzt auch.“ | |
Abtrünnig geworden? | |
Nein, ich denke aber, dass der Körper immer signalisiert, was er braucht. | |
Und damals war mir so, als ob vielleicht das Kind in mir gerufen hat: „Mir | |
fehlt irgendwas in deiner Ernährung.“ Dann habe ich sieben Jahre lang | |
exzessiv Fleisch gegessen. | |
Wer heute Lust auf Fleisch zugibt, gilt ja fast als aussätzig. | |
Früher war das alles anders. Wenn wir mit der Band unterwegs waren, ist | |
lange her, 25 Jahre, da spielten wir irgendwo auf dem Dorf - und die | |
Menschen wussten nicht mal, was „vegetarisch“ ist. Da kam dann: „Äh, ja, | |
Gulaschsuppe“, da hab ich gesagt: „Nee, nee, kein Fleisch.“ - „Ja, dann | |
nehmen wir das Fleisch raus.“ - „Nee, vegetarisch, gar nichts mit Fleisch.�… | |
- „Ach so, die Eiskarte!“ Und inzwischen ist das ja das Normalste, oder? | |
Normal? Ein Trend? | |
Natürlich auch Trend und alles. Jetzt ist das Vegetarische bei mir eher | |
eine politische Entscheidung. Als ich das erste Mal Vegetarierin wurde, war | |
es, weil ich übergewichtig und unglücklich war und meine Ernährung | |
umstellen wollte. | |
Wir sprechen von den Achtzigern? | |
Jawoll. Und damals kamen halt die ersten Berichte über Tiertransporte. Das | |
war eine schöne Initiation auch in ein politisches Denken. Mit den ersten | |
Auseinandersetzungen über Ernährung und die Verantwortung, die man trägt. | |
Da war ja von einem ökologischen Footprint noch gar nicht die Rede oder von | |
Nachhaltigkeit, sondern da ging es dann um die Grausamkeit und um die | |
Absurdität von Masttierhaltung. | |
Und heute? | |
Ist das eine andere Nummer, eine andere Entscheidung. Ich bin ja so ein | |
bisschen missionarisch, als öffentliche Person hat man ein bisschen | |
Verantwortung. | |
Wie werden Sie der gerecht? | |
Ich mach viel Zeug für Kinder und Jugendliche, und wenn die in einem | |
Interview lesen, die Anke ist Vegetarierin, dann kann daraus ja vielleicht | |
ein gutes Gespräch werden zwischen Kindern und Eltern. | |
Sie kommen ja aus der Pädagogik. | |
Ja, vielleicht ist das Wort „missionarisch“ ein bisschen zu hart. Ich | |
wollte ja Lehrerin werden. Heute mache ich viele Dinge, die zwar humorvoll, | |
aber doch recht zielgerichtet sind, was so Kinder und junge Menschen | |
angeht. | |
Sie machen in der Bonner Bundeskunsthalle auch Führungen für Kinder durch | |
die Sammlungen. Warum? | |
Um ihnen unangestrengt, ohne Zeigefinger, Kunst zu zeigen. Sie dafür zu | |
interessieren. Bislang immer unter der Bedingung, dass ich mit dem Künstler | |
vorher einmal durch die Ausstellung gehen darf, damit ich den Kindern | |
anschließend was erzählen kann von dem Menschen. | |
Und was? | |
Etwa: Hört mal, Lüpertz, boah, der riecht gut oder hat ganz viele Ringe an | |
den Fingern und der geht so komisch und so. Oder Baselitz oder wer auch | |
immer, das sind ja alles Typen. Die muss ich denen irgendwie näherbringen, | |
sonst können die ja mit der Kunst nichts anfangen. Das hat immer was | |
Humoreskes - ich versuche, ihnen etwas mitzugeben. | |
Lust? Neugier? | |
Mut! Demut auch, ich steh mit denen auch manchmal davor und sage: „Ja wenn | |
uns jetzt nichts zu sagen einfällt, dann lasst uns einfach davorstehen.“ | |
Frau Engelke, gibt es auch Tage, an denen Sie nicht arbeiten? | |
Ja, und da passiert dann nix. Einfach nur Hausfrau und Mutter. Find ich | |
auch super. Aber es passiert immer was, ich liebe die Vielseitigkeit | |
dessen, was ich so alles machen darf. Aber die Familie ist einfach die | |
Nummer eins. Nach Hause kommen und tanken. Aber ich bin Hauptverdiener in | |
der Familie, also muss ich manchmal halt verreisen. Irgendwie kriegen wir | |
das hin. | |
Sie waren 2011 in Düsseldorf beim 56. Eurovision Song Contest die umjubelte | |
Moderatorin, und nun werden Sie die Vorentscheidung zum ESC in Hannover, | |
wenn man so will, dirigieren. Interessiert Sie dieser Contest eigentlich | |
wirklich? | |
Ich bin auch Fan, ja. Aber kein wandelndes Lexikon ... | |
... so wie Stefan Raab, der noch nachrangige Platzierungen aus den | |
Siebzigern weiß? | |
... nein, aber mich flasht das Event schon. Am liebsten allein, mit Listen | |
und so. Und mit meiner Schwester und ein paar Freunden dauernd simsen und | |
die Top Five austauschen. Eigentlich möchte ich dann meine Ruhe, keiner | |
soll mir dazwischenlabern, ich möchte das genießen. | |
Dass Sie in Hannover nun die Show moderieren werden, verdankt sich auch | |
einer Fan-Initiative im Internet. | |
Das fand ich eher unheimlich. Es gibt die guten Initiativen, aber vor | |
Düsseldorf 2011, da gab es doch so eine Stimmung im Netz und in den Medien, | |
Stefan Raab und mich eher abzulehnen. Heute scheint es so, als ob es immer | |
eindeutig war, mich neben Judith Rakers und Stefan Raab zu betrauen. War | |
aber nicht so. Die Diskussionen im Netz können freundlich zu einem sein, | |
aber auch sehr, sehr unfreundlich. | |
Wann war das beispielsweise? | |
Als ich die Synchronrolle bei den „Simpsons“ übernommen habe. „Anke muss | |
weg“, hieß es. Und dass Elisabeth Volkmann wieder zurückkommen soll. | |
Wussten die nicht, dass diese wunderbare Kollegin gestorben war? Das war | |
hart, das aushalten zu müssen. | |
Und war das auch so, als Ihre LateNight Show nicht erfolgreich war und 2004 | |
abgesetzt wurde? | |
Darauf habe ich schon so oft geantwortet, es wird einfach nicht anders wahr | |
als: Das hat mich unglaublich belastet. Für meine Leute, die für die Show | |
damals alles gegeben haben und denen ich versprochen hatte, dass sie jetzt | |
für einige Jahre einen Job haben. Wenn ich jetzt daran denke, wird es mir | |
auch wieder ein bisschen unangenehm. Ist nicht schön, ist total doof, wenn | |
man so im Zentrum steht. | |
Und lieber ist Ihnen? | |
„Ladykracher“ ist meins, weil es ein Ensembleding ist. Und bei Moderationen | |
präsentiere ich nur etwas, da fühle ich mich extrem wohl. Das mag ein | |
bisschen feige sein, gibt mir aber auch die Freiheit, die Distanz zu haben, | |
die mich ein bisschen kritisch bleiben lässt und mutig und frech und | |
vielleicht wach und ein bisschen objektiver. | |
Und jetzt die alte Frage: Warum gibt es weniger weibliche Comedians als | |
männliche? | |
Ich weiß es einfach nicht, keine Ahnung. Vielleicht gibt es Unterschiede | |
zwischen Männern und Frauen in diesem Fach. | |
Und die könnten welche sein? | |
Wer worüber lacht, weiß ich nicht. Aber dass Frauen andere Filter haben als | |
Männer. Dann kann ich ja mal ganz kühn sein und sagen, dass Frauen den | |
Filter haben und männliche Komiker, die da auf der Bühne stehen, nicht | |
unbedingt. Die Frauen überlegen: Wen verletze ich mit diesem Witz? Das | |
heißt nicht, dass sie den Witz nicht machen. Die Überlegung kann ja sein: | |
Puh, das geht auf Kosten von, ja dem und dem, tja, dann mach ichs. Bei | |
männlichen Komikern geht es um den Witz, die Pointe, den Lacher. | |
Darf Ihr Humor auch sexistisch sein? | |
Ich weiß nicht, ob ich auch sexistisch bin, ob mein Humor sexistisch ist, | |
ich bin so fraueninteressiert. Doch ich drehe das gern um und mache halt | |
gern die Frauen dann zu den Proleten oder überzeichne ihre unterdrückte | |
Haltung oder zeige ihre Schwächen und werde dann besonders leise. Ich weiß | |
nicht, ob das dann auch diese Konnotation von "ficken" hat oder so. Woody | |
Allen sagte: „Lets check definitions.“ Wir müssen dann noch mal definieren: | |
Was ist sexistisch? | |
Wissen Sie es? | |
Vielleicht müssen wir mit so einem profanen Begriff arbeiten wie | |
„beleidigen“. Wer fühlt sich durch wen in welcher Situation beleidigt? Ein | |
überspitzter Kommentar über eine Frau muss erlaubt sein, darauf können wir | |
uns gern einigen. Ich möchte auch bitte, wenn ich eine Frau sehe, die ein | |
Dekolleté zeigt und einen kurzen Rock trägt, ihr hinterhergucken können. | |
Ich sage ja auch manchmal zu Frauen ... | |
... zu Männern auch? | |
Nein, aber zu Frauen, und ich bin heterosexuell, auch mal: Boah, die Hose | |
sitzt Ia. Das könnte die andere auch missverstehen. Jedenfalls nehme ich | |
mir das Recht raus, weil ich mir dann so denke, tja, vielleicht tut das | |
auch gut. Finde das doch auch schön, wenn zu mir jemand das sagt. | |
14 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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Ulrich Seidl | |
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