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# taz.de -- Rentner klagt gegen Steuernachteile: Vor dem Gesetz
> Herr Morgan rechnet ein umstrittenes Instrument im Steuerrecht nach: Was
> hat es mit der „typisierenden Betrachtung“ nach Bert Rürup auf sich?
Bild: Mann mit Mission: Dr. Horst Morgan.
„Rürup, der als ein geistiger Vater der privaten Basisrente entscheidend am
Alterseinkünftegesetz mitgewirkt hat, geht im Rahmen seiner Vorträge zum
einen auf die gesetzliche und private Altersvorsorge ein.“ MLP
„Finanzdienstleister für anspruchsvolle Kunden“ 2009.
Dr. Horst Morgan, Ingenieur im Ruhestand. Geboren und aufgewachsen in Köln,
besuchte dort d. Gymnasium u. studierte anschließend an d. TH Aachen bis
1968 Elektrotechnik. 1984 Promotion („Wissensbasierte Validierung der
Entwurfsqualität informationstechnischer Systeme“) 1968–1986 (Deutschland):
Funktionen mit zunehmender Verantwortung. Managementaufgaben in
verschiedenen Gebieten des Systems- und Softwareengineering. 1987–1991
(USA): Entwicklung von Langfriststrategien f. d. Forschungsprogramm eines
Labors in d. USA u. Durchführung von Technologietransfers. 1991–1996
(Deutschland): Aufbau u. Organisation eines Dienstleisters f.
Informationsverarbeitung u. Kommunikation. Ab 2000 im Ruhestand. Seit 1996
Befassung m. d. Rentenrecht. 1996, zusammen mit Otto Teufel u. anderen,
Gründung d. ADG (Aktion Demokratische Gemeinschaft e. V. – ADG, München,
Zusammenschluss kritischer Demokraten), dessen 1. Vorsitzender er war. Sein
Schwerpunkt: steuerrechtliche Aspekte. Er ist Verfasser von Büchern u.
Artikeln über Büroorganisation, Softwareengineering u. Computerlinguistik.
Er wurde 1944 geboren, als Sohn einer Kauffrau und eines Apothekers, ist
verheiratet und hat eine (nicht leibliche) Tochter.
Unbeachtet von der Öffentlichkeit verbringen einige unzufriedene Bürger und
auch Bürgerinnen oftmals Jahre ihres Lebens damit, ein noch unbekanntes
oder allgemein hingenommenes Unrecht aufzudecken und akribisch zu
untersuchen. Mit enormem Fleiß, Ausdauer und Energie fügen sie eine
unumstößliche Beweiskette zusammen, mit der sie all die Fehler und Finten
dingfest machen können, die diesem speziellen Unrecht zugrunde liegen. Das
sind enorme Leistungen, die aber so gut wie keine Würdigung finden. Schon
gar nicht vor einem Gericht, das diesen Personenkreis eher dem der
„nörgelnden Querulanten“ zuordnet. Dass der Bürger als Privatmann das
Gesetz überprüft, ist eigentlich so auch nicht vorgesehen. Für all das gibt
es Experten, Beamte, Staatssekretäre, Sachverständige, politische Gremien.
Was aber, wenn die alle versagen? Wenn ihr Versagen quasi die
Voraussetzungen geschaffen hat für das Problem und für dessen Fortbestand?
Herr Morgan und seine Frau wohnen in einem Apartmenthaus im Berliner
Westend, in Sichtweite des Corbusier-Hochhauses. Meine Begleiterin
Elisabeth und ich werden sehr gastlich empfangen, geradezu zeremoniell. Der
Tee wird uns in Tassen aus hauchdünnem Porzellan gereicht. Alles ist
perfekt, die Räume wirken durchdesignt bis ins Detail. Zu unserer
Erleichterung aber zeigen sich unsere Gastgeber ausgesprochen amüsant und
mit sarkastischem Witz gesegnet. Man warnt uns sogar ausdrücklich vor der
Trockenheit des Gegenstands, um den es gleich gehen wird. Auf unsere Bitte,
einfach mal zu erzählen, weshalb er sich acht oder zehn Jahre lang mit
einem trockenen Gegenstand beschäftigt hat, sagt Herr Morgan:
## Krasses Fehlurteil des Bundesverfassungsgerichts
„Es geht um ein krasses Fehlurteil des Bundesverfassungsgerichts, darum,
wie ein Gericht, eine Sachverständigenkommission und der Gesetzgeber
gemeinsam einen Beitrag geleistet haben zur Altersarmut. Also es betrifft
die Jüngeren, die im Arbeitsprozess Stehenden ebenso wie die Älteren und
die Rentner. Das Gesetz, von dem hier die Rede ist, ist das
’Alterseinkünftegesetz‘. Die Besteuerung von Renten erfolgt ja seit dem 1.
1. 2005 nach diesem Gesetz. Es wurde am 9. Juli 2004 verkündet, trat zum 1.
Januar 2005 in Kraft. Es geht zurück auf ein Urteil des
Bundesverfassungsgerichts von 2002 und auf die Arbeitsergebnisse und
Empfehlungen einer extra eingesetzten ’Sachverständigenkommission zur
Neuordnung der Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und
Alterseinkommen‘.
Im Jahr 2002 hat das Bundesverfassungsgericht dieses Urteil zur Besteuerung
von Renten und Pensionen gefällt. Arglos habe ich den Urteilstext gelesen.
Ich dachte gleich, da kann doch was nicht stimmen. Das Gericht hat
versucht, anhand von drei Argumentationslinien, die ’steuerliche
Benachteiligung von Pensionären‘ gegenüber Rentnern aufzuzeigen. Mir fiel
u. a. auf, dass immer wieder ein Terminus vorkam, den ich überhaupt nicht
verstand. Ich habe im Duden geschaut, im Wahrig, nichts! Es handelt sich um
den Terminus ’Typisierende Betrachtung‘. Ich habe das Gericht angeschrieben
und gefragt, was ist das, eine ’typisierende Betrachtungsweise‘, was
bedeutet das im Urteilstext? Und man hat mich dann belehrt, sie seien nicht
verpflichtet, Auskunft zu geben. Auch der Schriftführer hat sich geweigert.
Da stand ich erst mal dumm da und war natürlich verärgert.
Im Jahr 2003 wurde dann vom Bundesminister für Finanzen diese
Sachverständigenkommission eingesetzt zur Erarbeitung von Empfehlungen für
die Gesetzesvorlage. Den Vorsitz hatte Bert Rürup inne. Einer der
Wirtschaftsweisen. Damals war er ein bekannter Mann. Stark gefragt auch bei
der Privatwirtschaft, der er als Lobbyist der Privatvorsorge und zur
Förderung der Geschäftsinteressen von Versicherungskonzernen hilfreich zur
Seite stand. Bis unlängst noch tingelte er mit dem Finanzunternehmer
Maschmeyer herum. Damals 2003 jedenfalls war er Vorsitzender in gleich drei
Kommissionen. Alle zum Sozialsystem. In zweien hat er gesagt, wir müssen an
den Renten sparen, in der dritten sagte er das Gegenteil. Also, im selben
Jahr 2003, unter der Leitung desselben Kommissionsvorsitzenden Rürup, geht
die Sachverständigenkommission davon aus, dass das Rentenniveau deutlich
steigt, die anderen beiden Kommissionen dagegen, dass es deutlich sinkt.
2004 habe ich dann gesehen, auch das Gesetz basiert wieder auf der
Betrachtung des sogenannten ’typisierten Pflichtversicherten“, also auf
’typisierender Betrachtung“, die nicht nur im Urteil, sondern auch im
Bericht der Sachverständigenkommission eine entscheidende Rolle spielt. Ich
dachte, wenn der Herr Rürup das so sagt, dann wird er es ja wissen. Also
habe ich ihn angeschrieben und wieder meine Frage gestellt. Nach längerer
Zeit bekam ich dann eine Antwort, indem er mir den Bericht der
Sachverständigenkommission schickte. Den habe ich sehr gründlich studiert.
## Der ’typisierte Pflichtversicherte“ ist ein Konstrukt
Also, diese ’typisierende Betrachtung“ ist ein umstrittenes Instrument im
Steuerrecht, es wird eine fiktive Norm bestimmt, auf der dann quasi das
Rechenmodell beruht. Der ’typisierte Pflichtversicherte“ ist ein solches
Konstrukt: Er ist ledig und arbeitet 45 Jahre lang, wobei sein Lohn immer
der Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherung entspricht. Also der
verdient durchgehend recht gut – warum er nie heiratet? Vielleicht hat er
nicht die Richtige gefunden? So einer jedenfalls ist eher die Ausnahme.
Außerdem sind die Erwerbsbiografien, wie alle wissen, oft mehrmals
unterbrochen.
Diesen ’Typisierten“ lässt Herr Rürup arbeiten von 1960 bis 2004 –
Differenz plus eins, das sind die 45 Jahre, dann schickt er ihn 2005 in
Rente, und die lässt er ihn beziehen bis 2021. Er ist also alles andere als
ein typischer Pflichtversicherter, aber trotzdem der Referenzfall, das
’Leitbild‘ der Sachverständigenkommission. An ihm wird nun nachgerechnet.
Nach Meinung und Willen der Sachverständigenkommission stammen nur ca. 35 %
seiner Rentenversicherungsbeiträge aus seinem versteuerten Einkommen. Dabei
versteht sie allerdings unter einem ’Rentenversicherungsbeitrag aus
versteuertem Einkommen‘ den Beitrag des Pflichtversicherten aus seinem
versteuerten Lohn, abzüglich eines Anteils, der sogenannten
Vorsorgepauschale.
Diese Vorsorgepauschale ist ein Steuernachlass für Vorsorgeaufwendungen
sowohl für Versicherungspflichtige als auch für Beamte. Dieser Nachlass
übrigens ergibt sich aus Tabellen, aus Steuertabellen, ist da schon
eingearbeitet, alles ganz kompliziert. Für Versicherungspflichtige galten
als Vorsorgeaufwendungen die Beiträge für die Renten-, Arbeitslosen-,
Kranken- und Pflegeversicherung. Bezüglich der Vorsorgepauschale von
Beamten vermerkt das Gericht, die hätte seit 1983, wegen der Befreiung von
der Renten- und Arbeitslosenversicherung, den Beamten nur in geringerem
Maße zur Verfügung gestanden.
Das Gericht verschweigt: Beamte erhielten bis 1982 eine gleich hohe
Vorsorgepauschale wie Pflichtversicherte, obwohl sie von den Beiträgen zur
Renten- und Arbeitslosenversicherung befreit sind. Aber selbst nach der
Kürzung für Beamte im Jahr 1983 erhielten sie im Vergleich immer noch mehr.
Zieht man z. B. von der Vorsorgepauschale des ’typisierten
Pflichtversicherten‘ die Anteile für die Renten- und
Arbeitslosenversicherung ab, dann bleibt eine Rest-Vorsorgepauschale übrig,
und die ist immer geringer als die der Beamten. Pflichtversicherte erhalten
also weniger Vorsorgepauschale für Versicherungen, die sie mit Beamten
gemeinsam haben. Behauptet wird aber das Gegenteil!
## Rürup hat einen Teil des Steuernachlasses geklaut
Und nun stellen Sie sich den ’Typisierten‘ vor, der ja an der
Beitragsbemessungsgrenze verdient, der wendet im Jahr 2004 z. B. 10.000
Euro auf für die vier Pflichtversicherungen. Das ist viel Geld. Und dafür
bekommt er etwa 2.000 Euro Steuernachlass. Und einen Teil dieses
Steuernachlasses, den hat der Rürup geklaut – wenn man so will –, und
keiner hat es bemerkt! Er hat ihn zurückgefordert und hat gesagt, ’aus
versteuertem Einkommen‘, das heißt, was er gezahlt hat, abzüglich des
Steuernachlasses, und zwar anteilig nur für die Rentenversicherung. Er hat
gesagt, aha, sie zahlen nicht alles in die Rentenversicherung, einen Teil
kriegen sie ja zurück. Er hat also das, was sie zurückkriegen, verteilt auf
vier Versicherungen, die Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und
Pflegeversicherung. Und hat gesagt, diesen Teil für die Rentenversicherung,
den ziehe ich dir immer wieder von deinen eigenen Beiträgen ab. Der Herr
Rürup, der rechnet diesen Steuernachlass einfach propagandistisch von den
Rentenbeiträgen runter und sagt dann, es sind nur 35 Prozent, die der
Pflichtversicherte wirklich selbst einbezahlt.
Grämen Sie sich nicht, wenn Sie nichts verstehen. Ich werde Ihnen nicht den
Hauch eines Vorwurfs machen. Mir ging es genauso. Außer Herrn Rürup und mir
weiß das vielleicht keiner, wie das geht.“ Er lacht und sagt: „Nein, im
Ernst, ich musste alle Daten von 1960 an nachsehen, also wie steigt die
Kranken-, wie die Rentenversicherung. Ich war beim Bundesfinanzhof in
München – damals haben wir noch in München gelebt –, man hat mir dort 7
Bände vorgelegt, das sind 45 Jahre gewesen. Aber mir fehlten dann immer
noch 38. Und ich habe beim Beck Verlag angefragt, die waren sehr
hilfsbereit. Der Abteilungsleiter war gerade weg und ich konnte seinen
Schreibtisch benutzen und die restlichen Bände durchsehen.
Es ging sogar recht schnell, denn ich wusste ja, wonach ich suchen muss.
Und ich habe so in etwa gesehen, wie sich diese sogenannte
Vorsorgepauschale, also der Steuernachlass, errechnet. Das ist eine ganz
schwierige Berechnung, das konnte ich nicht. Ich habe meinen Steuerberater
gefragt, aber der hat gesagt, das macht er nie selbst, ist ihm zu
kompliziert. Ich habe es dann notgedrungen alleine versucht mit dem
Rechner. Dabei habe ich festgestellt, es ist gar nicht so schwer, man muss
sich nur mit Ungleichungen beschäftigen. Wenn man 4 Ungleichungen löst,
dann weiß man, wie das ganze Ding läuft! Im Nachhinein kann ich nur sagen,
es war gut, dass ich mich so tief in das Thema gestürzt habe, denn nun
wusste ich, wie der Herr Rürup den Rechentrick gemacht hat.
Merke: Das ’Alterseinkünftegesetz‘ beruht ja auf der Absicht, mehr zu
versteuern, und zwar die Renten. Der Teil, der zu versteuern ist, das waren
dann 50 %, und alle Jahre geht das teils hoch um 2 %, die Besteuerung der
Renten steigt ja jahrgangsweise. Und jetzt haben wir 2013, da zahlt man
schon 50 % plus 16 %, bis irgendwann … Aber das erleben wir nicht mehr. Uns
betrifft es natürlich auch, mich mit 50 % und meine Frau sogar mit 54 %.
Also noch mal: Eine steuerliche ’Vergünstigung‘ wie die Vorsorgepauschale,
die der Gesetzgeber allen Steuerpflichtigen per Einkommensteuergesetz über
mehrere Jahrzehnte eingeräumt hat, wurde von der Sachverständigenkommission
benutzt, um eine höhere Steuer als wesentliche Charakteristik des
Alterseinkünftegesetzes zu begründen.
## Auch Rentner haben Zusatzeinkommen
Und durch dieses Gesetz wurde diese Vergünstigung also nach vielen Jahren
rückwirkend wieder aberkannt. Und diesen Teil hat der Herr Rürup eben mal
rückkassiert … bei ’typisierender Betrachtung‘.“ Alle lachen und er f�…
hinzu: „Die Sachverständigen haben auch das vom Bundesverfassungsgericht
ausdrücklich erlassene Verbot der Doppelbesteuerung missachtet: beim
’Typisierten‘ und somit bei allen Pflichtversicherten, die vor 2025 ihre
Arbeit begonnen haben und 2040 oder später in Rente gehen.
Und nun will ich noch mal auf das Urteil zurückkommen und kurz erläutern,
was es für Fehler enthält und wie die Sachverständigenkommission sich
gegenüber diesen Fehlern absolut blind gezeigt hat. Also wie ich schon
erwähnt habe, bediente sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil
dreier Argumentationslinien: a) durch einen Vergleich der damals gültigen
Besteuerung von Renten und Pensionen, b) durch eine Analyse der
Kapitalflüsse in der Rentenversicherung und c) durch einen Vergleich der
steuerlichen Belastung von Beamten und Pflichtversicherten in der
Erwerbsphase. Keine dieser drei Argumentationslinien ist frei von Fehlern.
a) Bei dieser Argumentationslinie, die den Kern des Urteils bildet, bedient
sich das Gericht der Hilfe von vier Tabellen. Aber: In der 1. Tabelle sind
alle Werte für Renten und Pensionen falsch. Beispielsweise ist von einer
Rente von 62.000 Mark die Rede, aber solche Renten gibt es nicht in der
gesetzlichen Rentenversicherung, die Pensionen hingegen sind viel zu
niedrig angesetzt, solche Pensionen gab es auch nicht. Die wirkliche
Pension war um knapp 5.000 DM höher zu dieser Zeit. In der 2. Tabelle sind
die Werte für Renten falsch, und auf dieser Basis werden wieder die Steuern
angeguckt. In Tabelle 3 sind die Werte für Renten und das zu versteuernde
Zusatzeinkommen falsch.
Das Gericht hat festgestellt, auch Rentner haben Zusatzeinkommen. Und dann
wird gesagt, es gibt bei Ledigen ein zu versteuerndes Zusatzeinkommen in
Höhe von 10.000 DM, laut Statistischem Bundesamt waren es aber nur 5.000
DM, wobei die Hälfte davon der sog. ’Eigentümer-Mietwert‘ ist – eine re…
statistische Größe. Also sind es nur 2.500 DM. Das Verfassungsgericht hat
aber den vierfachen Wert eingesetzt. Und schließlich sind in der 4. Tabelle
demzufolge die Werte für alle Pensionen und das zu versteuernde
Zusatzeinkommen falsch. Falsch bedeutet: Die vom Gericht verwendeten Zahlen
widersprechen entweder den vom Gericht selbst zitierten Quellen oder dem
Beamtenrecht.
## Geld der Beitragszahler an Stelle von Steuermitteln
b) Hier wurde ein Fehler gemacht bei der Analyse der Kapitalflüsse in der
Rentenversicherung. Es wertet den Bundeszuschuss quasi als besteuerbares
Einkommen. Es hat in seiner Beweisführung aber 3 Fakten nicht beachtet: 1.
dass die Steigerung der ’Eckrente‘ – die gibt es auch nur auf dem Papier …
nicht auf den Bundeszuschuss, sondern auf immer höhere
Rentenversicherungsbeiträge zurückzuführen ist. 2. dass die fehlenden Teile
des Bundeszuschusses durch Rentenversicherungsbeiträge gedeckt werden
(verdeckte Besteuerung). 3. dass die angesparten Kapitalstöcke in der
Rentenversicherung von insgesamt 17 Jahresausgaben ersatzlos enteignet
wurden. Wobei Punkt 2 und 3 de facto eine steuerliche Subventionierung von
Beamten und Pensionären beinhalten, da ja Geld der Beitragszahler an Stelle
von Steuermitteln benutzt wird. Und das stellt einen Verstoß gegen den
Gleichheitsgrundsatz Artikel 3 GG dar und verletzt also Verfassungsrecht.
c) Der Fehler liegt hier beim Vergleich der steuerlichen Belastung von
Beamten und Pflichtversicherten in der Erwerbsphase. Das Gericht versucht
durch eine Analyse der Erwerbsphase zu zeigen, dass Pflichtversicherte nur
einen geringen Teil ihrer eigenen Rentenversicherungsbeiträge aus
versteuertem Einkommen entrichtet haben, es argumentiert im Prinzip wie
oben beschrieben bei der Behandlung der Vorsorgepauschale. Zur
Vorsorgepauschale von Beamten vermerkt das Gericht, dass die ihnen wegen
der Versicherungsfreiheit in der Renten- und Arbeitslosenversicherung seit
1983 nur in geringerem Maße zur Verfügung steht.
Das Gericht verschweigt, dass Beamte bis 1982 eine gleich hohe
Vorsorgepauschale erhielten wie Pflichtversicherte, obwohl sie keine
Sozialabgaben zu leisten haben. Aber selbst nach der der Kürzung 1983
erhielten Beamte im Vergleich zu Pflichtversicherten immer noch eine zu
hohe Vorsorgepauschale, bei genauer Berechnung. Und das war aber der
’Beweis‘ des Gerichts, dass es in der ’Erwerbsphase‘ die
Pflichtversicherten sind, die die großzügigen steuerlichen Nachlässe
hatten.
Das Gericht hat also viel zu niedrige Pensionen zugrunde gelegt und viel zu
hohe Renten, von denen mindestens 40 % der Männer und 90 % der Frauen nur
träumen können. Dass Frauen bei uns, trotz Verfassung, weniger verdienen
als Männer und dass sie in der Regel jämmerliche Renten bekommen, das
müsste sich auch schon bis zu den Experten durchgesprochen haben. Es
interessiert sie auch nicht das Problem der Niedriglöhne. Was für mich ein
ganz großes Problem ist, weil sie nicht zum Lebensunterhalt reichen,
sondern auch weil es die Rentenhöhe entscheidend festlegt.
## Fehlerhafte Arbeit der Sachverständigenkommission
Nur durch die Verwendung falscher Werte für Renten, Pensionen und zu
versteuerndes Zusatzeinkommen konnte das Bundesverfassungsgericht seine
Auffassung der ’steuerlichen Benachteiligung der Pensionäre‘ gegenüber den
Rentnern stützen. Erwähnen möchte ich unbedingt noch, dass dieses Urteil
ausgelöst wurde durch die Klage eines pensionierten Staatsanwalts, der
seiner Frau nichts mehr zahlen wollte und sich darüber geärgert hat, dass
sie viel weniger Steuern zahlt als er.
Und jetzt komme ich zur fehlerhaften Arbeit der Sachverständigenkommission
unter Rürup. Die Sachverständigenkommission bestand aus sechs Mitgliedern,
fünf davon waren Beamte. Zwei davon verfügten in Bezug auf Renten über ein
überdurchschnittliches Fachwissen. Der Vorsitzende Herr Rürup und auch der
Herr Rische, damals Präsident der BfA. Keinem sind die gravierenden Fehler
im Urteil des Bundesverfassungsgerichts aufgefallen. Der Herr Rische hätte
ja wissen müssen, wie hoch Renten sind. Und der Herr Rürup, der Rentenpapst
der Regierung Schröder, der wusste natürlich auch nicht, dass es solche
hohen Renten gar nicht gibt. Und dass der Bundeszuschuss zu gering ist, war
ihnen auch entfallen, obwohl es vorher anderswo beide mal gesagt haben.
## Von Sachverstand keine Spur!
Sie bemerkten auch nicht, dass gegen das Verbot der Doppelbesteuerung
verstoßen wird, selbst bei ihrem Leitbild, dem ’Typisierten‘. Und die fünf
Beamten, die wussten auch nichts, nicht mal, dass es derart niedrige
Pensionen, wie im Urteil zu lesen, gar nicht gibt. Die Kommission hat
ungeprüft die falschen Daten und Argumente des Bundesverfassungsgerichts
übernommen und in ihre Empfehlung eingearbeitet. Von Sachverstand keine
Spur! Aus all diesen Fehlern ergeben sich handfeste steuerlich-finanzielle
Nachteile für Pflichtversicherte und Rentner. Es sind sieben Nachteile, die
ich Ihnen nur mal ganz kurz zusammenfassen möchte. Zwei davon sind
sozusagen ursächlich: der ’Rechtsprechungsnachteil‘ durch das Fehlurteil
und der ’Nachteil durch die Arbeit des Sachverständigenkommission‘. Beide
wiederum haben fünf weitere Nachteile zur Folge:
I. den ’Vorsorgepauschale-Nachteil‘: geringere Vorsorgepauschale für
Pflichtversicherte für alle Versicherungen, die sie mit Beamten gemeinsam
haben. II. den ’Progressionsnachteil‘: höhere Besteuerungsbasis bzw.
Steuern der Pflichtversicherten durch Beiträge zur Rentenversicherung und
Arbeitslosenversicherung aus zu versteuerndem Lohn. III. den
’Grundpreis-Nachteil‘: unterschiedliche Rentenversicherungsbeiträge aus
versteuertem Einkommen für gleich hohen Rentenanspruch, aber Besteuerung
der Rente nach gleicher Systematik (Steuersatz, Freibeträge). IV. den
’Nachteil der verdeckten Besteuerung‘: Verwendung von
Rentenversicherungsbeiträgen als Ersatz für Steuermittel. Und V. den
’Nachteil der Doppelbesteuerung‘: Doppelbesteuerung der
Rentenversicherungsbeiträge aus versteuertem Einkommen durch obige
steuerlich-finanzielle Nachteile. Na ja, das sind wohl Nachteile genug!
## Wir werden alle behumst!
Bis ich so weit war, das alles wirklich zu durchschauen und auch zu
berechnen, was die Nachteile in Geldwert ausmachen, ist viel Zeit
vergangen. Es hat fast zehn Jahre gedauert, dieses Fehlurteil und seinen
weiteren Weg bis zum Gesetz zu untersuchen. Bis ich beweisen konnte, wie
dadurch zwei Drittel der deutschen Bevölkerung arm gemacht werden. Sie
haben mich ja beide anfangs gefragt, weshalb ich das alles gemacht habe.
Wahrscheinlich, weil ich mich aufgeregt habe über die Angelegenheit. Ein
starkes Motiv war sicher, offenzulegen, werden wir betrogen oder nicht.
Und wenn ja, worin besteht eigentlich der Betrug? Gleichzeitig aber, das
muss ich zugeben, war ich von der Schurkerei fasziniert. Dass z. B. über 45
Jahre Steuerpräferenzen wieder zurückgenommen werden, das sieht man nicht.
Das steht da nicht. Das müssen Sie selber nachrechnen. Rürup hat alles in
die Anhänge getan. Es ist ’perfekt‘ gemacht. Aber mein Ärger darüber, f�…
wie doof und gutmütig und auch für wie demütig man gehalten wird, der
überwiegt eigentlich alles.
Wir haben das, wie gesagt, auch mal durchgerechnet, was uns aufgrund dieses
Gesetzes vom Staat weggenommen wird, haben eine Modellrechnung gemacht und
das durchverzinst – mit dem fairsten Zinssatz übrigens –, und da kommen Sie
natürlich auf enorme Beträge im sechsstelligen Bereich. Und wenn Sie dann
noch die ’verdeckte Besteuerung‘ berücksichtigen, wo Ihre Beiträge als
Steuerersatz mit hergenommen werden, dann kommen Sie auf richtig viel Geld.
Das hat mich doch enorm geärgert. Wir haben uns dann besprochen, meine Frau
und ich – sie hat das ja alles direkt und indirekt jahrelang mitgemacht –,
und wir haben uns dann zur Klage entschlossen. 2010 haben wir unsere Klage
eingereicht.
So lange hat es gedauert, bis ich wirklich dahintergekommen bin, wie hoch
wir alle behumst werden. Wenn Sie klagen, dann müssen Sie einen triftigen
Klagegrund haben und einen sogenannten ’Nachteil‘, das ist übrigens ein
sehr alter juristischer Begriff und steht für einen persönlichen Schaden.
Und zum Klagen, da braucht man auch Geld, aber Geld haben wir ja. Wir haben
einen ’Vermögensüberhang‘. Machen wir was Gutes draus, dachte ich. Aber d…
ist leichter gesagt als getan. Sie glauben gar nicht, wie man da als Mensch
behandelt wird. Was man uns für Hindernisse in den Weg legte. Dennoch haben
wir die erste Hürde genommen und landeten beim Finanzgericht und da liegen
wir nun schon seit drei Jahren herum. Aber wir warten und halten uns fit
mit dem Laufband.
## An zwei Schrauben drehen
Für so ein umfangreiches Vorhaben braucht man Zeit. Ich hatte Zeit.
Besonders, nachdem ich rausgeflogen war. Ich war nämlich mal ein ernst zu
nehmender Manager, SNI, die gab’s damals, Siemens Nixdorf
Informationssysteme. Ich hatte 2.000 Mitarbeiter, ein ordentliches
’Volumen‘. Da war auch der Otto Teufel. Er war Betriebsrat und ich war so
etwas wie der natürliche Feind des Betriebsrats. Im Rahmen einer großen
Rationalisierung musste ich Leute entlassen. Ich war in dieser Firma – das
nennt man ganz scheußlich – im ’oberen Führungskreis‘.
Aber ich dachte, gehe ich lieber mal selber hin und rede persönlich mit dem
Betriebsrat, statt einfach nur die Leute hinzuschicken. Und einer von den
Betriebsräten, mit denen ich gesprochen habe, war der Otto Teufel – später
wurden wir sogar Freunde. Ich habe versucht, alles darzulegen, dass wir
rationalisieren müssen, dass die Entlassungen eine beschlossene Sache sind,
dass wir aber an zwei Schrauben drehen können: Die eine war die
’Abfindungsschraube‘ und die zweite war das Timing. Es war hart, aber
damals gab es wenigstens noch Betriebsrenten … So habe ich den Otto und
andere Betriebsräte kennen gelernt, und ich glaube, wir haben einigermaßen
schlaue Kompromisse gefunden. Er musste dann ja auch gehen.
Mit der Führung hatte ich keine so gute Beziehung, einer war der Herr von
Pierer, und mit dem anderen ging es noch schlechter. Und eines Tages wurde
ich selbst entlassen. Überraschend. Zwar mit Abfindung, aber ich war
arbeitslos. Die Begründung war, dass in diesem Bereich keine Führungskraft
mehr benötigt wird, auch in der Zukunft nicht. Mein Job war letztendlich
auch abgebaut worden. Ich bin dann sogar zum Arbeitsamt – ohne gesundes Ego
stehen Sie das nicht durch.
## Mit Altersarmut bedroht
Warteschlange, Marke ziehen, Kästchen ankreuzen. Mir wurde dann gesagt, ich
sei überqualifiziert. Für Sie haben wir leider momentan nichts da. Ich
wurde dann aber nach einiger Zeit wieder geholt von der Firma, als
’Berater‘, für ein paar Jahre. Ich kannte eine ganze Menge der
rausgeflogenen Mitarbeiter, und das war eigentlich auch der Grund, weshalb
ich dann mit Otto Teufel diesen Verein gegründet habe, diese ’Aktion
demokratische Gemeinschaft‘. Zum Glück gab es damals noch eine Rente ohne
Abschlag ab 60, das habe ich dann im allerletzten Moment wahrnehmen können.
Es wird uns zum Thema Renten, Altersarmut usw. unendlich viel erzählt, auch
vom ’demografischen Wandel‘ ist ja gern die Rede. Bedauerlich, dass wir
immer älter werden. Aber ist Ihnen das schon mal aufgefallen? Nur die
Rentner werden immer älter! Politiker und Beamte werden grundsätzlich nicht
älter! Dabei werden sie im Schnitt zwei Jahre älter als Rentner. Die
Dramatisierung des demografischen Wandels dient auch nur der
Einschüchterung der Pflichtversicherten und der Erschließung neuer
Geschäftsfelder der Versicherungsindustrie. Die, die jetzt arbeiten – ob
vor oder nach dem Alterseinkünftegesetz –, die werden ausgeplündert und mit
Altersarmut bedroht, das sollten sie wissen! Altersarmut würde es aber gar
nicht geben, wenn man uns die geplünderten Rentenversicherungsbeiträge
zurückerstatten würde, mit Zinsen, wie es sich gehört!“
28 May 2013
## AUTOREN
Gabriele Goettle
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